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Das Ende der Sitzung

„Dann ist es also beschlossen.“ stellte Egwene zwei zermürbende Stunden später fest. „Eine Delegation aus sieben Schwestern, von denen jede Ajah eine zu bestimmen hat, bricht noch heute unter der Leitung einer meiner persönlichen Adjutantinnen zum Athan Miere auf. Als Unterhändler wird einer der Gaidin meiner Behüterin der Chronik die eigentlichen Verhandlungen führen – vorbehaltlich der erfolgreich bestandenen Prüfung, die ich im Anschluss an diese Sitzung bei allen beiden persönlich durchführen werde. Sobald ich Gelegenheit hatte, die Weisen Frauen der Aiel darauf vorzubereiten, wird eine genauso zusammengesetzte Delegation auch zu ihnen aufbrechen.“

Es waren zähe Diskussionen mit vielen Seitenwegen gewesen, aber letztlich hatte es keine der Sitzenden gewagt, Tarna oder deren Behüter direkt in Zweifel zu ziehen. Die Spaltung war zu frisch, um jetzt schon eine weitere zu riskieren, das war wohl einer der Gründe, aus denen die meisten schließlich zugestimmt hatten. Das Bedürfnis, andere Machtlenkerinnen an die Weiße Burg zu binden, spielte ebenfalls eine wichtige Rolle, doch längst nicht für alle. Einige betrachteten diese „Wilden“ noch immer als den Aes Sedai unterlegen und im Grunde unbedeutend, wie viele es auch sein mochten. Die althergebrachten Denkweisen starben nur langsam. Viele Sitzende betrachteten auu0erdem jeden ihrer Anträge mit einem übergroßen Misstrauen. Das war angesichts ihrer bisherigen Anträge kaum überraschend, aber dennoch ärgerlich. Alle Sitzenden wirkten ernst – außer Saerin, deren leichtes Lächeln niemals wankte – doch sie selbst war mit dem Erreichten durchaus zufrieden. Das ließ sie sich natürlich nicht anmerken. Stattdessen konzentrierte sie sich auf Strenge und ihr Erster Behüter antwortete sofort mit Verständnis. Wortlos verließ er den Saal und mehr als eine der Sitzenden blickte ihm verwundert nach, denn es gab kein offensichtliches Anzeichen dafür, warum er es tat. Sie bemerkte einen anerkennenden Blick Myrelles, aber reagierte nicht darauf, sondern fuhr einfach fort.

„Als nächstes sollten wir uns darum kümmern, die Burgverteidigung wieder voll einsatzfähig zu machen.“ erklärte sie ruhig. „Nachdem der ehemalige Befehlshaber der Burgwache, Jimar Chubain gefasst werden konnte und er sich, wie bereits vermutet, als Schattenfreund herausstellte, hat sich Mattin Stephaneos bereiterklärt, vorerst als neuer Befehlshaber die Burgwache Tar Valons zu leiten.“ Mehr als nur eine der Sitzenden wirkte durch diese Wendung überrascht. „Er hat mir mitgeteilt, dass es zunächst das Wichtigste ist, die Häfen wieder voll verteidigungsfähig zu machen. Lord Bryne ist ebenfalls dieser Meinung, daher besteht wohl kein Zweifel an der Dringlichkeit dieser Angelegenheit. Auch der Handel leidet unter erheblichen Einschränkungen. Gibt es Vorschläge, wie die Häfen möglichst schnell wiederhergestellt werden können?“

Natürlich waren die Häfen für den Handel weiterhin bedeutsam, aber ihre Bedeutung für die Burgverteidigung war nach ihrer eigenen Ansicht eher gering. Das Schnelle Reisen würde von nun an den meisten Angreifern zur Verfügung stehen, davon war auszugehen. Sie vermutete stark, dass auch die Seanchaner früher oder später eine Möglichkeit finden würden, es zu erlernen, wenn sie Tar Valon direkt angriffen, ohne dass sie zumindest bisher das dazwischenliegende Land erobert hatten. Semirhage konnte es ihnen gezeigt haben und Delana und Alviarin könnten Kontakte zu ihnen haben, wie es auch bei Liandrin der Fall gewesen war. Die Wiederherstellung der Häfen würde ihr vielmehr dazu dienen, die Moral der einfachen Bürger zu heben und die Anführerinnen der Ajah zum Handeln zu zwingen. Am Rande bemerkte sie, wie sich ihre anderen Behüter rasch in der Burg verteilten, während Salak offenbar vor der Tür zum Saal die Stellung hielt. Sie hatte keinen Zweifel, dass alles vorbereitet sein würde, sobald die Sitzung endete.

Mehrere Sitzende baten ums Wort und sie erteilte es Pevara zuerst, obwohl Lelaine eigentlich etwas schneller gewesen war. Sich weitere Vorwürfe wegen ihres eigenmächtigen Handelns am Hafen anzuhören, war nicht das, was sie jetzt brauchen konnte. Soweit es sie betraf, glaubte sie, bereits genug dafür bestraft worden zu sein, als man sie mehrmals täglich zu Silviana geschickt hatte.

„Mutter, wir haben bereits versucht, die Ketten zu entfernen, aber es ist uns nicht gelungen, da sie einfach zu massiv sind.“ Wie erwartet, erfassten die Sitzenden das Problem nicht, da sie von falschen Voraussetzungen ausgingen. Schon mit einem durchschnittlichen Angreal war sie vermutlich ebenso stark, wie jeder volle Zirkel, der aus beliebigen der anwesenden Aes Sedai bestand.

„Du hast mich missverstanden, Tochter, das Entfernen der alten Ketten stellt kein Problem dar.“ Die Sitzende hob eine Braue. Offenbar war ihr tatsächlich noch immer nicht klar, wie stark sie selbst – und erst Sharina! – mit einem Sa’angreal war. „Das Problem besteht vielmehr darin, Ersatz für die alten Ketten zu beschaffen, der den Anforderungen entspricht, die für die Verteidigung notwendig sind. Ich bitte um Vorschläge, wie solche Ketten beschafft werden können.“

Pevara setzte sich wieder. Jetzt runzelten einige Sitzende die Stirn, aber es bat keine mehr ums Wort. Sie ließ ihnen Zeit, es würde nicht lange dauern, bis sie darauf kämen. Tatsächlich dauerte es nur wenige Augenblicke, bevor Saerin sich erhob. „Ja, Tochter?“

„Da die ursprünglichen Ketten mit Hilfe der Einen Macht geschaffen wurden und es sich nicht um Waffen im eigentlichen Sinne handelt, spricht vermutlich nichts dagegen, auch die neuen Ketten mit Hilfe der Einen Macht zu fertigen, Mutter.“

„Ein ausgezeichneter Vorschlag, Tochter.“ lobte sie und bekam dafür ein zweifellos echtes Lächeln zurück, während die Braune wieder Platz nahm. „Stimmen wir darüber ab. Ich stelle den Antrag, die für die Burgverteidigung erforderlichen Ketten mit Hilfe der Einen Macht herzustellen. Stimmen zum Antrag?“

Es war wenig überraschend, dass der Antrag nur wenig später einstimmig angenommen wurde. Jetzt war es an der Zeit, den Anführerinnen der sieben Ajah etwas zum Nachdenken zu geben. „Behüterin der Chronik, welche Ajah schlägst Du für die Durchführung dieses Beschlusses vor?“

„Ich schlage die Rote Ajah vor, Mutter.“ Niemand wirkte überrascht. Innerlich machte sie Freudensprünge, Tarna hatte ihre Bitte erhört!

