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Ein Held in der Nacht


Zwei Tage lang folgte er der kleinen Gruppe nach Norden und erlegte seine Beute immer in ausreichender Entfernung zu ihrem Lager, damit es keine Spuren gäbe, die auf seine Anwesenheit schließen ließen. Ein paar Mal kam er in Versuchung, die zum Jagen ausgeschickten Soldaten zu töten, aber die Gefahr, dass seine Anwesenheit bemerkt wurde, war zu groß. Nichts durfte seinen Gegner warnen, damit er aus dem Hinterhalt zuschlagen konnte.

Dann wurde ein Lager aufgeschlagen, während sein Feind sich von der Gruppe entfernte, nur ein kleiner Junge begleitete ihn. Er folgte so dichtauf, wie er es wagte und kam schließlich zu einem hohen goldenen Turm, der seltsam vertraut wirkte. Er konnte genug vom Gesagten mithören, um zu schließen, dass sein Feind den Turm betreten wollte. Jetzt war seine Chance endlich gekommen! Die anderen wären dann eine leichte Beute und er konnte sich in der Nähe des Turmes verbergen, um auf die Rückkehr Matrim Cauthons zu warten. Er frohlockte, als sein Feind mitten in der Nacht das Lager nur von zwei alten Männern und einem Ersatzpferd begleitet verließ, das wären leichte Gegner, rasch auszuschalten. Als er in der Dunkelheit den dreien folgte, war er nahe daran, zum Angriff überzugehen, aber der gefährliche Mann mit dem Hut tastete mehrmals unbewusst nach seiner Brust, als könne er seine Anwesenheit irgendwie ahnen und hielte das Amulett unter seinem Hemd griffbereit. Zu gefährlich, beschloss er daraufhin, zuerst würde er sich an den im Lager Zurückgelassenen sättigen, damit er mit voller Stärke bereit war, sobald die drei den Turm wieder verließen.

Während er die drei verfolgte, entnahm er ihrer Witterung, dass sie alle sehr ängstlich waren. Besonders der gefährliche roch stark genug nach Angst, das man es fast Panik nennen konnte, er nahm das als gutes Zeichen, allerdings waren die drei deshalb auch zu aufmerksam, um einen Angriff riskieren zu können, es war eindeutig besser, zu warten. Am Turm angekommen, verfolgte er neugierig, wie sein Feind nach wenigen Worten etwas in die goldene Oberfläche des Turmes zu ritzen schien, es war allerdings selbst für ihn zu dunkel, um weitere Einzelheiten zu erkennen. Dann erschien eine leuchtende Linie, die sich in einem Bogen über die Oberfläche des Turmes zog, neugierig verfolgte er ihren Lauf bis zum Boden. Überraschend geblendet von beißender Helligkeit musste er sich dann vom Turm abwenden, und kurz darauf waren die drei Männer verschwunden, als auch das Leuchten verblasste. Grinsend machte er sich auf den Rückweg zum Lager, heute Nacht würde er seinen Hunger endlich stillen können.

Wie in den Nächten zuvor hielten vier Mann Wache und alle vier schienen bedauerlich wach und aufmerksam. Natürlich konnte er einfach angreifen, aber es bestand die Gefahr, dass einer entkam, wenn seine Beute zu früh erwachte, und er hatte Befehl, sich niemandem zu zeigen, den er nicht auch holte. Er wollte sie alle erwischen, also musste er die Wachen möglichst lautlos ausschalten, damit er die übrigen im Schlaf erwischte. Die Wachfeuer waren nicht besonders hell, störten seine Sicht aber erheblich, da die Männer sich meist in deren Nähe hielten. Allerdings war dieser Lagerplatz der bisher ungeschützteste, ein Dickicht in unmittelbarer Nähe bot einen praktisch unbemerkten Zugang von der Hügelseite her. Die Wachen hielten ihre Augen stets vom Feuer abgewandt, um sich nicht die Nachtsicht zu verderben, waren leider verblüffend gut ausgebildet, aber schließlich blickte der, an den er sich bis auf wenige Schritte hatte anschleichen können, doch in die Flammen und er schlug aus einem weiten Sprung heraus zu. Mit zerfetzter Kehle konnte niemand schreien, aber er hatte jetzt keine Zeit für Vergnügen, daher tötete er den Mann auf der Stelle und ließ ihn geräuschlos zu Boden gleiten.

Von innerhalb des Lagers erwartete niemand einen Angriff, daher konnte er eine weitere Wache lautlos ausschalten, indem er sich von hinten heranschlich. Als er sich jedoch die dritte Wache vornehmen wollte, erklang hinter ihm ein Schrei. Statt herumzufahren, erledigte er mit einem flinken Streich über die Kehle noch die dritte Wache, bevor er sich zu seinem Entdecker umwandte. Zu seiner Verblüffung war es der kleine Junge, der seinen Feind am Abend begleitet hatte.

„Wir werden angegriffen!“ brüllte das verdammte Kind aus vollem Hals, ließ weitere wütende Schreie hören, die durch die Nacht fegten, und in das gesamte Lager kam sofort Bewegung. Von allen Seiten stürmten aus dem Schlaf geschreckte Soldaten auf ihn zu, aber er warf sich in die Menge und hatte zwei getötet, bevor die übrigen begriffen, mit wem sie es zu tun hatten. Ein Mann, der ihn zu seiner Belustigung mit einem Stock angriff, dessen Schläge er kaum spürte, rief: „Es ist der Gholam!“

Sofort spürte er, wie er von der Einen Macht berührt wurde und schlug sich schnell eine Lücke zu den Aes Sedai frei, während er sich beiläufig ein von einem fetten Soldaten geworfenes Messer aus der Brust zog. Er konnte den köstlichen Schrecken der Frauen fühlen, als er auf sie zustürmte. Die Männer versuchten, ihn von ihnen fernzuhalten und niemand ergriff die Flucht, offenbar glaubten diese Narren tatsächlich, ihn aufhalten zu können. Weitere Männer fielen von seinen Händen, als er sich bemühte, endlich Hand an seine wohlverdiente Beute zu legen, die jetzt begann, vor ihm zurückzuweichen. So nah, er war so nah. Sein Hunger wurde überwältigend, er war fast heran.

„Du kannst sie nicht haben!“ erklang die schrille Stimme des verfluchten Jungen. Aus dem Augenwinkel sah er, wie der Junge wie zum Angriff auf ihn zustürmte, achtete aber nicht darauf, der Junge war keine Bedrohung und das süße Blut so nah. Gerade, als er das Haar einer der Aes Sedai ergreifen konnte und sie zu sich heranzog, sprang der Junge auf seinen Rücken und schlang ihm etwas um den Hals. Zuerst schenkte er dem Gewicht auf seinem Rücken keine Beachtung, aber dann schrie er vor Schmerzen auf, als sein Hals plötzlich in Flammen zu stehen schien.

