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Der vergessene Weg

Die Erinnerung kam ganz plötzlich, als er im Sonnenlicht des späten Nachmittags den alten Weg erkannte.

Fast den ganzen Tag lang waren sie nach Süden geritten, um zur Straße nach Weißbrücke zu gelangen. Gerade hatten sie die Straße erreicht, als alte Erinnerungen sich beim Blick auf die Waldwildnis im Süden ungebeten einstellten. Einst hatte genau hier der viel benutzte Handelsweg gelegen, der zur Zeit der Zehn Nationen von Manetheren in Richtung des in Coremanda gelegenen Braem und auch nach Aridhol führte. Auch später, zu Zeiten Farashelles, war der Handel mit Dal Calain und Masenashar fast ausschließlich auf dieser Route erfolgt – soweit es Handel gegeben hatte. Davon war allerdings schon lange nichts mehr zu sehen. Inzwischen wuchsen seit vielen Generationen Bäume, wo es einst die gepflasterte Straße gegeben hatte.

Unbewusst verhielt Mat sein Pferd. Normalerweise verdrängte er derartige Erinnerungen an Vergangenes, sobald sie auftauchten, aber diesmal wurde er geradezu davon gefesselt, weil sie etwas tief in ihm berührten.

Die Dämmerung setzte bereits ein, als sie eine weitere Rast einlegten. Wachsam hielten die eingeteilten Wachen auch so nahe der Heimat die Augen offen, doch er selbst war einfach nur müde von dem langen Ritt. Es waren jetzt nur noch zwei Tage bis nach Hause, das war im Grunde alles, was ihn im Moment beschäftigte. Er setzte sich auf einen der großen, flachen Steine, die hier auf dem kleinen Hügel herumlagen, und holte vorsichtig den Kohlenkessel und das Zündholz heraus. Diese Methode hatte er von seinem Vater übernommen und der wieder von seinem. Es gab andere Wege, ein Lagerfeuer zu entzünden, langsamere und weniger gefährliche, aber solange man mit dieser Methode vertraut war, war es schnell, praktisch und sicher genug. Wenn man alle vier Stunden etwas Kohle hinzugab, wofür ein geschickter Reiter nicht einmal anhalten musste, und das Feuer nachts nicht ausgehen ließ, dann hatte man zu jeder Zeit sehr schnell ein Feuer bereit. Doch kaum hatte er den Kohlekessel geöffnet, als plötzlich ein nur zu bekanntes Pfeifen in der Luft ertönte und Dagan und Kyleg von Pfeilen getroffen zu Boden sanken, während ein schrilles Horn erklang.

„Trollocs!“ schrie er sofort, und war darin nicht der einzige. Der Klang der Kriegshörner der Trollocs war inzwischen nur allzu vertraut. So nahe der Bergheimat allerdings hatte er nicht damit gerechnet, eines zu hören.

Was dann folgte, erschien ihm im Nachhinein wie ein Alptraum. Er war dem Gemetzel an seinen Männern nur entkommen, weil es ihm gelungen war, eine Feuerschneise zu legen, auf deren Fährte er durch die heiße Asche kriechend den Angreifern entkam, weil der Brandgeruch seinen eigenen verdeckte. Übersät mit schmerzhaften Verbrennungen und zu Fuß hatte er fast eine Woche gebraucht, um die Sümpfe zu durchqueren. Die Führer, die normalerweise an diesem Ende für Händler zur Verfügung standen, hatten einen qualvollen Tod gefunden, weil sie sich weigerten, den Weg preiszugeben. Nur noch halb bei Bewusstsein war er schließlich von einer Patrouille gefunden worden und hatte alle vor dem Angriff gewarnt. Er war fast einen Tag vor den Trollocs eingetroffen, weil sie den Weg durch den Sumpf nicht kannten und ihn schließlich hatten umgehen müssen. So tief waren noch nie zuvor die Schattenkreaturen in das Herz Manetherens vorgestoßen.