„Dann beauftrage ich hiermit die Rote Ajah mit der schnellstmöglichen Durchführung dieses Beschlusses.“ verkündete sie ruhig. „Jede zusätzliche Hilfe ist sicherlich ebenfalls willkommen.“ ...wenn auch äußerst unwahrscheinlich, fügte sie grimmig gedanklich hinzu, bevor sie fortfuhr. „Es gibt eine weitere Empfehlung hinsichtlich der Burgverteidigung, über die wir beraten sollten. Angesichts der Bedrohung durch die Schwarze Burg und auch die männlichen Verlorenen erscheint es sinnvoll, die fünfzehn weiteren bereits zur Verfügung stehenden männlichen Machtlenker möglichst effektiv einzusetzen. Mattin Stephaneos hat vorgeschlagen…“ Sie erklärte seinen Vorschlag und fügte wie einen Nachgedanken hinzu, dass alle fünfzehn bereits von ihr geprüft waren.

Als erste meldete sich erwartungsgemäß Pevara zu Wort. Sie betonte, dies sei ein hervorragender Vorschlag und Saerin unterstützte sie, indem sie einwarf, auch Lord Bryne hätte in ihrer Gegenwart ganz Ähnliches geäußert. Pevara zeigte sich zuversichtlich, dass auch die anderen vier Roten ihre Behüter zur Verfügung stellen würden, sollte der Saal der Burg entsprechend entscheiden.

Die meisten Sitzenden waren zu verblüfft, um sich zu Wort zu melden. Dass Pevara eine der Schwestern war, die Tarna in die Schwarze Burg begleitet hatten, war bisher nur wenigen hier bekannt – auch wenn sie offenbar die anderen beiden Sitzenden der Roten eingeweiht hatte, denn Javindhra wirkte zwar nicht begeistert, aber keineswegs überrascht. Auch Tsutama war hierüber offenbar von Pevara in Kenntnis gesetzt worden, denn sie zuckte mit keiner Wimper. Tatsächlich wirkte sie beinahe zufrieden, warum auch immer.. Schließlich wählte sie als nächstes erneut Saerin aus, die weiterhin lächelte, als ob es keine Sorgen gäbe.

„Ich stelle den Antrag, die Behüter der fünf Roten Schwestern in der genannten Weise zur Burgverteidigung einzusetzen, Mutter.“ erklärte sie gelassen und nahm wieder Platz.

„Stimmen zum Antrag?“ fragte Egwene gelassen in die Runde.

Erfreulich kurze Zeit später war auch dieser Antrag beschlossen und es war Zeit für einen weiteren Hinweis an die Anführerinnen der Ajahs: „Zur Durchführung des Beschlusses ordne ich folgende Verfügung an: Jeder der fünf Männer, die gerade Wache haben, muss zu jeder Zeit von einer Aes Sedai begleitet werden. Wir können männliche Machtlenker schließlich nicht einfach frei herumlaufen lassen, selbst wenn es Behüter sind. Es ist den ihnen verbundenen Schwestern unmöglich, drei der Männer zugleich zu beaufsichtigen. Behüterin der Chronik, glaubst Du man könnte Grüne Schwestern dafür einsetzen, diese Männer zu begleiten? Schließlich haben sie zweifellos große Erfahrung im Umgang mit Behütern.“

Wie erhofft, schüttelte Tarna den Kopf. „Eher nicht, Mutter. Diese Männer sind an Rote Schwestern gebunden und aufgrund der Beschlusslage bezüglich des Angebotes des Wiedergeborenen Drachen stehen jeder Ajah ihre eigenen Männer aus der Schwarzen Burg zu.“

„Es sollten also Schwestern der Roten Ajah diese Aufgabe zugewiesen bekommen, Tochter?“ Sie versuchte, interessiert und etwas neugierig zu klingen, und fand, dass sie es recht gut hinbekam. Dies war eine weitere Gelegenheit, nach außen hin zu zeigen, dass gewillt war, auf Beratung durch ihre Behüterin der Chronik zu hören.

„So ist es, Mutter.“

„Dann verfüge ich hiermit, dass alle fünf wachhabenden Behüter zu jeder Zeit von Roten Schwestern begleitet werden müssen.“

Mehrere Sitzende wirkten, als wollten sie Einwände erheben, aber Verfügungen zur Durchführung von Beschlüssen lagen eindeutig in ihrer Verantwortung. Jeder Frau hier war sicherlich bewusst, dass sich die Rote Ajah beständig ihrer Kapazitätsgrenze näherte. Sechs Schwestern zu jeder Tages- und Nachtzeit an den Brücken, fünf weitere bei den Wachen und zusätzlich die angeblich so entscheidend wichtige Aufgabe, die neuen Ketten für die Häfen fertigzustellen. Die beiden anderen Roten musterten zwar Pevara mit verwunderten Seitenblicken, schritten aber nicht ein, sehr gut. Allerdings wirkte Tsutama jetzt, als wolle sie mit ihrem Blick Wände einreißen. Lelaine dagegen schien mit den Verfügungen sehr zufrieden zu sein, aber das würde sich schon noch ändern, hoffte sie. Die grimmige Genugtuung, die sie aus deren Augen zu lesen glaubte, würde hoffentlich bald verschwunden sein.. Bevor doch noch jemand Einwände erhob, machte sie weiter.

„Das bringt uns direkt zu der Frage, wie und wann die anderen Ajah ihre eigenen Behüter aus der Schwarzen Burg bekommen. Gibt es dazu Vorschläge?“ Dies fiel eindeutig in die Zuständigkeit der Ajah, hierbei hatte sie eigentlich keinerlei Mitspracherecht, wie sie sehr wohl wusste. Egwene fing bewusst den nachdenklichen Blick von Yukiri auf, während von jeder Ajah außer der Grauen mindestens eine Sitzende förmlich aufsprang. Sie erwiderte den Blick eindringlich und schließlich erhob sich auch Yukiri. Darauf hatte sie gehofft. Mit Pevaras Roten, Saerins Braunen und Myrelles Grünen reichte es nicht für eine Mehrheit, zumal unklar war, ob alle hinter ihnen standen. Sich darauf zu verlassen, dass entweder Romanda oder Lelaine schon zustimmen würden, konnte auch schiefgehen. Aber wenn es Yukiri war, die den Antrag stellte, würden ihn auch alle Grauen unterstützen, mit Glück sogar einige weitere. Natürlich konnte sie nicht wissen, wie der Antrag genau aussehen würde, aber wenn die Graue sich erhob, musste sie zumindest den Grund für ihre Frage richtig erkannt haben, und er würde in die richtige Richtung gehen.

„Ja, Tochter?“ fragte sie so ruhig wie möglich, ohne ihren Blick von der Grauen abzuwenden, und drückte innerlich beide Daumen.

„Ich stelle den Antrag, dass alle Ajah sich bezüglich der ihnen zustehenden Behüter an Lord Bryne wenden müssen, da er gegenwärtig mit der Planung des Angriffs auf den Schattenfreund Mazrim Taim betraut ist. Jede Einmischung in der Schwarzen Burg seitens der Weißen Burg muss genau geplant und in die Vorbereitungen einbezogen werden, um keine Vorteile zu verschenken und unnötige Risiken zu vermeiden, Mutter.“ Langsam setzte sie sich wieder, wobei sie die ungläubigen Blicke ignorierte, die vor allem Romanda und Lelaine der Grauen zuwarfen. Selbst die anderen beiden Grauen wirkten verständlicherweise überrascht. Sich an Lord Bryne wenden? Gepriesen sei das Licht, das war um Längen besser als Tarna oder sie selbst! Die Anführerinnen sämtlicher Ajah würden die Wände hochgehen, wenn dieser Antrag durchkam und sie schließlich davon erfuhren. Sofern sie nicht, wie Egwene inzwischen vermutete, größtenteils sowieso auf dieser Sitzung anwesend waren. Und gerade dann war dieser Antrag besonders wertvoll, falls er tatsächlich durchkam, egal, wie vernünftig er war. „Wenn es keinen süßen Apfel gibt, dann beißt man eben in den sauren“, wie ihr Vater dazu vielleicht gesagt hätte. Die Graue schien nicht nur zu ahnen, was sie vorhatte, sondern stand ihrem Anliegen offenbar verständnisvoll gegenüber.