Das verdammte Amulett, der Junge hatte es um seinen Hals geschlungen! Er versuchte, danach zu greifen, zog aber seine verbrannten Finger schnell wieder zurück. Das Ende eines von einer Frau geschwungenen Speers zwischen seinen Beinen ließ ihn nach vorne stürzen, doch der verdammte Junge klammerte sich weiterhin an seinem Rücken fest, während er den Riemen um seinen Hals stramm zog. Er versuchte, nach dem Riemen zu greifen, aber er schnitt zu tief in sein Fleisch, um ihn zu ergreifen.

Kreischend vor Wut und Schmerz wälzte er sich am Boden, um den Jungen abzuschütteln oder zumindest dessen Griff zu lockern, während erbarmungslose Hiebe seine Gliedmaßen von allen Seiten trafen, so dass er nicht mehr hoch kam. Doch noch immer ließ der wütend schreiende Junge nicht los und jetzt war sein Hals so verbrannt, dass er keine Luft mehr bekam!

„Das ist dafür, dass Du Tylin ermordet hast, Du Ungeheuer!“ drang die nahe Stimme des Jungen an seine Ohren. Fliehen, er musste fliehen!

Seine Sicht trübte sich und Krämpfe durchzuckten seinen Körper, der jetzt von kräftigen Händen am Boden gehalten wurde, als das Leben quälend langsam aus ihm wich, während seine Versuche, sich zu wehren, immer unbeholfener wurden und schließlich erstarben.
-
Sie schloss die Augen und versuchte, sich zu besinnen. Die Zeit, die sie bei den Eelfinn verbracht hatte, erschien ihr jetzt kürzer, als der Fall sein konnte, und sie war froh, dass es so war. Ihre Verwirrung angesichts der genommenen Erinnerungen würde bald vergehen, wie sie wusste. Auch wenn sie sich an praktisch nichts erinnern konnte, was sie von den Eelfinn erlitten hatte, zweifelte sie nicht daran, dass sie nicht geschont worden war. Es war ein verzweifelter Handel gewesen: Die kurze Rückkehr für das, was sie tun musste, um den Wiedergeborenen Drachen zu schützen, die gleichwertige Chance im Kampf gegen die Verlorene und am Leben zu bleiben, bis sie gerettet wurde. Der gezahlte Preis war jetzt vergessen, aber sie zweifelte nicht daran, dass er hoch gewesen war.

Energisch rief sie sich zur Ordnung, es gab viel zu tun und keinerlei Spielraum für Fehler. Sie öffnete die Augen wieder und nahm die Hände von Mats Kopf. Es war lange her, dass sie Saidar gelenkt hatte. Nicht nur er hatte die Vereinbarung gebrochen – wofür er kaum verantwortlich gemacht werden konnte, schließlich verstand er offenbar nicht, was überhaupt vorging – sondern auch sie. Zwar hatte sie wegen des Ersten Eides nur eine schwache Flamme unter Schmerzen fertiggebracht, aber es hatte gereicht, um sie gerade lange genug zu schützen, bis Mat den Preis bezahlte. Sie gestand sich nur ungern ein, dass sie in Panik geraten war, aber es war so. Jetzt befanden sie sich im Licht eines neuen Morgens auf einer völlig kahlen Lichtung, der Turm von Ghenjei war Mats Vereinbarung gemäß nicht mehr Teil dieser Welt. Ob das etwas Gutes oder Schlechtes war, blieb abzuwarten. Vielleicht fanden die Aelfinn und Eelfinn einen Weg, den Frieden wiederherzustellen und die Vereinbarung zu erneuern, überlegte sie, als eine ruhige Stimme ihre Gedanken unterbrach.

„Ich bezweifle, dass ich je einen solchen Narren getroffen habe, wie diesen hier.“ Moiraine blickte zu dem dürren Mann, der noch älter als Thom wirkte und Mat nachdenklich betrachtete. Die verkrüppelten Hände, die ihr zuvor an ihm aufgefallen waren, waren jetzt wieder völlig gesund, wer er auch war, zumindest einen Teil ihrer Schuld bei ihm hatte sie bereits beglichen. Mat, ein Narr? Dem konnte sie nicht mehr zustimmen, nach dem, was der Junge heute gezeigt hatte. Offenbar hatte er endlich gelernt, sein Schicksal zu akzeptieren, etwas das sie vergeblich versucht hatte, ihm beizubringen. Mat war weit gekommen, während sie fort war.

„Aber mutig ist er, keine Frage.“ fügte der Mann hinzu und Thom nickte beiläufig. Es klang deutlich respektvoll.

„Wie geht es Euch, Moiraine?“ fragte Thom sie in fröhlich klingendem Tonfall. „Ich selbst muss zugeben, dass ich überrascht bin, heil wieder entkommen zu sein.“

„Mehr als heil, Thom, wie geht es Eurem Bein?“ gab sie zurück und er hob eine Braue.

„Meinem Bein geht es dank Euch wieder ausgezeichnet.“ gab er zurück und machte ansatzlos einen Überschlag, bevor er eine galante Verbeugung folgen ließ. „Allerdings scheint die allzu schmerzhafte Art der Heilung Mat nicht sehr gefallen zu haben. Eine Schande, das mit seinem Auge, aber es war der einzige Ausweg. Ich muss gestehen, dass er mich überrascht hat, als er es einfach getan hat, sobald er verstand, was sie von ihm wollten.“

„Es war sein Schicksal, Thom“ erklärte sie „und das hat er akzeptiert. Er ist alles andere als ein Narr, zumindest soweit ich es beurteilen kann.“ fügte sie an ihren anderen Retter gewandt hinzu.

„Wenn ihr es sagt, Moiraine Sedai.“ kam es mit einem Lächeln zurück. „Bitte erlaubt mir, mich vorzustellen, Verehrteste, ich bin...“ Er zögerte und runzelte die Stirn, die Arme in der Andeutung einer galanten Verbeugung bereits ausgebreitet.

„Noal.“ warf Thom rasch ein. „Euer Name ist Noal Charin, mein Freund.“

„Unsinn, das ist mein Cousin.“ kam es unwirsch zurück und sie blinzelte, als sie erkannte, was unmöglich sein sein konnte. Sie bemerkte, dass auch Thom erkannte, was das bedeuten musste, er musterte seinen Begleiter mit deutlich sichtbarer Überraschung. Allerdings war Mat natürlich ein Ta’vaeren, also warum sollte es nicht so sein? Sie hatte schon zuvor vermutet, dass er und Perrin stärkere Ta'vaeren sein konnten, als es Arthur Falkenflügel gewesen war. Wenn Mat es geschafft hatte, Jain Charin, den alle Welt nur Jain Fernschweifer nannte, als Gefolgsmann zu gewinnen, dann war das vermutlich tatsächlich der Fall, erkannte sie nun.