Man hatte ihn geheilt und wieder in den Kampf geschickt. Es war ihnen gelungen, diesen ersten Angriff abzuwehren, aber es stellte sich nur allzu bald heraus, dass es nur ein unbedeutend kleiner Vorstoß gewesen war...


Mat schüttelte unwillig den Kopf und verdrängte die Erinnerungen wieder. Er wollte nicht wissen, was aus dem Mann geworden war. Er konnte es sich denken.

Nachdenklich betrachtete er den großen, flachen Stein am Wegesrand, den unbekannte Kräfte im Laufe der Zeit von seinem Hügel geholt hatten, und sah zugleich in seinen Gedanken wieder die verlockende Straße, welche in die Heimat führte. Der Mann hatte eine Woche gebraucht, um den Sumpf zu durchqueren, aber er selbst war beritten und könnte trotz der hier vorherrschenden Wildnis vielleicht schon in zwei, spätestens in drei Tagen an den Zwei Flüssen sein!

„Woran denkt Ihr, Mat?“ drang die leise Stimme Moiraines in seine Gedanken.

Er hatte nicht einmal gehört, wie sie nähergekommen war. Nachdem sie jetzt offener war, kam man besser mit ihr zurecht und ihre Gesellschaft war bisweilen sogar recht angenehm. Da die anderen, dem Straßenverlauf nach Osten folgend, weiter vorausgeritten waren, befand sich sonst niemand in Hörweite. Er sah keinen Grund, es ihr nicht zu sagen, vermutlich konnte sie es sich sowieso schon denken. „Ich dachte an Zuhause.“ Als sie nicht reagierte, wandte er seinen Blick wieder der Straße zu, die außer ihm keiner erkennen würde. „Von hier aus könnte ich in gut zwei Tagen wieder Zuhause sein und ich dachte gerade, bevor ich nie wieder...“ Er verstummte. Noch nie hatte er wirkliches Heimweh verspürt, seit er die Zwei Flüsse verlassen hatte, aber jetzt schon. Das Gefühl war sehr stark. So gerne würde er seine Familie und seine Freunde noch einmal sehen, bevor...

„Ihr möchtet gerne noch einmal Eure Heimat sehen, bevor die Letzte Schlacht kommt.“ stellte die Aes Sedai ruhig fest.

Damit hatte sie unglücklicherweise den Nagel auf den Kopf getroffen. Eigentlich sollte es doch wohl selbstverständlich sein, seine Familie zu besuchen, war er doch gerade in der Nähe. Selbst seine Schwestern, die ihm immer nur Ärger bereitet hatten, vermisste er plötzlich, wie er überrascht feststellte. Ihre Gesichter wirkten in seiner Erinnerung erschreckend verschwommen. Das Dumme war nur, dass seine Anwesenheit geeignet war, die gesamten Zwei Flüsse in Gefahr zu bringen. Und alles nur wegen seines verdammten Ta'vaeren! Dabei spürte er im Augenblick nichts, was an ihm zog oder zerrte, es schien einfach nur normales Heimweh zu sein, welches ihn jetzt bewegte. Außerdem würde diese Entscheidung auch nicht „Das Muster beeinflussen“, wie die verdammten Aelfinn es genannt hatten, denn er hörte keine blutigen Würfel in seinem Kopf rattern. Er würde für Hin- und Rückweg nur vier oder fünf Tage brauchen, höchstens eine Woche, und weil er ja wusste, wohin die Bande sich wenden würde, konnte er sie sicherlich auch danach noch rasch wiederfinden.

„Würdet Ihr es tun? An meiner Stelle, meine ich?“ wandte er sich fragend an Moiraine und sie seufzte. Das tat sie oft, wenn er ihr seine Fragen stellte, aber wie immer antwortete sie ohne lange zu zögern.