„Das ist mit Sicherheit eine absolute Notwendigkeit, Tochter.“ wandte sie sich ernst beipflichtend an Yukiri, bevor sie in die Runde fragte „Sitzende, gibt es Stimmen zum Antrag?“

Romanda und Lelaine nahmen stirnrunzelnd wieder Platz. Außer Myrelle und Saerin taten es ihnen langsam auch die übrigen nach. Mit einem „Ja, Tochter.“ wandte sie sich an Myrelle, die sehr ernst wirkte und rasch das Wort ergriff.

„Die Grüne Ajah hat bereits beschlossen, noch heute die Schwarze Burg aufzusuchen, Mutter. Angesichts dieser unerwarteten Entwicklung ist es sicher angebracht, die Abreise schnellstmöglich zu verschieben, falls das noch möglich ist.“

Es war nicht zumutbar, dass Logain noch mehr Männer verlor! Auf der Stelle konzentrierte sie sich auf Dringlichkeit und ihr Erster Behüter kam sofort herein. „Sorge so schnell wie möglich dafür, dass die Grüne Ajah nicht zur Schwarzen Burg aufbricht!“ befahl sie ihm ohne jede Vorrede.

„Sofort, Stärkste Mutter.“ gab er zurück und verließ den Saal so schnell wieder, wie er ihn betreten hatte.

Sie wandte sich äußerlich gelassen wieder an den Saal. „Haben noch andere Ajah beschlossen, bereits heute die Schwarze Burg aufzusuchen?“

Von allen Seiten wurde sie mit großen Augen gemustert, selbst Tarna war diesmal keine Ausnahme. Sie selbst konnte sich zwar ebenfalls nicht vorstellen, wie ihr Erster Behüter diesen Befehl umsetzen sollte, zweifelte aber nicht daran, dass es ihm gelingen würde. „Anscheinend nicht. Zurück zum Antrag. Saerin, Du hast ums Wort gebeten?“

Bevor die Angesprochene zu einer Antwort kam, dröhnte plötzlich eine Stimme so laut, dass die Kandelaber an den Wänden zitterten. Überrascht erkannte Egwene darin sogleich Sharina: „Hier spricht die Adjutantin Sharina Melloy des Amyrlin-Sitzes Egwene al'Vere. Alle Mitglieder der Grünen Ajah begeben sich unverzüglich in ihr Quartier und warten dort auf weitere Anweisungen, das ist ein Befehl.“

Egwene unterdrückte ein Lächeln. Immerhin hatte sie gesagt, so schnell wie möglich – und schneller ging es nun wirklich nicht. Sie hatte dies zwar nicht erwartet, aber es machte zumindest deutlich, dass sie es ernst meinte, wenn sie einen Befehl gab. Für einen Moment signalisierte sie Zustimmung und ihr Erster Behüter antwortete mit etwas, das sie an ein Schulterzucken erinnerte und wohl „Es war doch nichts, Mutter“ heißen sollte. Der Mann war ohne Zweifel jeden Kupferling wert, den er je auf Kosten der Burg verspielt hatte.

Sobald die Stimme verklungen war, wandte sie sich äußerlich unbeeindruckt an die Braune, die sie staunend musterte. „Zurück zum Antrag, Tochter.“ forderte sie sie auf.

„Natürlich, Mutter.“ Sie hatte sich schnell wieder gefangen, klang fast so ruhig wie sonst auch. „Ich möchte in Ergänzung zu Yukiris Antrag vorschlagen, dass auch Logain Ablar in die Absprachen mit Lord Bryne einbezogen wird, da nun zweifelsfrei feststeht, dass er im Licht wandelt. Sicherlich macht es keinen Sinn, weitere seiner Anhänger aus der Schwarzen Burg fortzubringen. Wenn er rechtzeitig über die Termine informiert ist, kann er es sicherlich so arrangierten, dass nur Männer zur Verfügung stehen, die bisher noch keine Seite in dieser Auseinandersetzung eingenommen haben. Von diesen Männern lässt sich vielleicht auch mehr über Mazrim Taim in Erfahrung bringen, als von wohlbekannten Anhängern Logains, Mutter.“

Sie zögerte nicht. Endlich musste sie nicht mehr mühselig einzelne Beschlüsse um zehn Ecken vorbereiten, sondern zumindest einige Sitzende erkannten von sich aus, was getan werden musste! Eigentlich hatte sie dies unter der Hand mit Gareth Bryne vereinbaren wollen, aber es offiziell zu machen war erheblich besser, als ihr Vorgehen hinterher rechtfertigen zu müssen. „Ich sehe nichts, das dagegen sprechen würde. Der Antrag ist hiermit um Deine äußerst sinnvolle Erweiterung ergänzt, Tochter.“

Ein Blick genügte, damit Tarna fragte: „Weitere Stimmen zum Antrag?“

Sowohl Romanda als auch Lelaine wirkten völlig überrumpelt und auch andere Sitzende wirkte nicht weniger aus der Fassung, aber niemand erhob sich.

„Keine? Dann bitte ich um Abstimmung, wer für den erweiterten Antrag ist, erhebt sich.“ Es wurde ernst, hatte sie sich geirrt?

Sowohl die beiden anderen Braunen als auch Pevara erhoben sich sofort. Die beiden anderen Roten folgten Pevara nur einen Augenblick später, wie auch Myrelle, deren Grüne sich ihr gleichfalls anschlossen. Dann erhob sich ganz gelassen Yukiri, der rasch ihre Grauen nachfolgten. Sie hatte es geschafft! Aber es kam noch besser, denn sobald Yukiri stand, folgten ihr die drei Weißen und sogar eine der Blauen. Es war sehr ungewöhnlich, Uneinigkeit innerhalb der Ajah im Saal zu demonstrieren, das war ein harter Schlag für Lelaine, die prompt den Mund verzog.

„Gegenstimmen?“ Nur Romanda erhob sich, gefolgt von den zwei Gelben.

„Enthaltungen?“ Lelaine und die andere Blaue standen auf. Das war kaum überraschend. Erstens stimmten sie so nicht mit Romanda und dennoch stimmten sie zum Zweiten auch nicht gegen eine Sitzende ihrer Ajah. Diesmal war es Romanda, die den Mund verzog, hätte sie nicht so vorschnell gegen den Antrag gestimmt, hätte sie sich zuerst enthalten können – der Antrag war ja sowieso bereits beschlossen – und so Lelaine gezwungen, sich ihr anzuschließen, oder sogar gegen ihre Blaue Schwester zu stimmen. Sie hätte einfach nur sitzen bleiben müssen und erkannte es zu ihrem offenkundigen Missfallen erst jetzt.

„Der Antrag wurde mit sechzehn zu drei Stimmen angenommen, bei zwei Enthaltungen.“ stellte Tarna pflichtgemäß fest.

„Dann kommen wir, nachdem die übrigen Tagesordnungspunkte vorerst abgeschlossen sind, endlich zu Punkt neun: Dem bevorstehenden Angriff der Seanchaner auf die Weiße Burg.“ Es war keine Überraschung, dass viele der Sitzenden zweifelnd dreinblickten, aber das würde sich hoffentlich schon bald ändern.

„Mir ist klar, dass es einigen der Sitzenden schwerfällt, etwas zu glauben, für das es lediglich Träume als Hinweis gibt. Vor dem nun Folgenden möchte ich alle Sitzenden daran erinnern, dass ich ebenso wie ihr an die drei Eide gebunden bin und daher nicht in der Lage zu lügen.“ Sie ließ ihren Blick über die Sitzenden schweifen, bevor sie weitermachte. Wäre sie bereits seit vielen Jahren eine vollwertige Aes Sedai, hätte sie sich das verkniffen, aber angesichts ihrer Jugend hielt sie diesen Hinweis für notwendig.