„Meister Charin“ wandte sie sich lächelnd an den Mann, der sich stirnrunzelnd an den Kopf fasste „bitte macht Euch meinetwegen keine Umstände, ein Besuch bei den Aelfinn und Eelfinn hat manchmal unerwartete Auswirkungen. Wie Euer Name auch lauten mag, bin ich für mein Teil Euch zu großem Dank verpflichtet. Das war eine mutige Tat und ich werde tun, was ich kann, um sie zu vergelten. Für Euch“ sie wandte sich an Thom „gilt natürlich dasselbe, Meister Merrilin.“

Beide nickten ihr zu, aber bevor sie etwas zurückgeben konnten, fuhr sie fort: „Ich habe viel verpasst, von dem was in der Welt geschah. Ich wünschte, wir hätten Zeit für eine gepflegte Unterhaltung, aber ich muss auf der Stelle alles erfahren was ihr mir sagen könnt.“

Thom lachte und meinte „Ganz die alte, wie ich sehe.“

Sie hob erwartungsvoll eine Braue und er wurde wieder ernster. Nachdem er sich an ihre Seite gesetzt hatte, hielt er ihr einen Wasserschlauch hin, den sie dankbar annahm, und begann zu berichten. Hin und wieder fügte Noal ein Detail hinzu, das er – absichtlich oder auch nicht – ausgelassen hatte, aber Thom zeigte sich ansonsten wie erwartet gut informiert, nur Perrin schien er völlig aus den Augen verloren zu haben. Einige Male musste sie sich zurückhalten, um nicht verblüfft die Augen aufzureißen und ihn mit einer Frage zu unterbrechen. Sie hätte zum Beispiel gerne gewusst, wo all die Leute waren, die sie sicherlich auf dem Weg hierher begleitet hatten. Auf der anderen Seite war es vermutlich ein Segen, dass niemand sonst hier war. Gleich zu Beginn des ausführlichen Berichts, der teilweise fast in Form eines Gedichts vorgetragen wurde, schützte sie die kahle, kreisrunde Fläche, auf der sie saßen, mit einem Schild, es war unumgänglich, vorsichtig zu sein.

Es war etwa um die Mittagszeit, als ein kleiner Ausläufer des Sonnenlichts auf Mats Lider fiel und ihn weckte. Wenig überraschend war seine erste Bewegung ein rascher Griff an sein nicht mehr vorhandenes linkes Auge. Er stöhnte.

„Ich danke Euch, Matrim Cauthon.“ war das erste, was sie sagte, Thom hatte seinen Bericht sofort unterbrochen.

Er nahm die Hand wieder fort und musterte sie mit seinem verbliebenen Auge, bevor er den Blick auf ihre Umgebung richtete. „Ist schon gut, aber jetzt sind wir quitt, Moiraine. Wo ist der verdammte Turm abgeblieben?“ Anscheinend hatte er sich doch weniger verändert, als sie gedacht hatte. Sein Misstrauen ihr gegenüber schien jedenfalls ungebrochen.

„Als Teil Deines Handels haben sie ihn wieder mitgenommen.“ Er hob die Brauen, anscheinend war seine Erinnerung an das Geschehene etwas unklar. Sie bezweifelte, dass er sich an den genauen Wortlaut seines Handels erinnerte.

„Dann bin ich wohl auch mit den verdammten Schlangen und Füchsen endlich quitt.“ gab er mürrisch zurück und stand auf. „He! Danke, Moiraine, meine Hüfte fühlt sich an wie neu!“ Jetzt zeigte er einen kleinen Anflug seines üblichen Lächelns, offenbar glaubte er, sie hätte geheilt, was auch immer seine Hüfte geplagt hatte, auch wenn er abgesehen von seinem Auge völlig gesund gewesen war, als sie die Heilung durchgeführt hatte. Für einen Moment fragte sie sich, ob sie ihn daran erinnern sollte, dass es die Eelfinn gewesen waren, die ihn geheilt hatten, verwarf die Idee aber schnell wieder. Immerhin war es genau genommen ja auch ihr Handel gewesen, der ihn geheilt hatte – vermutlich von den Nachwirkungen dieses Angriffs der Seanchan, den Thom erwähnt hatte.

„Keine Ursache.“ gab sie freundlich zurück.

„Die anderen werden sich schon fragen, wo wir bleiben.“ erklärte Mat dann sachlich. „Außerdem habe ich einen Bärenhunger. Lasst uns die Pferde holen und ins Lager zurückkehren.“

„Mat.“ sagte sie ruhig, als er sich bereits abwandte. Weil ihr klar war, dass ihm nicht gefallen würde, was jetzt kam, zögerte sie. Immerhin stand sie jetzt tief in seiner Schuld, auch wenn er gesagt hatte, dass sie quitt wären. Es stand außer Frage, dass er sein Auge durch ihr Eingreifen verloren hatte.

„Ihr kommt nicht mit.“ stellte er ruhig fest und sie nickte. Er war wirklich gewachsen, wenn er ihre Absichten so leicht durchschaute.

„Wisst Ihr schon, wohin ihr als nächstes wollt, Mat?“ fragte sie dann.

„Cairhien. Dann vielleicht Tar Valon. Elayne kann bestimmt etwas Unterstützung der Bande gebrauchen und Egwene mit Sicherheit auch.“ Also hatte Rand Cairhien für Elayne vorgesehen, keine große Überraschung, und Egwene war in der Weißen Burg in Sicherheit. Doch angesichts der Notwendigkeit, Rand zu finden, verblasste jeder Impuls, sich selbst nach Tar Valon zu begeben, sofort. Wenn sie etwas in diesem Konflikt ausrichten konnte, dann an der Seite des Wiedergeborenen Drachen.

„Davon bin ich überzeugt, Mat. Und ich würde Euch wirklich gerne begleiten, aber es geht nicht.“

„Und wohin wollt Ihr gehen, Moiraine?“ Es klang nicht, als wäre er neugierig, eher als erkundige sich aus reiner Höflichkeit nach ihrem Weg.

„Ich muss so schnell wie möglich Rand finden.“ gab sie zurück und er blinzelte.

„Rand ist in Illian.“ sagte er dann kurz angebunden und wandte sich zum Gehen. Woher beim Licht wollte er das wissen? Allerdings hatte er völlig sicher geklungen, vielleicht...