„Ich weiß es wirklich nicht, Mat. Vielleicht schon. Vermutlich befürchtet Ihr, dass Eure Anwesenheit dort einen negativen Einfluss haben könnte, aber das muss nicht so sein. Ihr könnt die Umstände zum Guten oder zum Schlechten beeinflussen – oder auch garnicht, das kann man vorher nie wissen, Mat.“

„Ich glaube nicht, dass ich dort etwas bewirken werde.“ gab er nachdenklich zurück. Sie hob fragend eine Braue, aber er sah keinen Grund, ihr von den Würfeln zu berichten. Im Gegenteil, die Frau kannte bereits zu viele seiner Geheimnisse, schien oftmals sogar mehr über ihn zu wissen, als er selbst. Stattdessen versuchte er, sie abzulenken. „Wollt Ihr mich auch dorthin begleiten? Rand werdet Ihr dort bestimmt nicht finden. Er hat schon vor langer Zeit beschlossen, nie zurückzukehren.“ Die Bilder zu verdrängen, die daraufhin in seinem Kopf auftauchten, fiel ihm inzwischen deutlich leichter. Eine andere Erinnerung kam zum Vorschein, diesmal eine seiner eigenen: Rand, wie er traurig aber entschlossen feststellte, dass er nie nach Hause zurück könnte, das Drachenbanner in seinen Händen. Auch Perrin war zurückgekehrt – ein weiterer Bilderstrom wurde rasch verdrängt – und hatte nach allen Berichten einen bleibenden Eindruck an den Zwei Flüssen hinterlassen. Nicht, dass es viele solcher Berichte gegeben hätte. Er würde schon gerne mit eigenen Augen sehen, was inzwischen aus seiner Heimat geworden war, überlegte er.

„Ich würde Euch gerne begleiten, Mat.“ erklärte sie nach ungewöhnlich langem Zögern. „Auf diese Art hätte ich wenigstens einen von euch gewissermaßen wieder nach Hause gebracht.“

Er hätte nicht gedacht, dass sie es so sehen würde, aber es erschien ihm tatsächlich irgendwie passend. „Dann machen wir es so.“ gab er fest zurück und trieb Pips entschlossen vorwärts, um die anderen zu holen.

Natürlich waren alle überrascht über ihren plötzlichen Richtungswechsel. „Wir werden noch kurz bei mir Zuhause vorbeischauen, bevor wir der Bande folgen.“, war alles, was er dazu sagte. Niemand erhob Einwände, aber das war ja auch nicht zu erwarten gewesen. Die Aes Sedai wirkten lediglich neugierig und Egeanin zeigte sich sogar erfreut, seine Heimat kennenzulernen, genau wie Olver und Juilin. Thom dagegen wirkte eher nachdenklich, seine Erinnerungen an die Zwei Flüsse waren auch wirklich keine besonders angenehmen. Er stellte die Entscheidung aber mit keinem Wort in Frage, sondern nickte verstehend. Noal nannte es „einen mutigen Entschluss“, als er wenig später kurz an seiner Seite ritt, wirkte aber nicht sonderlich zuversichtlich. Der Mann war seit ihrem Besuch bei den Schlangen und Füchsen bei weitem nicht mehr so lebensfroh, wie er es zuvor gewesen war. Eigentlich seltsam, immerhin hatte er jetzt doch seine schlimmsten Erinnerungen verloren und seine Hände waren wieder völlig geheilt. Als er Moiraine darauf angesprochen hatte, meinte sie nur, dass man das Leben vielleicht höher schätzte, wenn es bedroht worden war. Das klang zwar irgendwie richtig, aber ganz nachvollziehen konnte er es trotzdem nicht. Man war eben einfach am Leben und machte das beste daraus, so oder so.