„Die Träume von Traumgängerinnen wie mir gehen mit großer Wahrscheinlichkeit in Erfüllung, sofern es sich um Wahrträume handelt, ganz gleich, ob man nun ihre Bedeutung erkennt, oder nicht. Ein ständiges und aktives Bemühen, diese Wahrträume zu deuten, ist dabei die Grundvoraussetzung dafür, diese Bedeutung tatsächlich zu erfahren, bevor das eigentliche Ereignis eintritt. Eine Schwierigkeit, die damit verbunden ist, betrifft den Umstand, dass Wahrträume kaum von echten Träumen zu unterscheiden sind. Es gibt jedoch eine Eigenschaft, die Wahrträume eindeutig von normalen Träumen unterscheidet: Erkennt man die Bedeutung des Traumes, dann handelt es sich zwingend um einen solchen Wahrtraum. Dieses Erkennen kann sowohl während des Traumes geschehen, als auch wenn ich wach bin, da ich durch meine Ausbildung bei den Weisen Frauen der Aiel in der Lage bin, mich an jeden meiner Träume detailgetreu zu erinnern. Im Fall des Angriffs der Seanchaner handelte es sich um meinen ersten Wahrtraum überhaupt, den ich bereits während des Traumes in seiner Bedeutung erkannte. Es gab seitdem sogar noch einen zweiten Traum, der zwar andere Bilder verwendete, aber klar dieselbe Bedeutung hatte. Nur große und wichtige Ereignisse tauchen mehr als einmal auf und die Wahrscheinlichkeit, dass sie eintreten, steigt dann um ein Vielfaches, daher steht die Bedrohung der Weißen Burg durch die Seanchaner für mich leider völlig außer Zweifel. Alle Schwestern, die glauben, mit den Seanchanern verhandeln zu können, möchte ich daran erinnern, dass Frauen, die die Eine Macht lenken können, bei ihnen Besitz sind. Bloße Dinge, nur Gegenstände, kaum zu unterscheiden von Stühlen, Tischen oder Haustieren, wenn auch deutlich teurer in Anschaffung und Haltung. Besitz ohne jegliche Rechte. Ich persönlich würde, vor die Wahl gestellt, den Tod einem Leben als Damane vorziehen, aber natürlich gibt es keine Möglichkeit mehr, noch den Tod zu wählen, sobald sie Euch einmal an der Leine haben, denn Damane ist es nicht einmal erlaubt, sich selbst zu töten.“

Angesichts dieser grimmigen Worte zeigten viele Sitzende sehr ernste Gesichter. Sie achtete nicht darauf, sondern fuhr gelassen fort, auch wenn ihr diese Erklärung innerlich näher ging, als gehofft.

„Falls einige von Euch der Ansicht sind, die Seanchaner stünden noch weit genug von der Weißen Burg entfernt, um eine akute Bedrohung darzustellen, möchte ich daran erinnern, dass das Schnelle Reisen auch tausende Meilen mit einem Schritt überwindbar macht. Es gibt zahlreiche Wege, auf denen das Wissen, wie man die Tore webt, zu ihnen gelangen kann. Gerüchte über Aes Sedai, die aus Löchern in der Luft springen, haben sie mit Sicherheit bereits gehört. Sowohl Delana als auch Alviarin sind sehr wahrscheinliche Möglichkeiten für diesen Verrat, denn es steht mit absoluter Sicherheit fest, dass bereits andere Schwarze Ajah Kontakt zu seanchanischen Schattenfreunden hatten. Weitere Möglichkeiten sind durch die noch freien weiblichen Verlorenen ebenso gegeben, wie durch jede andere Machtlenkerin, welche möglicherweise in Gefangenschaft gerät und das Gewebe kennt. Nach meinem Kenntnisstand gibt es außerhalb Tar Valons inzwischen sowohl zahlreiche Mitglieder der Schwesternschaft als auch Windsucherinnen und Weise Frauen, auf die Letzteres zutrifft. Von einigen noch ungeprüften Aes Sedai mal ganz abgesehen. Die Frage ist also nicht, ob die Seanchaner erfahren wie man Schnell Reist, sondern lediglich, wann sie es tun. Es gibt unter ihnen zahlreiche Heerführer, die über jahrelange Erfahrung mit dem aktiven Kriegseinsatz von Machtlenkerinnen – auch gegen andere Machtlenker – verfügen, ihre Taktik wird folglich entsprechend geschickt und durchschlagskräftig ausfallen. Es ist zu jeder Zeit damit zu rechnen, dass sowohl innerhalb Tar Valons, als auch innerhalb der Weißen Burg selbst, Zehntausende Angreifer wie aus dem Nichts erscheinen, darunter sicherlich Tausende von Machtlenkerinnen, denen außer zahlreichen todbringenden kaum andere Gewebe bekannt sind. Damane sind letztlich Waffen, nichts anderes, und sie werden auch exakt wie Waffen verwendet. Keine einzige von ihnen verfügt über einen freien Willen oder ist in der Lage, ihren Gebrauch als Waffe zu verhindern. Es käme auch nie einer Damane in den Sinn, dass es anders sein könnte, denn auch sie selbst halten sich für bloße Gegenstände. Wie sicherlich jede von Euch auf Anhieb erkennt, gäbe es unter normalen Umständen keinen Zweifel, dass diese Taktik schon nach wenigen Minuten zur vollständigen Niederlage der Weißen Burg führen würde. Die Stärke der Weißen Burg ist so legendär, dass die Angreifer nicht das geringste Risiko eingehen und sofort mit größtmöglicher Härte zuschlagen werden. Die Seanchaner verfügen hierzulande wohl über mindestens zwei- bis dreitausend Damane, zählt man die frisch gefangenen einheimischen Machtlenkerinnen mit. Eher mehr, wenn man berücksichtigt, wie viele wir allein auf dem Weg von Salidar bis zur Grenze Andors fanden. Wenn man davon ausgeht, dass sie sich mit dem Schnellen Reisen jederzeit Nachschub aus ihrer Heimat jenseits des Aryth Meeres holen können, ist fünftausend Damane eine vorsichtige Schätzung der Anzahl, mit der zu rechnen ist.“

Es gab keine Sitzende, die nicht inzwischen sehr blass geworden wäre. Furcht stand auf vielen Gesichtern klar zu lesen, als sie ihre Worte einige Momente sinken ließ. Das waren gegenwärtig mindestens acht ausschließlich zum Töten ausgebildete Frauen pro in Tar Valon befindlicher Aes Sedai, die sich wegen der Eide nur verteidigen konnte. Auch ihr selbst fiel es schwer, ein Schaudern darüber zu unterdrücken. Sie hoffte, dass ihre Schätzung eher den Gesamtbestand der verfügbaren Damane betraft, war sich dessen aber keineswegs sicher. Auch, dass wohl kaum alle Damane zugleich beim ersten Angriff eingesetzt würden, erwähnte sie nicht. Selbst die Hälfte war noch eine beängstigende Zahl!