„Weißt Du auch, wo Perrin gerade ist?“

Seufzend senkte er kurz den Kopf und murmelte nach wenigen Augenblicken „Irgendwo in Ghealdan. Er zieht an Garens Mauer entlang nach Norden.“

„Allein?“ fragte sie ruhig. Das war unglaublich, er konnte das unmöglich wissen! Mühsam hielt sie ihren Ausdruck äußerlich gelassen, während sie versuchte, die Implikationen dessen, was sie gerade erfahren hatte, abzusehen. Sie erkannte an den verblüfften Gesichtern der beiden alten Männer, dass auch sie überrascht waren, offenbar hatte er dieses Wissen lange verborgen. Mat musste ihr trotz allem mehr Vertrauen entgegenbringen, als sie erwartet hätte, das gab – auch in Hinblick auf Rand – einigen Anlass zur Hoffnung. Nach den Blicken, die die beiden älteren Männer ihr dann zuwarfen, war es bei ihnen vielleicht auch eher so, dass es sie überraschte, dass Mat ihr dies berichtete. Der Junge hatte sein Misstrauen gegenüber den Aes Sedai mit Sicherheit nicht abgelegt und diese beiden kannten ihn gut genug, um das zu wissen..

„Natürlich nicht.“ erklärte Mat mürrisch, sein Blick schien abwesend, als nähme er seine unmittelbare Umgebung nicht mehr wahr. „Faile ist bei ihm, genau wie Berelain.“

„Nur die beiden?“ vergewisserte sie sich, stand auf und trat näher an ihn heran.

Er lachte trocken. Für einen Moment wurde sein Blick fest, dann wieder abwesend. Sie wedelte kurz mit ihrer Hand vor seinen Augen, während er weitersprach, aber er blinzelte nicht einmal, offenbar konnte er ihre Hand wirklich nicht mehr sehen. „Das sind nur die einzigen, die ich auf den ersten Blick erkannte. Er hat Tausende dabei, Leute von den zwei Flüssen – Hu Marvin und Paet Congar aus Emondsfeld zum Beispiel – Aes Sedai, Aiel, Mayener, Ghealdaner und sogar... He, das ist neu, da ist auch ein Weißmantel bei ihm, ich dachte, die könnten ihn nicht leiden!“ Er klang aufrichtig überrascht, aber ihr selbst ging es nicht besser, wie konnte er das alles wissen? Thom und Noal wirkten nicht weniger verwundert, offenbar hatten sie zumindest keine allzu genaue Vorstellung davon gehabt, was Mat alles wusste. Sie überlegte angestrengt, wie sie ihn dazu bringen könnte, ihr zu verraten, wie er das anstellte, als er mit verwunderter Stimme murmelte: „Galad? Seit wann ist DER denn ein Weißmantel, ich dachte, der ist in der Weißen Burg.“ Mat musste ihn in seiner Zeit in der Weißen Burg getroffen haben, allerdings fragte auch sie sich, wie er jetzt ausgerechnet als Weißmantel an Perrins Seite kam. Sie begann sich zu fragen, ob er sie nicht vielleicht auf den Arm nahm.

„Eamon Valda hat ihn angeworben.“ erklärte Thom gelassen. Er hatte Galad in seinem Bericht mit keinem Wort erwähnt, sofort fragte sich Moiraine, was er noch alles ausgelassen hatte. Was ihre Aufmerksamkeit aber am stärksten auf sich gezogen hatte, war etwas anderes.

„Aes Sedai? Erkennt Ihr sie, Mat?“ kam sie nicht umhin zu fragen.

„Noch nie gesehen.“ gab er resigniert zurück und setzte sich vor ihr auf den Boden. „Da Eure Fragen vermutlich noch eine Weile andauern, könntet Ihr mir zumindest mal den Wasserschlauch reichen, Moiraine. Bevor Ihr fragt, nein, auch die beiden Ashaman, die Perrin begleiten, habe ich noch nie gesehen.“ Er streckte die Hand aus. Mechanisch reichte sie ihm den Schlauch und setzte sich ihm gegenüber, der Gaukler hatte es nicht versäumt, ein paar ausgiebige Kommentare zum Thema Ashaman und Schwarze Burg fallen zu lassen, um ein wenig zu sticheln. Auch bei Mat klang die Erwähnung der Männer, die offenbar wie Rand Saidin lenkten, wie eine Herausforderung ihrer Selbstsicherheit. Und auch wenn sie es nicht zeigte, war sie erschüttert, die Schwarze Burg war eine Verwicklung, die völlig unabsehbare Folgen haben konnte. Durch Thoms Einwurf war außerdem klar, dass Mat das alles wirklich wusste und nicht bloß Geschichten erfand, wie sie schon fast zu glauben begonnen hatte. Es war interessant, dass der alte Gaukler auch vor Mat vieles zurückhielt, vielleicht hatte er es jemandem versprochen. Sie würde sich daran erinnern müssen, dass jeder ihr jetzt wieder mit Misstrauen begegnete, ganz anders, als es bei den Eelfinn gewesen war, die genau wie die Aelfinn nicht einmal wussten, wie man log.

„Und wer ist bei Rand?“ stellte sie die naheliegendste Frage.

Nach einem übertriebenen Aufstöhnen bequemte er sich zu einer Antwort. „Min. Sie ist so gut wie immer bei ihm.“ Ein leichtes Erröten deutete vermutlich darauf hin, dass Mat die beiden schon bei etwas ... delikaten Aktivitäten gesehen hatte. Es stand jetzt außer Zweifel, dass er die beiden anderen Ta'vaeren wirklich sehen konnte und sie fragte sich unwillkürlich, ob das auch in der Gegenrichtung der Fall sein mochte. Er trank einen Schluck und schloss dabei sein Auge. Es schien nicht mehr zu schmerzen, stellte sie zufrieden fest. Dann fiel ihr etwas auf, das ihr zuvor entgangen war: Er trug sein Medaillion nicht. Sonst hätte die Eine Macht nicht bei ihm gewirkt, als sie ihn heilte. Hatte er es verloren, oder gar verschenkt? Kaum wahrscheinlich. Allerdings war es wohl besser, wenn sie jede diesbezügliche Neugier energisch unterdrückte, auch wenn Mat ihr offenbar einigermaßen vertraute, würden derartige Fragen sich nicht zu ihren Gunsten auswirken.

„Dann ist da eine Grüne Aes Sedai, die ihn ziemlich am Gängelband hat, so vorsichtig, wie er sich ihr gegenüber aufführt. Und natürlich einige Töchter des Speers. Das sind alle, die gerade bei ihm sind. Nein, doch nicht, eine große blonde Frau steht in einer Ecke, mit dem Gesicht zur Wand, keine Ahnung, wo die herkommt, jedenfalls aus keinem Land das ich kenne, soviel ist sicher, wenn man ihre Kleidung in Betracht zieht.“ Er schien darüber verwundert zu sein, Mat hatte schon seit Rhuidean eine Menge Geheimnisse vor ihr. Und er schien tatsächlich zu sehen, wo Rand – und auch Perrin – sich befanden.

„Kennst Du die Aes Sedai?“ fragte sie sofort.