Die Rotwaffen und die Sul'dam folgten ihm bereitwilliger als je zuvor. Keiner von ihnen stellte seine Entscheidung auch nur andeutungsweise in Frage. Auch das war seltsam, zumindest von den Rotwaffen. Sie hatten bereits sechs Männer unter seiner Führung verloren, schienen jedoch gewillter als je zuvor, ihm überallhin zu folgen. Es war dasselbe wie in Ebou Dar. Er konnte wohl nichts dagegen tun und vermutlich wäre es auch ein Fehler, es zu versuchen.

Die breite, gepflasterte Straße war längst verschwunden, aber Mat fand den Weg trotzdem so sicher, als wäre sie noch dort. Am frühen Vormittag des nächsten Tages erreichten sie den Taren. Gerade jetzt im Frühling war er hier, durch die Schneeschmelze in den Verschleierten Bergen, fast so wild wie der Weiße Fluss, denn die Stromschnellen ließen ihn wie eine tosend weiße Flut wirken, die ihn ihrer Kraft gewillt schien, das weit entfernte Meer an nur einem einzigen Tag zu erreichen. Von der mächtigen Brücke, die hier einst die Überquerung gestattet hatte, war keinerlei Spur geblieben. Alle stiegen ab und betrachteten das wütende Tosen des Wasser. Jetzt würde sich zeigen, ob sein Plan durchführbar war.

„Seta, Bethamin, ich will, dass ihr beide uns eine Brücke über den Fluss baut.“

„Aber das können wir nicht, Euer Hoheit!“ riefen beide Sul'dam erschrocken im Chor und knieten vor ihm nieder, die Stirn auf den Boden gedrückt.

Blut und Asche, wie er diese abstoßende Unterwürfigkeit der Seanchaner hasste! „Steht auf, ihr zwei.“ Als sich keine von beiden rührte, trat er näher heran und zog sie kurzerhand auf die Beine, was beide erschrocken wimmern ließ. „Wie oft muss ich Euch noch sagen, dass ihr diesen Unsinn lassen sollt? Wir sind hier nicht in Seanchan, sondern in Andor, hier gelten andere Regeln.“ Er blieb betont freundlich, aber die drei Aes Sedai warfen ihm trotzdem vorwurfsvolle Blicke zu, die er allerdings ignorierte. „Will hier zum Beispiel ein Mann seinen Respekt zeigen, dann macht er eine Verbeugung, etwa so.“ erklärte er, und führte es vor. Allerdings hätte er damit rechnen sollen, dass beide nichts davon mitbekamen, weil sie nur zu Boden blickten. Wenigstens lagen sie nicht mehr darauf.

„Und wenn eine Frau ihren Respekt zeigen möchte, dann macht sie einen Knicks.“ Suchend blickte er sich um. Egeanin würde das nicht besonders eindrucksvoll darbieten können und die Aes Sedai würden sich vermutlich weigern. Juilins misstrauischer Blick stellte eindeutig klar, dass er nicht einmal daran denken sollte, Thera darum zu bitten. „Seht Euch die Lady Alys an, sie zeigt Euch, wie man es macht.“ schloss er und nickte Moiraine auffordernd zu. Tatsächlich blickten beide jetzt zu der Aes Sedai herüber, nur bei Egeanin machten diese Frauen fast so viel Theater wie beim verdammten Prinz der Raben. Moiraine zögerte nicht, sondern zeigte auf der Stelle einen mehr als anmutigen und nur eine Winzigkeit zu übertrieben Knicks. Auch wenn ihre Miene gelassen blieb, glaubte er in ihren Augen ein amüsiertes Funkeln zu erkennen. Innerlich stöhnt er auf, jetzt war er ihr doch tatsächlich schon wieder einen Gefallen schuldig! Aber wenigstens nur einen kleinen. Dennoch hielt er seine Stimme ganz freundlich. „Seht ihr? So zeigt man in Andor seinen Respekt, wenn man eine Frau ist. Versucht es einmal, ja?“