„Glücklicherweise“ fuhr sie dann fort „sind die Umstände nicht normal. Selbst wenn ein geschickter Heerführer immer damit rechnet, dass der Feind – also in diesem Falle wir – mehr weiß, als man annimmt, kann er unmöglich damit rechnen, dass wir so lange im Voraus bereits gewarnt sind. Zumindest hoffe ich, dass wir noch etwas Zeit haben. Es gibt noch weitere Vorteile, die auf unserer Seite liegen, so sind die Damane beispielsweise nicht dazu in der Lage, sich zu verknüpfen. Das ist auch der Hauptgrund, warum die Patrouillen in der Stadt und die Wachen an den Brücken zu jeder Zeit verknüpft sein sollten. Auch innerhalb der Burg empfiehlt es sich, selbst im Schlaf zu jeder Zeit mindestens zu dritt verknüpft zu bleiben, darauf solltet Ihr alle Mitglieder Eurer Ajah ausdrücklich hinweisen. Allerdings will ich eine frühzeitige Panik innerhalb der Stadt vermeiden, daher ist dieses Wissen zusammen mit allen Beschlüssen, die dazu getroffen werden, ab sofort der Stola versiegelt.“ Einige Sitzende nickten dazu energisch, aber davon ließ sie sich nicht ablenken. „Ein weiterer Vorteil ist es, männliche Machtlenker auf unserer Seite zu haben, auch damit kann unser Gegner unmöglich rechnen. Die fünfzehn machtlenkenden Behüter, die bereits zur Burgverteidigung eingeteilt sind, machen vielleicht im eigentlichen Kampf kaum etwas aus, aber sie sind ja auch eher als Absicherung gegen die Verlorenen und Mazrim Taim gedacht. Immerhin könnten sie dabei nützlich sein, größere Zirkel zu bilden. Meine Empfehlung, die übrigen Männer aus der Schwarzen Burg betreffend, ist es dagegen, sie möglichst in die Reihen der Seanchaner einzuschleusen. Da in der Schwarzen Burg auch Männer aus den bereits verlorenen Gebieten vertreten sind, sind diese gegenwärtig mit Vorzug zu behandeln, wenn es um das Binden als Behüter geht. Dies ermöglicht uns nicht nur, dass wir wahrscheinlich vor Beginn des Angriffs gewarnt werden können, sondern sogar, den Angreifern mit beträchtlicher Stärke unerwartet in den Rücken zu fallen.“

„Das hört sich ausgezeichnet an, Mutter.“ warf Lelaine ein. Wenigstens stand sie vorher auf, obwohl sie nicht ums Wort bat. „Lord Bryne ist ein hervorragender Stratege.“

„Gareth Bryne ist in der Tat als hervorragender Stratege bekannt, Tochter.“ gab sie ruhig zurück. „Allerdings hatte ich bisher leider noch nicht die Zeit, mit ihm über den Angriff der Seanchaner zu sprechen, sondern musste mir meine eigenen Gedanken dazu machen.“ Das stimmte allerdings. Sie hatte sich in den zurückliegenden Wochen intensiv mit diesem Thema beschäftigt, während sie Töpfe schrubbte und Böden fegte. Die Blaue hob irritiert eine Braue und blinzelte. „Bitte demnächst ums Wort, wie es sich gehört, Tochter, ich bin noch nicht fertig.“ fügte sie mit etwas strengerer Stimme hinzu. Dann wandte sie sich wieder dem restlichen Saal zu, ohne ihr noch weitere Aufmerksamkeit zu schenken. Langsam nahm Lelaine wieder Platz, wie Egwene aus den Augenwinkeln feststellte. Sie wirkte nachdenklich, das war mal etwas neues.

„Es hat bereits Erwähnung gefunden, dass die Seanchaner Flugtiere zum Kundschaften einsetzen. Es erscheint unwahrscheinlich, dass sie sich in Sichtweite Tar Valons begeben werden, aber es ist sehr wahrscheinlich, dass die nähere Umgebung der Stadt in großer Höhe überflogen wird, damit sie sich zumindest ein ungefähres Bild der Umgebung machen können. Dies wird möglicherweise das einzige feststellbare Anzeichen dafür sein, dass ein Angriff tatsächlich bevorsteht. Ich halte es daher für sinnvoll, vertrauenswürdige Kundschafter auszusenden, die in einem weiten Bogen um die Stadt herum, aber außer deren Sichtweite den Himmel unter Beobachtung halten. Zu diesem Zweck stelle ich folgenden Antrag: Je drei Schwestern begeben sich gemeinsam mit jeweils zehn Novizinnen noch heute an entsprechende Positionen. Dabei stellt jede Ajah außer der Roten sechs Schwestern für diesen Zweck ab, so dass es ein Dutzend solcher Stellungen um Tar Valon herum geben wird.“ Die Hafenketten und die Bewachung der Behüter waren nicht so wichtig, aber es musste zwingend gewährleistet sein, dass diese Maßnahme problemlos durchgeführt werden konnte. Einige Sitzende erhoben sich – sicherlich um gegen einen solch gewagten Einsatz der Novizinnen zu protestieren – aber sie fuhr abermals unbeeindruckt fort. „Wäre ich eine seanchanische Der'sul'dam, dann hielte ich die Novizinnen für die leichteste und zugleich lohnendste Beute. Ein massiver Angriff im Novizinnentrakt mit möglichst vielen Sul'dam und Damane und einem schnell folgenden Rückzug wäre mit Sicherheit eines meiner primären taktischen Manöver. Durch die von mir vorgeschlagene Maßnahme können wir die hundertzwanzig vielversprechendsten...“ also stärksten, auch wenn es unpassend und geradezu ungehörig wäre, das auszusprechen „...Novizinnen aus dem direkten Gefahrenbereich schaffen und zugleich sorgen wir für ein Dutzend volle Zirkel, die bei entsprechenden Befehlen gleichzeitig koordinierte Angriffe aus bereits gesicherten Stellungen heraus durchführen können. Jeder erfahrene Befehlshaber wird sich nicht auf einen schnellen Sieg verlassen, sondern zahlreiche Truppen in der näheren Umgebung platzieren, falls es trotz des Überraschungsangriffes zu einer Belagerung kommt. Ein Dutzend unabhängige Truppenteile von je fünfhundert Mann und unter dem Schutz eines vollen Zirkels können nicht nur den Reservetruppen erhebliche Schäden zufügen, sondern auch innerhalb weniger Minuten ihren Standort durch ein Tor wechseln. Wie erfolgreich eine solche Taktik sein kann, haben die Jünglinge der Burg gegenüber dem Heer Lord Brynes eindrucksvoll bewiesen. Natürlich werden bis zum Tag des eigentlichen Angriffs diese Truppen durch umgekehrte Gewebe, welche unsichtbar machen, vollständig vor Blicken geschützt sein. Außerdem werden gesichtete Flugtiere keinesfalls angegriffen, sondern nur gemeldet, wir wollen schließlich nicht, dass zu früh bekannt wird, dass wir von dem bevorstehenden Angriff Wind bekommen haben. Und für den unwahrscheinlichen Fall, dass der Angriff ausbleibt, haben wir durch diese Maßnahme nichts verloren. Frische Luft hat schließlich noch nie jemandem geschadet. Stimmen zum Antrag?“

Damit hatte sie den Sitzenden vorerst den Wind aus den Segeln genommen und es kamen keinerlei Wortmeldungen. Wieder genügte ein kurzer Blick zu Tarna.

„Ich bitte um Abstimmung. Wer ist für den Antrag?“ Sie erwartete eigentlich, dass sich alle Sitzenden erheben würden, aber Pevara blieb an ihrem Platz und flüsterte kurz mit den beiden anderen Roten, welche nach kurzem Zögern zustimmend nickten.

„Gegenstimmen?“ Die Roten rührte sich nicht, während die übrigen wieder Platz nahmen.

„Enthaltungen?“ Erst jetzt erhoben sich die drei Roten und plötzlich verstand sie: Der Beschluss betraf alle Ajah außer eben der Roten. Es war nur angemessen, wenn sie sich enthielten.

„Antrag angenommen mit achtzehn Stimmen, bei drei Enthaltungen.“ stellte Tarna pflichtgemäß fest.