„Nein, aber sie ist schon länger bei ihm. Grünes, ziemlich teures Kleid, graue Haare mit einem Knoten hinten, ziemlich viel Schmuck.“

„Cadsuane.“ sagte zu ihrer Überraschung „Noal“ mit Überzeugung in der Stimme, jetzt war sie sicher, sich nicht geirrt zu haben. „Erstaunlich, ich hätte gedacht, sie sei längst tot.“ fügte er hinzu.

„Cadsuane“ stimmte sie zu. Sie war nach wie vor nicht sicher, ob die Grüne eine Schattenfreundin war. Wie dem auch sein mochte, sie musste so schnell wie möglich zu Rand. Dummerweise konnte er Schnell Reisen und sie nicht, also wäre es ihr unmöglich, ihn einzuholen, sollte er Illian wieder verlassen, bevor sie dort ankam. Der Turm von Ghenjei befand sich – hatte sich befunden – viele Wochen von Illian entfernt, es war praktisch ausgeschlossen, dass sie ihn dort fand. Sie hatte gewusst, dass es schwierig werden würde, aber angesichts der Unmöglichkeit ihrer Aufgabe fühlte sie Verzweiflung in sich aufsteigen, die sie schnell wieder unterdrückte. Mit Mats Hilfe war es vielleicht möglich, Rand rechtzeitig zu erreichen – falls er ihr half, schließlich waren sie jetzt „quitt“.

„Mat“ sagte sie ruhig „es hat den Anschein, als käme ich mit meiner Aufgabe schneller voran, wenn ich doch noch eine Weile in Euer Nähe bleibe. Nach dem, was geschehen ist, habe ich kein Recht, etwas zu fordern, aber ich kann Euch zumindest darum bitten.“

Er zuckte nur mit den Schultern. „Warum nicht, eine Aes Sedai mehr wird schon nicht schaden. Aber wenn ich Euch eine Frage stelle, Moiraine, dann erwarte ich ab sofort eine direkte Antwort ohne die üblichen Aes-Sedai-Verschleierungen, ja? Das ist alles, was ich als Gegenleistung verlange.“

Kein angenehmer, aber ein fairer Preis. „Gemacht.“ sagte sie und fragte sich unbehaglich, wie viele Aes Sedai er dabei hatte, dass EINE MEHR keinen Unterschied machte.

Er spuckte in die Hand und sie tat es ihm gleich. „Gemacht.“ Sie erwiderte sein Grinsen mit einem leichten Lächeln, als sie sich die Hände schüttelten.

Seine erste Frage, die er sofort im Anschluss stellte, verblüffte sie allerdings genug, dass sie eine Braue anhob: „Befinden sich die Schlangen und Füchse außerhalb des Musters?“

Sie bezweifelte, dass selbst eine Braune diese Frage würde beantworten können und sagte ihm das ohne zu zögern, jetzt war Vertrauen etwas, das unverzichtbar war. Wenn schon der leichtfertige Mat begann, das Muster selbst in Frage zu stellen und – wie sein fehlendes Auge unvergesslich machte – es sogar bewusst zu beeinflussen, dann waren Rand und Perrin vermutlich mindestens ebenso weit. Es war entschieden: Bis sie Rand fand, durfte sie ihn nicht mehr aus den Augen lassen, was auch geschah.

„Ich nehme an, Deine Frage bezieht sich auf ein bestimmtes Glücksspiel?“ fragte Thom nachdenklich und Mat nickte, während Jain – oder inzwischen eher Noal, da er offenbar als Preis seines Handels auch seinen allzu bekannten Namen geopfert hatte – interessiert zuhörte und den Worten offenbar folgen konnte. Glücksspiel? Das sagte ihr nichts, was war gemeint?

„Dann würde ich sagen, dass sie tatsächlich außerhalb des Musters leben, Mat, es ist nur logisch.“ erklärte Thom und Noal nickte beipflichtend.

„Vermutlich.“ murmelte Mat. Dann erhob der Junge sich wieder und meinte an sie gewandt: „Ich weiß nicht, wie es mit Euch ist, Moiraine, aber ich habe einen Bärenhunger. Sicher können wir alles Weitere auf dem Weg zum Lager besprechen.“

„Bitte nennt mich ab sofort nur noch Alys, es könnte besser sein, wenn niemand von meiner unerwarteten Rückkehr zu früh erfährt.“ Mit der Zunahme ihres Potentials in der Einen Macht war auch eine Zunahme des Wissens gekommen, welches ihre Chancen ebenso unweigerlich verbesserte. Leider blieben ihr die Hälfte von Lanfears Geweben unbekannt, darunter auch das Schnelle Reisen, aber sie hatte zweifellos Fortschritte gemacht. Sie wob nur eine kleine Veränderung ihres Gesichts, damit sie nicht als Aes Sedai erkannt würde, und kehrte das Gewebe um.

Mat wirkte unbeeindruckt. „Ihr solltet mal sehen, wie Elayne das macht oder auch Nynaeve.“ war sein einziger Kommentar. Es fiel ihr schwer, ihre Überraschung nicht zu zeigen, diese beiden konnten es auch?

„Einmal hat Elayne Nynaeve von Kopf bis Fuß in eine Windsucherin verwandelt, als sie betrunken war.“ meinte Thom lachend und begann aufgeregt zu gestikulieren. „Das hättest Du sehen müssen, Mat, sie hatte Ringe in der Nase und das Meervolk trägt auf See keine Blusen und Nynaeve...“ Er verstummte mit vor der Brust gekreuzten Armen, als sie vielsagend eine Braue hob, warf ihr einen vorsichtigen Blick zu und seine Wangen nahmen etwas Farbe an.

„Sicher ein bemerkenswerter Anblick.“ war ihr einziger Kommentar. Solche Veränderungen verlangten ein hohes Maß an Können und wenn Elayne noch betrunken – betrunken? Sie hatte wirklich einiges verpasst, seit Tear musste sich das Mädchen ziemlich verändert haben – weben konnte, was Thom beschrieb, musste sie einen erstaunlich hohen Grad des Könnens erreicht haben. Thom wirkte peinlich berührt, offenbar hielt er sie noch immer für prüder, als sie war. Sie musste ein Lächeln unterdrücken, als sie sich vorstellte, wie die ehemalige Seherin wohl reagiert hatte, als sie plötzlich ohne Bluse dastand und Thom und wer weiß sonst noch dabei zusahen. Das Mädchen war stur genug, dass eine kleine Erwähnung dieser Episode sie vielleicht sogar etwas zurechtstutzen konnte, der Gaukler hatte ihr ein wertvolles Wissen anvertraut, erkannte sie. Die Seherin hatte ihr nie vertraut und würde das vermutlich auch nie tun.