Und tatsächlich machten beide einen Versuch. Sie sahen ihn nicht direkt an und legten sich dabei fast auf die Nase, aber immerhin. „Na also, es geht doch.“ kommentierte er lächelnd diese erbärmlich glanzlose Vorstellung, als hätten sie den besten Knicks vollführt, den er je gesehen hätte. Wenigstens lachte niemand! „Das war doch garnicht so schwer. Und was diese Brücke angeht, woher wollt ihr wissen, dass ihr es nicht könnt, wenn ihr es nicht zumindest einmal versucht habt?“

Für einen winzigen Augenblick starrte Seta ihn verblüfft an, bevor sie hastig wieder zu Boden blickte und ihre Wangen sich etwas röteten. Was hatte das jetzt wieder zu bedeuten? „Wir werden Eure Brücke bauen … Lord … Mat.“ brachte sie zögernd und fast flüsternd heraus. Dann versuchte sie sich erneut an einem Knicks und knuffte Bethamin vorher unsanft in die Seite. „Wir bauen Eure Brücke.“ brachte auch diese daraufhin kleinlaut heraus, bevor sie etwas zeigte, dass wie eine Parodie eines Knickses anmutete. Dann umarmten beide Saidar und schritten zum Ufer, während sie eifrig diskutierten. Seltsamerweise hörte man kein Wort davon. Die drei Aes Sedai wirkten wenig erfreut, dass ihr Trick von den beiden abgeschaut worden war, aber wenn sie das hätten verhindern wollen, hätten sie eben vorher nicht damit angeben sollen.

„Was soll dieser Unsinn, Mat?“ wollte Joline grimmig von ihm wissen. „Das schaffen die beiden doch nie. Wenn wir drei uns verknüpfen, können wir bestimmt eine Brücke aus Luft weben.“ Teslyn warf ihr einen ungläubigen Blick zu und sie schränkte ein „Oder wir finden einen anderen Weg.“

„Es gibt keinen anderen Weg.“ Mat konnte nicht glauben, dass Joline das ernst meinte. Allerdings wusste sie auch nicht, was er wusste, also sagte er es ihr. „An genau dieser Stelle ist der Taren am wenigsten breit, eine andere kommt nicht in Frage. Bis Taren Fähre bräuchten wir vermutlich eine Woche und so viel Zeit will ich nicht verschwenden. Und was Seta und Bethamin betrifft, so haben sie mein volles Vertrauen.“ Genau diesen Moment suchten die beiden letzteren sich aus, um mit großem Getöse eine mächtige Rotkiefer in den Fluss krachen zu lassen. „Bisher haben sie anderen beigebracht, wie man etwas zerstört, Joline. Es wird Zeit, dass sie es einmal mit dem Aufbauen versuchen. Wenn ihr glaubt, ihnen helfen zu können, dann nur zu.“ schloss Mat energisch. Dann wandte er sich an die Rotwaffen. „Wir rasten hier eine Weile.“

Es wurde eine lange Rast. Mehrmals wurde er gefragt, ob die Zelte bereitgemacht werden sollten, doch er lehnte jedesmal ab, selbst wenn die erste Rotkiefer längst den Fluss hinab verschwunden war. Auch wenn die Anfänge sehr unbeholfen gewesen waren, hatten die beiden schließlich den Bogen heraus. Statt Bäumen verwendeten sie bald die Felsbrocken aus dem Fluss, um brauchbare Pfeiler zu bilden, und statt kompletter Bäume verwendeten sie schließlich nur die Stämme für die eigentliche Brücke. Das erste Stück war bereits stabil, als sie darauf verfielen, die Stämme in der Mitte zu spalten, damit sie eine gangbare Oberfläche erreichten. Danach ging es schnell voran. Ein Pfeiler, zwei gespaltene Stämme bis dorthin und dann der nächste Pfeiler. Sorgfältig stellten sie die Stabilität der Konstruktion sicher, bevor der nächste Teil in Angriff genommen wurde.