„Zur Umsetzung dieses Antrags treffe ich folgende Verfügungen: Die zu bestimmenden Schwestern verlassen noch heute mit den jeweils zehn von ihnen ausgewählten Novizinnen die Weiße Burg. Sie geben auf Nachfrage lediglich an, die Weiße Burg im Auftrag der Amyrlin für kurze Zeit zu verlassen. Alle Novizinnen tragen über dem Weiß Reitgewänder, die den Eindruck vermitteln, auch sie seien Aes Sedai. Sie behalten ihre Hände in den Taschen und ziehen sich ihre Kapuzen tief über ihr Gesicht, um ihr jugendliches Aussehen zu verschleiern. Alle Gruppen werden neben möglichst vielen Behütern nur von einem einzigen, ebenfalls als Behüter getarnten und von Lord Bryne bestimmten Befehlshaber begleitet. Die eigentlichen Truppen werden durch Tore zu den Schwestern transportiert, sobald diese ihre in Absprache mit Lord Bryne bestimmten Positionen erreichen.“ Sie nahm an, dass die erfahrenen Schienarer, welche Nynaeve und Elayne mitgebracht hatten, diese Truppen befehligen würden. Sie hoffte es zumindest, denn die Grenzländer waren in gewisser Weise pflegeleicht, was die Autorität von Aes Sedai betraf, und trotzdem erfahren im Feld. Es würde ihnen auch leichter fallen, sich zu koordinieren, als Befehlshabern aus unterschiedlichen Ländern. Sie sah das erwartete Unverständnis in zahlreichen Gesichtern und seufzte unhörbar. Nicht einmal Saerin zeigte ein Lächeln und Yukiri hatte die Stirn gerunzelt. Musste sie diesen Frauen denn wirklich alles erklären?

„Wie ich deutlich sehe, sind einigen von Euch meine Gründe für diese Verfügungen unklar. Behüterin der Chronik, kannst Du es ihnen erklären? Ich werde von all diesen zeitraubenden Erklärungen schon langsam heiser.“ Und durstig. Sie ließ den Durst kurz durchschimmern und konzentrierte sich anschließend auf Zögern, bevor sie in die übliche Gelassenheit zurückfiel. Es dauerte diesmal etwas länger, bevor sie vom Ersten Behüter Verstehen empfing. Sie spürte zufrieden, wie ihr Fünfter Behüter sich eilig entfernte.

Tarna wirkte nicht besonders selbstsicher, als sie zu sprechen begann. „Es ist offensichtlich, dass Ihr den Eindruck erwecken möchtet, viele Aes Sedai würden die Weiße Burg verlassen. Allerdings ist mir der Grund dafür nicht völlig klar, Mutter. Ihr glaubt doch nicht, dass die Seanchaner bereits Spione in der Stadt haben, oder etwa doch?“

„Selbst wenn sie tatsächlich noch keine Augen und Ohren hier haben, ist das nur eine Frage der Zeit. Es wird nicht lange dauern, bis die ersten Sucher, also Spione aus dem persönlichen Besitz ihrer Kaiserin, in der Stadt auftauchen. Wenn sie dann von den Einheimischen den Eindruck vermittelt bekommen, nur wenige Schwestern befänden sich in der Weißen Burg, verleitet sie die scheinbar gute Gelegenheit vielleicht zu einem übereilten Angriff, der dann etwas weniger gut durchdacht ausfällt. Die starke und auffällig beständige Präsenz von Schwestern innerhalb der Stadt und an den Brücken wird den Eindruck verstärken, dass sich innerhalb der eigentlichen Burg weniger Schwestern als üblich befinden. Außerdem sind die Seanchaner so gezwungen, ihre Damane weitläufig in der Stadt zu verteilen, statt konzentriert nur in der Burg zuzuschlagen, dadurch bleiben ihnen deutlich weniger als Reserven für die Belagerungstruppen übrig. Ich habe vor, möglichst viele Delegationen von Adeligen und Kaufleuten zu empfangen, damit sie mit eigenen Augen sehen können, dass sich nur wenige Schwestern hier befinden. Wenn ich kann, werde ich sämtliche Schwestern, Aufgenommenen und Novizinnen aus Tar Valon herausschicken, bevor der eigentliche Angriff beginnt. Viele von Euch haben bereits gespürt, wie das Ter'angreal im Herzen der Burg ein künstliches Stedding erzeugte. Ich habe vor, damit auch den Angriff der Seanchan zu vereiteln. Jede mir verbundene Machtlenkerin, die sich dann noch innerhalb der Stadt befindet, schwebt automatisch in Gefahr, Opfer eines schlichten Schwerthiebes zu werden. Ich habe Grund zu der Annahme, dass die Häfen sich außerhalb dieses künstlichen Steddings befinden, werde dies aber zeitnah genauer prüfen. Falls dies tatsächlich so ist, werde ich dort eine möglichst große Anzahl an Schwestern als vorgebliche Wache postieren, wenn möglich sogar unauffällig die meisten der übrigen Novizinnen dort unterbringen. Sobald die Häfen wieder frei sind, ist deren Versorgung sehr unauffällig und unkompliziert zu gewährleisten. Die Aktivierung des künstlichen Steddings hat aber noch viel weiterreichende strategische Bedeutung, Töchter. Die Angreifer werden ihre gewohnten Maßstäbe ansetzen, um zu bestimmen, wie viele gewöhnliche Truppen am Angriff teilnehmen werden. Wenn genügend Damane zur Verfügung stehen, werden sie nur so viele Männer schicken, wie unumgänglich scheint. Wir selbst jedoch können davon ausgehen, dass außer mir selbst keine Aes Sedai und auch keine Damane wesentlich am Kampfgeschehen teilnehmen werden. Rechnet man zum Beispiel, dass üblicherweise eine Damane zweihundert Mann aufwiegt, eine vorsichtige Schätzung, dann braucht man für die fünfzigtausend Verteidiger in der Stadt zweihundertfünfzig Damane. Von einem Moment zum anderen jedoch werden diese Damane nur noch etwa derselben Anzahl Verteidigern entsprechen, wenn überhaupt! Durch die Abwesenheit Saidars von jedem Truppennachschub durch Tore abgeschnitten, sind sie und die eingedrungenen seanchanischen Truppen eine verhältnismäßig leichte Beute für die zahlenmäßig deutlich überlegenen Verteidiger. Natürlich werden trotzdem Truppen an den Kämpfen teilnehmen, vor allem die Behüter sind ernstzunehmende Gegner. Nimmt man an, dass die Seanchan von etwa tausend Behütern in der Weißen Burg ausgehen, dann werden sie vermutlich mindestens die doppelte Anzahl direkt hier in die Burg schicken. Um dies auszugleichen, habe ich vor, sämtliche Jünglinge hier als Reserve unterzubringen. Sie werden außer Sicht bleiben und nur im Notfall eingreifen. Niemand darf natürlich erfahren, dass sich Truppen in der eigentlichen Burg befinden. Es gab noch nie Truppen innerhalb der Weißen Burg und ich will, dass die Seanchaner das an jeder Straßenecke zu hören bekommen.“ Sie machte eine kurze Pause. „Dass die Zirkel außerhalb der Stadt Saidar völlig ungehindert weiterhin lenken können, weil sie ihre Nutzung Saidars vor anderen Machtlenkerinnen tarnen können, brauche ich sicherlich nicht extra zu erwähnen. Mit etwas Glück nehmen wir bereits beim ersten Angriff genügend Machtlenkerinnen der Seanchaner gefangen, um doch noch Verhandlungen möglich zu machen, denn sicherlich möchten sie ihr Eigentum unversehrt zurück. Gibt es dazu noch Fragen, Töchter?“

Jetzt war sie ernsthaft durstig. Sie ließ das Gefühl erneut kurz anklingen, gemischt mit Eile und sofort betrat ihr Erster Behüter mit einem Tablett voller verschiedener Getränke auf den Armen den Saal. Schweigend beobachteten die Sitzenden, wie er es vor ihr auf den Tisch stellte und hinter ihr Position bezog. Sie wählte ein einfaches Glas kaltes Wasser und leerte es in einem Zug. Ja, das war viel besser. Sie stellte das Glas wieder ab und griff stattdessen nach einem Kelch mit gewürztem Wein, der noch dampfte. Mit geschlossenen Augen atmete sie wohlig dem heißen Dampf ein, bevor sie kurz nippte und den Kelch vorsichtig wieder abstellte. Alle Blicke waren jetzt wieder auf sie gerichtet, aber niemand machte Anstalten, sich zu erheben.