Als sie kurz darauf bei den vier Pferden ankamen, die nicht weit entfernt an einem Baum angebunden waren, stellte Mat überrascht fest, dass ihre Futtersäcke fast leer waren. Er wollte wissen, ob das Land im Turm so ähnlich sei, wie die Kurzen Wege, wenn sie statt einer guten Stunde drei volle Tage dort verbracht hatten und sie sagte ihm, das sei schon möglich, aber genau wisse sie es auch nicht. Während ihres Rückwegs hatte Mat noch eine Menge Fragen, aber nur wenige davon konnte sie auch zu seiner Zufriedenheit beantworten, so dass er schließlich sichtlich ungehalten deutlichere Antworten von ihr verlangte und sein Pferd verhielt.

Sie seufzte. „Mat, wenn ich könnte, würde ich Euch gerne alle Fragen beantworten, die Ihr habt. Leider ist das nicht der Fall. Seit ich mit euch Emondsfeldern unterwegs bin, haben sich so viele vermeintlich wahre Dinge als falsch herausgestellt, dass ich mich manchmal frage, ob ich überhaupt noch etwas weiß. Über Ta'vaeren zum Beispiel ist so wenig bekannt, dass ich mir vorkomme, als würde ich nachts im Nebel an einer Klippe balancieren, wenn ich mit euch zu tun habe. Ta'vaeren sind so selten, dass niemand sonderlich viel über sie weiß, Mat. Der letzte war bekanntlich Arthur Falkenflügel und der lebte vor über tausend Jahren. Ich hatte keine Ahnung, dass sie einander sehen können, bevor Du es mir gezeigt hast, vermutlich weißt Du längst mehr über die Eigenschaften der Ta'vaeren als ich. Das ist die reine Wahrheit, Mat, beim Ersten Eid.“

„Ich wünschte, Loial wäre hier.“ erklärte Mat schließlich mürrisch.

„Ich auch, Mat, die Ogier wissen vieles, was selbst die Weiße Burg vergessen hat. Ich glaube, es gibt ein Stedding in den Schwarzen Hügeln, vielleicht können wir dort Station machen und etwas in Erfahrung bringen.“

„Kaum.“ kam es zu ihrer Verwunderung enttäuscht zurück. „Die Ogier halten ihren Großen Stumpf im Stedding Shangtai, alle, die etwas Interessantes zu erzählen hätten, sind bestimmt längst dort.“ Er bemerkte ihren fragenden Blick. „Mehrere fahrende Händler, die wir trafen, haben uns von Begegnungen mit reisenden Ogiern berichtet.“

Eine Versammlung der Ogier? Sicher würde Loial sie nicht versäumen, wenn er es irgendwie einrichten konnte, obwohl, wenn sie genauer darüber nachdachte, wäre es vielleicht nur ein weiterer Grund für den jungen Ausreißer, sich von dort fernzuhalten. Dennoch, es mochte nötig werden, diese Versammlung zu besuchen. „Ich wünschte, ich wüsste, wie man schnell reist.“ murmelte sie bei sich, die Eelfinn hatten das vermittelte Wissen rein zufällig ausgewählt und leider hatte in diesem Fall die Wahrscheinlichkeit zu ihren Ungunsten entschieden.

„Da müsst Ihr nur die Amyrlin fragen, Alys.“ sagte der Junge grinsend.

„Elaida kann Schnell Reisen?“ fragte sie schockiert, das war ein herber Rückschlag, wenn es stimmte.

„Doch nicht die Amyrlin, ich meine die andere.“ Sein Grinsen war das breiteste, das er seit ihrer Rückkehr gezeigt hatte. Eine [i]andere[/i] Amyrlin? Er hatte nicht so geklungen, als wäre Elaida abgesetzt, ihr wurde kalt, als sie erkannte, welche Bedrohung es für die Weiße Burg bedeuten würde, wenn es zwei Amyrlins gab.

Als er keinerlei Anstalten machte, seine Andeutung zu erklären, stellte sie schließlich die unausweichliche Frage. „Welche andere Amyrlin?“

„Na, Egwene. Die Rebellen haben sie zu ihrer Amyrlin gewählt und jetzt belagert sie Tar Valon mit einem Heer unter Oberbefehl von Gareth Bryne.“

Sie warf Thom einen strengen Blick zu, aber der zupfte nur völlig unbeteiligt an seinem Schnurrbart. Anscheinend hatte er Mat absichtlich die „Freude“ überlassen, ihr von dieser Katastrophe zu berichten. EGWENE belagerte als Amyrlin Tar Valon? Sie konnte es kaum fassen und zumindest etwas von ihren Gefühlen musste sich gegen ihren Willen auf ihrem Gesicht gezeigt haben, denn Mat fügte beruhigend hinzu. „Ihr kennt doch Egwene, Alys, sie ist zwar ein wenig stur, aber wenn die Rebellen diese Tore haben und Elaida nicht, hat sie bestimmt keine Schwierigkeiten damit, die Weiße Burg einzunehmen.“

Und wie viele Schwestern würden bei dem Angriff sterben? Sie blickte ihn scharf an und hatte schon eine entsprechend scharfe Erwiderung auf der Zunge, als ihr aufging, dass er nicht so unbesorgt war, wie er tat, Egwene war für ihn eine gute Freundin aus Kindertagen und was er für sie bereit war zu riskieren, hatte er im Stein von Tear bewiesen. Auch wenn ihm die Weiße Burg vermutlich gleichgültig war, galt das für Egwene keinesfalls. „Ich bin sicher, sie kommt zurecht.“ sagte sie also nur und er blinzelte überrascht. Sie erreichten das Lager schweigend. Mat waren offenbar vorerst die Fragen ausgegangen und sie selbst hatte mehr als genug, über das sie nachdenken konnte.

Kaum waren sie in Sichtweite des Lagers, als auch schon zwei Bewaffnete mit dem Zeichen der Roten Hand an der Brust auf sie zu stürmten. Die erhobenen Waffen wurden jedoch schnell gesenkt, als man sie erkannte. „Lord Mat, dem Licht sei Dank, Ihr seid es wirklich!“

Sie warf angesichts dieser Anrede einen kurzen Blick zur Seite, aber der Junge schien nicht überrascht. Genau betrachtet, sollte auch sie nicht überrascht sein, schließlich war jemand, der genügend Lords unter seinen Gefolgsleuten hatte, irgendwann zwangsläufig selbst einer. Bevor Mat jedoch etwas zurückgeben konnte, fügte der Mann hinzu „Wir fürchteten schon, er hätte Euch erwischt!“

„Wer?“ fragte Mat sofort misstrauisch.

„Der Gholam natürlich, Lord Mat, er... Was ist denn mit Euren Auge passiert?“ der Mann hob überrascht eine Braue, aber Mat beachtete die Frage nicht. Bei allen Fragen, die er ihr gestellt hatte, waren die Aelfinn und Eelfinn mit keiner Silbe erwähnt worden, er schien entschlossen, diese Episode möglichst schnell zu vergessen.