In der Abenddämmerung war es soweit. Die Sul'dam waren schweißüberströmt, als sie sich vor ihn stellten. Dennoch standen sie aufrecht und blickten, wenn auch nicht in seine Augen, dann immerhin auf sein Kinn. „Eure Brücke ist bereit, Lord Mat.“ verkündete Seta mit hörbarem Stolz in der Stimme und zeigte mit Bethamin gemeinsam einen nicht mehr ganz so ungelenken Knicks.

„Na, dann wollen wir mal sehen, ob sie auch hält.“ gab er ruhig zurück und schwang sich in den Sattel. Ohne zu zögern ritt er auf die neue Brücke zu. Pips wurde etwas unruhig, als er auf das frische Holz trabte, aber Mat trieb ihn weiter, hielt erst in der Mitte des Flusses inne und blickte sich um. Weil viele Felsen für die Pfeiler benutzt worden waren, gab es jetzt weniger davon im Fluss und das Wasser floss ruhig und schnell um die Pfeiler herum. An die zehn Schritte war die Brücke breit und mindestens zweihundert lang. Obwohl es kein Geländer gab, fühlte er sich ausreichend sicher, denn mithilfe der Einen Macht hatten die beiden Sul'dam die halbierten Stämme fest mit den steinernen Pfeilern verbunden, so dass der glatte und lückenlose Holzboden völlig unbewegt blieb. Als er sah, dass die übrigen ihm eilig folgten, trabte er weiter und erreichte wenig später die Zwei Flüsse. Er atmete tief durch und auch wenn die Luft wegen des nahen Sumpfes nicht besonders wohlriechend war, fühlte es sich nach Heimat an.

Mat trug den Rotwaffen auf, das Lager aufzuschlagen, und wandte sich dann an die beiden Sul'dam. „Ihr habt ausgesprochen gute Arbeit geleistet, mein Kompliment. Seit rund zweitausend Jahren hat es an dieser Stelle keine Brücke mehr gegeben. Ruht euch jetzt aus. Ihr braucht eure Zelte nicht selbst aufzuschlagen, dass übernehmen ab sofort meine Männer für euch“ Direkt im Anschluss an seine Worte brandete Applaus auf, als seine Männer sich dem Kompliment einstimmig anschlossen. „Das ist euer Beifall...“ fügte Mat daraufhin hinzu „... und ihr habt ihn euch beide redlich verdient.“ Für einen Moment glaubte er, Seta wolle sich verbeugen, wie es die Artisten von Valan Lucas Truppe stets getan hatten, aber dann ließ sie es bleiben.

„Das hätten wir auch geschafft.“ war Jolines abfälliger Kommentar.

Er warf ihr, Teslyn und Edesina einen abfälligen Blick zu. „Das habt ihr aber nicht!“ Seine Stimme klang scharf, aber sie konnten auch ruhig wissen, dass er ungehalten war. „Ihr drei habt keinen Finger gerührt, um zu helfen, und das werde ich nicht vergessen. Seta und Bethamin haben mich sicher nach Hause gebracht, obwohl sie mir in keiner Weise verpflichtet sind. Könnt ihr, die ihr geschworen habt, alles für mich zu tun, eine ähnliche Leistung vorweisen?“ Nachdem er sich abrupt abgewandt hatte, fing er ein anerkennendes Nicken von Moiraine auf. Er erwiderte es fast unmerklich. Deutlicher würde er es nicht sagen, aber in gewisser Weise hatte er tatsächlich das Gefühl, dass sie ihn nach Hause gebracht hatte, obwohl es doch seine eigene Entscheidung gewesen war.

Sobald er am nächsten Morgen erwachte, war er drauf und dran, die Zwei Flüsse auf der Stelle wieder zu verlassen. Diese verdammten Würfel dröhnten wieder in seinem Kopf! Nach all dem Aufwand mit der Brücke würde er sich allerdings wie ein Idiot vorkommen, wenn er jetzt umkehrte. Und es bestand ja durchaus die Möglichkeit, dass er die Zwei Flüsse schon wieder verlassen hatte, bevor etwas wirklich Schicksalhaftes geschah.