„Na schön, dann also zum Punkt Sonstiges. Lelaine, Du hast das Wort.“ sagte sie ruhig.

Sichtlich überrascht erhob sich die Sitzende der Blauen langsam. „Ich habe nicht ums Wort gebeten, Mutter.“ sagte sie mit beherrschter Stimme. „Darf ich fragen, warum Ihr mir das Wort erteilt habt?“

„Weil Du einen Punkt vorgebracht hast, der unter Sonstiges fiel und ich annahm, Du wolltest dazu jetzt Position beziehen, Tochter.“

Einen Moment lang schweifte deren Blick ab, dann räusperte sie sich leise hinter vorgehaltener Hand. „Mir scheint entfallen zu sein, was ich zum Punkt Sonstiges hatte anbringen wollen, Mutter.“ Dies war wahrhaftig die erste Gelegenheit, bei der sie Lelaine tatsächlich etwas verlegen erwischte. Sie stand aufrecht, aber ihre Miene sprach Bände für jemanden, der bei den Aiel gelebt hatte.

Egwene war versucht, sie eine Weile dort stehen zu lassen, bis sie von allein, darauf käme, aber dann seufzte sie hörbar ungeduldig und sagte fest „Elaida, Tochter.“

Lelaines Augen weiteten sich verblüfft. Sie hatte Elaida a'Roihan tatsächlich vergessen!

„Ich wüsste zumindest gerne, wo Elaida sich derzeit aufhält, Mutter.“ sagte Lelaine schließlich vorsichtig.

„Sehen wir mal nach.“ gab sie beiläufig zurück und rief das grüne Bild der Burg auf. Alle Sitzenden, die vorher den Rebellen angehört hatten, keuchten verblüfft auf und Lelaine bildete dabei keine Ausnahme. Saerin, Pevara und einige weitere jedoch zeigten ein überlegenes Lächeln, ganz als wären sie zu Beginn nicht genauso überrascht gewesen. Egwene konzentrierte sich auf Elaida, allerdings nicht sehr stark. Wie erhofft, glitt das Bild jetzt ganz langsam auf die grellrote Gestalt zu, bis sie schließlich deutlich erkennbar und etwa einen Fuß groß war. Weiter heran ging wohl nicht. Mit grimmiger Miene lief die Frau pausenlos in ihrem Gefängnis, das zuvor Leane beherbergt hatte, auf und ab und das Bild folgte ihr beständig. Ihre grün leuchtenden Wächter hatten gelangweilt vor der Tür gesessen und ihr keinerlei Beachtung geschenkt, war Egwene aufgefallen. Außerdem waren es beides Braune gewesen, das ging natürlich nicht! Es war erneut Zeit für einen Hinweis an die Anführerinnen der Ajahs.

„Ich bin der Ansicht“ erklärte sie ruhig „Dass Elaida von Angehörigen ihrer eigenen Ajah bewacht werden sollte, bis wegen ihr eine Entscheidung gefallen ist. Behüterin der Chronik?“

Tarna zögerte nicht. „Selbstverständlich, Mutter, Ihr habt völlig recht, es kommen nur Rote Schwestern in Frage. Außerdem sollte sie befragt werden. Die ersten Themen dabei sollten sicherlich Alviarin, die versuchte Entführung Rand al'Thors und der missglückte Angriff auf die Schwarze Burg sein, denkt Ihr nicht, Mutter?“

„Natürlich, Tochter. Ich verfüge hiermit, dass die Kriegsgefangene Elaida a'Roihan von Schwestern der Roten Ajah bewacht und ausgiebig befragt werden soll, bis der Saal eine Entscheidung über sie gefällt hat.“ Plötzlich spürte sie Missbilligung vom Ersten Behüter, offenbar hielt er diese Entscheidung nicht für klug. Später würde sie ihn fragen, warum, doch jetzt musste es erstmal weitergehen.

Egwene blickte Lelaine fragend an, bis diese sich wieder setzte. „Na schön“ erklärte sie nach einem weiteren Moment der Stille mit einem Blick in die Runde „bevor die Sitzung endet, nur noch eine letzte Anmerkung: Ich erwarte, dass zukünftig alle Ajah ihre Berichte über die Patrouillen und die Brückenwachen pünktlich und in angemessener Form meiner Behüterin der Chronik zur Verfügung stellen. Weiterhin ist es sicherlich sinnvoll, wenn Ihr als Sitzende mit gutem Beispiel vorangeht, was das beständige Verknüpfen angeht.“ Nach und nach bildeten je drei Sitzende einer Ajah Zirkel, während sie weitersprach. „Sollten sich noch Fragen oder Anregungen ergeben, bitte zögert nicht, Euch damit vertrauensvoll an mich oder meine Behüterin der Chronik zu wenden. Ich möchte alle Sitzenden auch nochmal daran erinnern, dass das Protokoll dieser Sitzung, abgesehen von den Beschlüssen und Verfügungen, der Flamme versiegelt ist. Saerin, bitte sei jetzt so gut und kümmere Dich um Mesaana.“

„Natürlich, Mutter.“ kam es sofort gelassen zurück. Die Braue erhob sich, wob Saidar, um die Verlorene zu befreien, und befahl: „Mesaana, komm mit.“ Dann verließ sie von ihr gefolgt den Burgsaal, nachdem die Verlorene ein verzerrtes „Ja, Saerin Sedai“ herausgepresst hatte. Die beiden anderen Braunen erhoben sich gleichfalls und folgten ihnen rasch. Der unbewusste Griff Saerins an ihren Gürteldolch zeugte von nicht geringer Wut auf die Verlorene, aber sie vertraute der Braunen genug, um zu bezweifeln, dass sie davon tatsächlich Gebrauch machen würde. Gegenüber Mesaana jedoch mochte das Temperament einer Altaranerin durchaus nützlich sein, nahm sie an.

Unterdessen fuhr Egwene einfach fort. „Myrelle, bitte teile den Grünen Schwestern die neue Beschlusslage mit, vor allem bezüglich der Schwarzen Burg.“ Auch sie verließ den Saal mit den anderen Grünen auf der Stelle. Zweifellos warteten die grünen Schwestern alle begierig darauf, ihr Quartier wieder verlassen zu können. Dies war mehr als ungewöhnlich, normalerweise konnte die Amyrlin die Sitzung nicht beenden, bevor der Saal sich darüber einig war, aber es war eine Tatsache, dass sie es heute eben doch konnte. Verwunderte Blicke musterten sie, aber sie wandte sich gelassen an Pevara. „Bitte sei so gut und teile den Roten Schwestern schnellstmöglich die Beschlüsse zur Burgverteidigung mit, Tochter, und kümmere Dich auch gleich um die Einteilung der Wache.“

Mit einem knappen „Sofort, Mutter.“ machte auch Pevara sich auf den Weg – ebenfalls rasch gefolgt von ihren Schwestern von den Roten. Der herablassende Blick Tsutamas entging ihr nicht, aber sie ignorierte ihn. Ihr üppiger Schmuck klimperte hörbar, als sie ihren Blick abrupt von Egwene abwandte.

Noch war der Saal beschlussfähig, mindestens zwei mussten den Saal noch verlassen. Sie konnte natürlich auch die restlichen auffordern, die Beschlüsse den Ajah mitzuteilen, aber es gab einen geschickteren Weg. „Erster Behüter, bitte hole die anderen jetzt herein. Die Delegation für das Meervolk soll so schnell wie möglich aufbrechen.“ Die benötigte Frustration zu fühlen, war nicht einfach, weil sie sich keineswegs wirklich so fühlte, aber es klappte.

„Alle sind zum sofortigen Aufbruch bereit, Stärkste Mutter, es fehlen nur noch die Aes Sedai. Haltet Ihr Eskorten von fünfzig Mann für ausreichend, Stärkste Mutter, oder sollen es mehr sein?“

„Fünfzig werden reichen. Bitte sei so gut und bringe auch Mattin Stephaneos und Gareth Bryne zu mir, Erster Behüter.“

„Sofort, Stärkste Mutter.“ Er verließ mit federnden Schritten den Saal und Yukiri erhob sich.