„Der Gholam war hier? Was ist passiert? Jetzt rede schon, Mann!“ So erschrocken, wie Mat klang und auch Thom und Meister Charin dreinblickten, musste dieser Gholam eine ernste Bedrohung darstellen, auch wenn sie nie zuvor von ihm gehört hatte.

„Er kam mitten in der Nacht ins Lager, Lord Mat! Hätte Olver nicht gebrüllt, als wäre der Dunkle König persönlich unter uns, hätte er uns vermutlich alle im Schlaf erwischt, aber auch so hat er sechs Tote gefordert.“

„Und die Aes Sedai?“ Er klang ernsthaft besorgt und sie fragte sich, warum, sicherlich würden Aes Sedai mit jeglichem Schattengezücht zurechtkommen.

„Er hat versucht, sie zu erreichen, wir riefen ihnen zu zu fliehen, aber sie versuchten es mit ihren Blitzen, bevor sie erkannten, dass es zwecklos war. Er hatte Joline Sedai schon an den Haaren gepackt und die Hand zum tödlichen Schlag erhoben, als Olver ihm auf den Rücken sprang und ihm Euer Medaillion um den Hals schlang. Ihr hättet ihn sehen sollen! Einen tollen Burschen habt Ihr da, Lord Mat, er war der Held der Nacht. Wenn er nicht gewesen wäre, hätte es uns bestimmt allesamt erwischt, drei der Wachen hatte der Gholam schon lautlos ausgeschaltet, bevor der Junge Alarm schlug.“ Offenbar war dieser Gholam genauso immun gegen Einflüsse durch die Eine Macht, wie Mats erstaunliches Medaillion. Der Gedanke, dass er geschaffen worden war, um Aes Sedai zu töten, drängte sich auf und sie fragte sich unwillkürlich, ob mit weiteren derartigen Überraschungen zu rechnen sei.

„Ist ihm was passiert?“ wollte Mat erschrocken wissen, aber der Mann winkte ab und lachte.

„Ihm nicht, aber dem Gholam. Sobald Olver sich an seinem Rücken festgeklammert hatte, ließ er nicht mehr locker und das Schattenwesen begann zu schreien. Lady Egeanin brachte ihn mit Eurem Speer zu Fall und wir ließen ihn nicht mehr hochkommen. Zu Anfang hat er uns noch abgeschüttelt, aber schließlich konnten wir ihn festhalten und der Junge gab ihm mit Eurem Medaillion den Rest. Dieses verdammte Ungeheuer hat sein letztes Opfer gefordert, Lord Mat!“ Mindestens ebenso interessant wie die Tatsache, dass der Fuchskopf dieses Schattengezücht hatte töten können, war, dass Mat ihn anscheinend diesem Olver anvertraut hatte. Allerdings schien es, dass das eine durchaus gute Entscheidung gewesen war, schließlich war er es gewesen, der den Gholam auch entdeckt hatte. Unwillkürlich fragte sie sich, ob auch dieser Olver so etwas wie ein Ta'vaeren sein mochte. Das Glück, welches er in dieser Nacht gehabt hatte, schien zumindest darauf hinzudeuten.

„Wo ist der Gholam jetzt?“ wollte Mat wissen.

Das Grinsen des Mannes verblasste etwas. „Er hat sich einfach in Luft aufgelöst, Lord Mat. War echt gespenstisch. Er ist irgendwie ... zerflossen und nach wenigen Minuten war nichts mehr von ihm da. Ihr glaubt doch nicht, dass wir es mit noch mehr von denen zu tun bekommen, oder?“

„Es wurden nur sechs Gholam im Zeitalter der Legenden geschaffen.“ gab Mat abwesend zurück. „Wir können nur hoffen, das dies der einzige war, der die Zeit überdauert hat. Wo ist Olver?“ Er wirkte sich dessen sicher und Moiraine fragte sich, woher er so genaue Informationen aus dem Zeitalter der Legenden haben mochte. Sie hatte noch viele Fragen, aber vorerst durfte sie sein Vertrauen nicht überstrapazieren, sondern übte sich besser in Geduld.

„Er wird bei der Lady Egeanin sein, Lord Mat. Wenn er alleine durch das Lager streift, versuchen die Aes Sedai, etwas über Euch und das Medaillion von ihm zu erfahren, aber er wollte niemandem etwas darüber verraten, sagte er habe es Euch versprochen. Die Aes Sedai lassen ihn in Ruhe, wenn er bei der Lady Egeanin ist, sie machen um sie immer einen großen Bogen.“ Ein kurzes Grinsen zeigte sich bei beiden Soldaten und auch bei Mat und „Noal“, zwischen den Aes Sedai und dieser Lady Egeanin gab es offenbar Spannungen. Und seltsamerweise schien sie es zu sein, die dabei die Oberhand hatte.

„Viele glaubten, der Gholam hätte Euch erwischt, aber der Junge war sicher, dass Ihr zurückkommt.“ kam der Mann schließlich zum Ende seines Berichts.

„Ich bin der Mann mit dem Glück.“ sagte Mat leise in der Alten Sprache, genau wie im Turm von Ghenjei schien er nicht zu bemerken, dass er nicht seine Muttersprache verwendete.

„Wenn Ihr es sagt.“ gab der Soldat schulterzuckend zurück, wandte sich um und führte sie ins Lager hinein. Für Mat klang es sicherlich, als hätte der Mann ihn verstanden, aber sie wusste es besser. Im Lager angekommen, stiegen sie ab und nach freudigen Rufen der Begrüßung für Mat und die beiden Männer – sie selbst bekam kaum mehr als leichte Verbeugungen und neugierige Blicke ab – führten zwei der Männer ihre Pferde fort und sie betraten das Lager zu Fuß. Es war nicht so groß, wie sie erwartet hatte, aber schließlich war die Bande schon auf dem Weg nach Cairhien, wie sie sich erinnerte.

Sorgfältig stellte Mat sie überall unter ihrem Decknamen vor und genauso sorgfältig ignorierte er Fragen nach seinem verlorenen Auge. Von den Anwesenden erkannte sie nur Juilin wieder, der auch in Tear an Mats Seite gekämpft hatte und sie natürlich nicht erkannte. Von Thom hatte sie gehört, dass „Thera“ in Wahrheit die ehemalige Panarchin von Tarabon war, allerdings hatte er nicht erwähnt, dass sie und der Diebfänger ein Paar waren. Mühsam hielt sie ihre Miene gelassen, als sie beiläufig den Sul'dam Seta und Bethamin vorgestellt wurde, sie hatte offenbar noch längst nicht alles gehört, was es zu berichten gab. Teslyn, Edesina und Joline waren in Bezug auf sie verständlicherweise sehr neugierig, da sie ihr Potential erspürten, aber sie machten sich schnell aus dem Staub, als eine hochgewachsene Frau mit Mats Speer in der Hand, einem breitschultrigen Mann an ihrer Seite und einem kleinen Jungen im Schlepptau auf sie zutraten. Das musste also diese Lady Egeanin sein. Der Soldat behielt Recht, die drei Aes Sedai hielten trotz ihrer offensichtlichen Neugier einen deutlichen Abstand, erstaunlich.