Gerade, als er aufgestanden war und das Zelt verlassen hatte, stand auch schon Vanin vor ihm und erklärte, er müsse ihm etwas zeigen. Also folgte er dem Mann und was er fand, war verblüffend. Offenbar war seine Ankunft keineswegs unbemerkt geblieben.

„Es waren nur zwei, aber sie müssen uns weit voraus sein.“ erklärte der ehemalige Pferdedieb gelassen. „Vermutlich waren es nur zwei Jäger, aber ohne Zweifel haben sie uns gestern beim Brückenbau und der Überquerung des Flusses beobachtet. Ich schätze, sie haben sich an den Rückweg gemacht, sobald die Dunkelheit ihnen genug Deckung gab, um unbemerkt zu verschwinden. Etwas weiter flussaufwärts habe ich auch ihr Lager gefunden, sie haben Pferde und sind geritten, als ob der Dunkle König hinter ihnen her wäre.“

Es war sehr ungewöhnlich, dass Jäger sich so weit nach Osten wagten. Selbst der Weg am Fluss entlang hatte seine Tücken. Er hatte sowieso vorgehabt, den schnelleren Weg durch die Sümpfe zu nehmen und jetzt gab es dazu keine Alternative mehr. Für die Augen eines arglosen Jägers mochten sie durchaus wie die Vorhut eines Heeres gewirkt haben und wenn er eines bestimmt nicht wollte, dann seine Landsleute in Panik versetzen. Zu dumm, dass er nicht befohlen hatte, das Banner einzurollen, aber er hatte hier einfach nicht mit Beobachtern gerechnet. Wenigstens spielte das Wetter mit, es stand keine einzige Wolke am Himmel.

Nach etwa einer Stunde lockeren Trabens durch den Wald erreichten sie die ersten Ausläufer des Schlammpfuhls, wie das ausgedehnte Sumpfgebiet im Osten der Zwei Flüsse genannt wurde. Zwar lag die Abzweigung jetzt weiter innerhalb des Sumpfes, als in seinen Erinnerungen, aber der kleine Hügel war noch gut zu erkennen.

Mat ließ seine Leute anhalten und stellte sich auf seine Steigbügel, damit jeder ihn gut sehen konnte. „Hört mir jetzt bitte alle genau zu. Der Weg durch den Sumpf sollte sicher genug sein, um zügig voran zu kommen, aber er ist nicht besonders breit. Ich will, dass ihr alle hintereinander bleibt und nicht von meiner Spur abweicht. Sollte jemand gezwungen sein, den Weg zu verlassen, beispielsweise um dem Angriff eines Raubtiers zu entgehen, dann bleiben die übrigen trotzdem auf dem Weg, klar? Da unsere Gruppe recht groß ist, sollten wir allerdings keine großen Probleme mit Raubtieren bekommen, und wenn, haben wir ja Machtlenkerinnen dabei. Die Lady Alys wird nach mir reiten, dann kommen Olver, Vanin, Juilin, Thera und Thom. Dahinter kommt als erste Machtlenkerin Seta, gefolgt von Nerim, Aludra und vier Rotwaffen. Dann folgt Bethamin mit fünf weiteren Rotwaffen, dann jeweils eine der Aes Sedai mit den übrigen Rotwaffen dazwischen. Die Lady Egeanin und Meister Domon bilden die Nachhut. Alles klar soweit?“ Er wartete nicht auf eine Antwort, sondern setzte sich in Bewegung. „Wir reiten!“