„Ich werde auf der Stelle dafür sorgen, dass die Graue Ajah eine Schwester für die Delegation bereitstellt, Mutter.“ Ein kurzes Nicken, und sie führte ihre Grauen zur Tür. Mit abschätzenden Blicken warteten sie, bis ihre fünf Behüter mit ihren Adjutantinnen, Mattin, Gareth und Tarnas Behütern den Saal betreten hatten, bevor sie ihn verließen. Eine erstaunliche Frau, sie würde Yukiri im Auge behalten müssen, was immer sie ihr auch schuldete. Erst jetzt erhoben sich auch die Sitzenden der Weißen, Gelben und Blauen und verließen wortlos und mit sehr unterschiedlich ausgeprägten Respektsbekundungen in ihre Richtung den Saal.

Vier Jahre hatte es gedauert, bis Siuan erfahren hatte, wie man während ihrer Amtszeit die Anführerinnen der Ajahs versammelte. Sie hatte vermutet, allein die Anführerinnen hätten über drei Jahre gebraucht, um sich zu einigen, denn erst dann hatte man Leane eingeweiht. Es hatte ein weiteres Jahr gedauert, bis sie sich eher zufällig nach den Anführerinnen der Ajahs erkundigt hatte, so dass Leane sie schließlich einweihen durfte und musste. Angesichts der gefassten Beschlüsse – und der Tatsache, dass trotz allem keiner ihrer Anträge abgelehnt worden war – glaubte sie, dass sie es wesentlich schneller schaffte. Deutlicher hätte sie nicht in die Belange der Ajah eingreifen können. Noch zwei oder drei Beschlüsse, bei denen Tarna die Roten vorschlug, und die Anführerin der Roten, vermutlich Tsutama, würde betteln, dass sie es ihr sagen durfte. Gegenüber Siuan zu ihrer Zeit – und sicherlich den meisten Amyrlins vor ihr – hatte sie einen ganz entscheidenden Vorteil: Sie wusste, dass es eine solche Möglichkeit tatsächlich gab und sogar, dass sie sich an Ihre Behüterin der Chronik wenden würden, statt an sie selbst. Es hatte viele Amyrlin gegeben, die niemals auch nur so viel erfahren hatten, und Elaida gehörte sicherlich dazu.

Siuan hatte ihr schließlich verraten, wo die Treffen stattgefunden hatten, auch wenn es dazu erheblichen Druck gebraucht hatte und danach nichts weiter darüber von ihr zu erfahren gewesen war. Das Protokoll dieser Sitzung war der Flamme versiegelt und daher nutzlos, aber sie würde dafür sorgen, dass eine Schenke namens „Haupt der Jägerin“ in jedem einzelnen der folgenden vorkam. Unwahrscheinlich, dass in den Ajah nur jeweils eine Frau die näheren Umstände kannte. Auch einen Hinweis auf vier Jahre Wartezeit würde sie ab jetzt in jedem einzelnen Protokoll unterbringen.

Sie war froh, dass Tarna offenbar verstanden hatte, was sie erreichen wollte, allerdings war es kaum besonders schwierig zu entschlüsseln gewesen: „Keine Graue kann mir die Frage über Anführer beantworten, die ich Dir stellte, sondern nur Du allein. Ich bitte Dich, mir diese kleine Nachricht zurückzugeben, sobald Du die Antwort kennst, dann werde ich Dich erneut fragen können, was ich so dringend wissen muss. Bis es soweit ist, auch darum bitte ich Dich, möge die rechte Farbe für jeden Auftrag die Deine sein, wenn ich Dich direkt frage.“ Sie hoffte jedoch, dass niemand sonst in der Lage wäre, den Sinn hinter dieser Botschaft zu erkennen. Auch glaubte sie nicht, dass Tarna die von Pevara überbrachte Mitteilung aus der Hand geben würde.

Sie fand es bedauerlich, dass sie und Tarna die Rote Ajah gegen sich aufbringen mussten, aber es war der vermutlich schnellste Weg, endlich den Vorsitz über alle Ajah zu übernehmen, wie es ihr zustand. Da auch Pevara wusste, dass sie die Identität der Anführerinnen der Ajah erfahren wollte, würde sie sicherlich weiterhin ihre Anträge unterstützen und so die Verantwortung dafür auf mehrere Schultern verteilen. Solange sie Yukiri ebenfalls bei der Stange hielt, verfügte sie tatsächlich über eine Mehrheit im Burgsaal, da Saerin und Myrelle sie gleichfalls unterstützten! Sie konnte es zwar noch kaum fassen, aber es war so und das Staunen darüber ließ ungewollt ein leichtes Lächeln auf ihren Lippen erscheinen.

Dann blinzelte sie, als sie kurz Ungeduld von Salak empfing und nahm ihre Umgebung wieder bewusst wahr. Schweigend und neugierig wurde sie von allen Anwesenden gemustert. Anscheinend hatte es niemand außer ihm gewagt, ihre Gedanken zu unterbrechen.

„Dann wollen wir mal.“ sagte sie ruhig und zog Mesaanas Angreal aus seiner Schlaufe an ihrer Hüfte. „Sharina, Du entfernst die Kette vom Nordhafen, bringe sie einfach in eine Längsposition in der Mitte des Hafens.“ Sie drückte ihr den Angreal in die Hand und wob ein Tor, das oberhalb der Kette aus Cuendillar endete, damit niemand zu Schaden kommen konnte. Dann wob sie eine Brücke aus Luft hindurch, die zur Uferbefestigung führte, und band beides ab. Sharina zögerte nicht, sondern machte sich nach einem knappen, anerkennenden Nicken auf den Weg. Es würde wohl noch eine Weile dauern, bis sie auch ihr als wahre Amyrlin erschiene, überlegte Egwene. Es war ein durchaus fröhlicher Gedanke, nachdem es ihr anscheinend bei mehreren der Sitzenden entgegen aller Wahrscheinlichkeit tatsächlich gelungen war.

„Ich selbst kümmere mich um den Südhafen, die anderen warten hier.“ Auf die gleiche Art wie Sharina gelangte sie sicher zum Südhafen und keine drei Minuten später waren beide Häfen wieder frei und sie löste die Gewebe wieder auf. Sie hatte die gute Gelegenheit genutzt und festgestellt, dass die Häfen tatsächlich außerhalb des künstlichen Steddings lagen, schließlich hatte sie die Sitzenden darüber informiert und diese konnten alle Schwestern beruhigen, die deswegen vielleicht in Panik gerieten. Überraschend, ja geradezu verblüffend war allerdings, dass die von ihr abgebundenen Gewebe nicht verschwunden waren! Durch die Rüstung musste irgendein Unterschied zu allen übrigen Geweben bestehen, schloss sie. Das eröffnete für die Burgverteidigung völlig neue Möglichkeiten, erkannte sie gleich darauf.

Rasch erteilte sie Nicola und einem von Tarnas Behütern die nötigen Anweisungen, um die Delegation für das Meervolk möglichst effektiv und hoffentlich erfolgreich zu führen. Auch Tarna und Siuan geizten nicht mit nützlichen Vorschlägen. Nicola bekam erneut den Angreal, diesmal allerdings nur für Notfälle. Dann stellte sie ihrer Adjutantin eine Vollmacht zur Durchführung der Verhandlungen aus, damit sie mit der entsprechenden Autorität vorgehen konnte, bevor sie Sharina auf eine andere Mission schickte.

Und sobald sie gepackt hatten, würden sich beide der Prüfung zur Aufgenommenen stellen müssen. Sie fragte sich, wie es sich wohl anfühlen würde, diesmal eine gänzlich andere Rolle dabei zu übernehmen.


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