„Mat!“ Der Junge lief ihnen entgegen, sobald er sie erkannte und Mat hob ihn grinsend hoch und wirbelte ihn herum. „Ich habe die Aes Sedai vor dem Gholam beschützt, genau, wie ich es versprochen habe!“ rief er stolz.

Mat lachte. „Ja, das hast Du, Olver, gute Arbeit.“ [i]Das[/i] war Olver? Dieser kleine Junge hatte den Gholam praktisch im Alleingang getötet, der fast das gesamte Lager ausgelöscht hätte? Moiraine konnte es kaum fassen, dass Mat diesem Jungen tatsächlich sein kostbares Medaillion überlassen hatte, aber es hing deutlich sichtbar um seinen Hals, als Mat ihn wieder absetzte, weil es beim Herumwirbeln aus seinem Hemd gerutscht war.

„Und Du hast sie gerettet.“ stellte der Junge fest und blickte ihr neugierig in die Augen. „Ich habe sie mir größer vorgestellt.“ fügte er leise an Mat gewandt hinzu.

„Ich habe mir Dich auch größer vorgestellt, junger Held.“ gab sie lächelnd zurück. „Du kannst mich Alys nennen.“ Wenn Mat ihm den Fuchskopf überlassen hatte, dann wusste der Junge vermutlich auch noch mehr, sie konnte nicht riskieren, dass er mit ihrem Namen herausplatzte. Andererseits war er bisher der einzige, der ihn nicht auf sein fehlendes Auge angesprochen hatte, vielleicht wusste er ja trotz seiner Jugend schon, was man sagen sollte und was nicht.

Der Junge strahlte sie an. „Zu Euren Diensten, Lady Alys.“ sagte er mit einer verblüffend gekonnten Verbeugung.

„Glaube nicht, dass ich Dich nicht beim Wort nehme.“ gab sie zurück und er blinzelte. Auch wenn er nicht so gut aussah, wie Mat - genau genommen war er geradezu hässlich - schien er sich eine ganze Menge von ihm abgeschaut zu haben, das war nicht zu übersehen. Anscheinend waren die beiden schon eine Weile gemeinsam unterwegs, von diesem Jungen würde vieles zu erfahren sein. Sie richtete ihre Aufmerksamkeit jedoch vorläufig auf die beiden anderen Neuankömmlinge.

„Alys, dies sind Egeanin und Bayle Domon, Egeanin, Bayle, dies ist Alys, sie wird uns eine Weile begleiten.“ Sie nickten sich gegenseitig nur leicht zu, bevor Egeanin sich an Mat wandte. Der Blick dieser Frau war kalt wie Eis, es würde nicht leicht werden, mit ihr zurecht zu kommen.

„Hier ist Euer Speer, Mat. Ich muss sagen, dass er gut in der Hand liegt, ein ausgezeichnetes Stück.“ Sie hatte diesen Akzent zwar noch nicht oft gehört, aber er war unverkennbar, sie war genau wie die beiden Sul'dam eine Seanchan! Nach ihren vier bemalten Fingernägeln zu urteilen von hohem Rang, soweit sie wusste.

„Danke.“ Er griff ohne zu zögern nach dem Speer, den er aus Rhuidean mitgebracht hatte und stellte ihn an seine Seite. Dort wirkte der Speer, als sei er ein Teil von ihm, wie ihr auffiel. „Wie ich gehört habe, habt Ihr ihn gut gebrauchen können, gute Arbeit, Egeanin.“

„Dass der Gholam getötet werden konnte, ist allein Olvers Verdienst, Mat. Was habt Ihr bloß mit Eurem Auge angestellt, Ihr seht zum Fürchten aus?“ Nach ihren Worten und ihrer Art zu urteilen, stand auch sie mit Mat auf sehr vertrautem Fuß, dass er ihr den Speer anvertraut hatte, machte Moiraine dessen sicher. Auch diese Frau würde sie genauer im Auge behalten müssen.

„Es war eben der Preis, der gezahlt werden musste.“ kam es seufzend von Mat zurück. „Ich werde mir wohl eine Augenklappe besorgen müssen, aber genug davon, wie schnell ist alles zum Aufbruch bereit? Ich will die Bande so schnell wie möglich einholen.“

„Wir warten seit Tagen nur auf Euch, Mat. In spätestens einer Viertelstunde ist alles bereit.“ Auf sein Nicken hin wandte sie sich an den kräftigen Mann an ihrer Seite und trug ihm recht energisch auf, in einer Viertelstunde das Lager abgebaut zu haben. Bayle nickte ihr und Mat kurz zu, bevor er auf die Soldaten zu marschierte und Egeanin ihm deutlich langsamer folgte.

„Hier, Mat, Dein Medaillion, Mat.“ Der Junge hielt Mat den Fuchskopf hin, der ihn dankend entgegen nahm. Für einen Moment wirkte er nachdenklich und sie vermutete, dass er darüber nachdachte, es dem Jungen zu überlassen, aber dann legte er es doch um seinen eigenen Hals. Vermutlich eine gute Entscheidung, musste sie zugeben, Mat war sicherlich nach wie vor eines der Hauptziele für Angriffe der Verlorenen. „Du solltest Dir wirklich eine Augenklappe besorgen, Mat, dann siehst Du aus wie ein gefährlicher Pirat oder ein Kopfgeldjäger.“

„Das mache ich bestimmt, Olver. Meinst Du, Du kannst ein paar passende Sachen für die Lady Alys auftreiben, ihr Kleid ist ziemlich mitgenommen?“

„Klar, Mat.“ Olver schenkte ihr ein breites Grinsen und rief „Ich finde bestimmt ganz schnell etwas Passendes für Euch, Lady Alys.“, bevor er sich auf den Weg machte.

„Ein aufgeweckter Junge.“ stellte sie fest, als sie mit Mat allein war. Thom war in ein Gespräch mit Juilin vertieft und Noal nirgendwo zu sehen, obwohl das Lager alles andere als groß war, der Mann wusste natürlich, wie man sich unbemerkt absetzte, sonst hätte er wohl kaum so lange überlebt.

„Und verdammt mutig noch dazu.“ meinte Mat lächelnd, Stolz schwang in seiner Stimme mit. „Allerdings kann er es nicht lassen, Frauen jeden Alters sein unverschämtes Grinsen zuzuwerfen. Ich frage mich, wo er das her hat.“ Sie musterte ihn überrascht, er hatte völlig ernst geklungen. Nun, manchmal war die Wahrheit wohl einfach zu offensichtlich, um sie zu erkennen.



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