Sorgfältig behielt Mat den Berggipfel im Südosten im Auge, der nicht ohne Grund [iViyallong genannt wurde. „Zeigefinger“ in der Alten Sprache. Der Zeigefinger war kein besonders hoher Gipfel der Verschleierten Berge, weswegen er an klaren Tagen wie heute deutlich aus großer Entfernung sichtbar war. Das besondere an ihm war, dass dieser uralte Weg durch den Sumpf so verlief, dass man nur auf den Gipfel zuhalten musste, um ihn nicht zu verlieren. In der Gegenrichtung behielt man ihn genau im Rücken, was nicht ganz so einfach, aber machbar war. Mat erinnerte sich an zwei Begebenheiten, bei denen mehrere Hundertschaften für immer in den Sümpfen geblieben waren, weil sie das Geheimnis nicht kannten. Wenigstens hatte er bei diesen Gelegenheiten auf der anderen Seite gestanden. Auch wenn gelegentlich kleinere Wasserläufe den Weg kreuzten, war der Boden hier fester als irgendwo sonst in weitem Umkreis, gelegentlich konnten sie sogar galoppieren.

Ständig wurden sie vom Quaken von Fröschen begleitet, die mit ihrer Art des Gesangs den Frühling begrüßten. Kleine Vögel durchbrachen das eher eintönige Konzert gelegentlich mit melodischeren Klängen. Ansonsten sah man nur wenige Tiere, lediglich Schlangen glitten von Zeit zu Zeit aus dem Weg der stampfenden Pferdehufe. Von den einzigen größeren Tieren, die den Schlammpfuhl gelegentlich aufsuchten, großen und gefährlichen, aber meist eher scheuen Raubkatzen, die ihre eigenen verborgenen Wege hatten, war keine Spur zu entdecken, obwohl er danach Ausschau hielt. Es gab mehrere Stellen, an denen in alter Zeit Wasserstationen gelegen hatte, denn schon damals brachte das Wasser aus den Sümpfen manchmal Krankheiten. Mat hatte deshalb dafür gesorgt, dass ihre eigenen Wasservorräte am Taren aufgefüllt worden waren, und allen aufgetragen, kein Wasser aus den Sümpfen zu trinken. Nicht, dass die trübe Brühe hier sonderlich verlockend wirkte, aber es war besser, sicher zu gehen. Gegen Mittag rasteten sie kurz an einer dieser Stellen. In einiger Entfernung waren bereits kleinere Baumgruppen zu erkennen. Langes wildes Gras, das mit verschiedensten Blüten durchsetzt war, überzog die Umgebung in weitem Umkreis, aber er wusste, dass dieser idyllische Eindruck täuschte. Entfernte man sich zu weit, konnte man jederzeit in zähen Schlamm oder Treibsand geraten, der zwar Gräsern Halt bot, einen Menschen oder gar ein Pferd jedoch unweigerlich versinken ließe. Diese Pause war hauptsächlich für die Pferde gedacht, denn der weiche Boden machte das Vorwärtskommen für sie anstrengender als gewohnt. Dennoch waren sie gut vorangekommen. Mat hoffte, noch am frühen Nachmittag den Wasserwald zu erreichen.

Trotz der klappernden Würfel war es ein gutes Gefühl, wieder an den Zwei Flüssen zu sein. So hintereinander reitend waren kaum Gespräche möglich und Moiraine schien daran auch keinerlei Interesse zu haben, sondern folgte ihm schweigend. Natürlich war er nicht allein, aber mit der offenen Landschaft direkt vor sich hatte er fast diesem Eindruck. Kurz gesagt, er nutzte die Zeit, um in aller Ruhe seine Situation zu durchdenken, ohne wie sonst ständig abgelenkt zu werden.

Nun ja, zumindest, ohne dass die anderen ihn ablenkten. Dummerweise war es schwierig, nicht an Rand und Perrin zu denken, jetzt, wo er wieder Zuhause war. Ständig musste er die Bilder der beiden verscheuchen, wenn er in Gedanken über sie stolperte. Darüber hinaus weckte dieser alte Weg immer wieder unwillkommene Erinnerungen in ihm und die verdammten Würfel zerrten an seinen Nerven.

Im Nachhinein kam er sich närrisch vor, in die Zwei Flüsse zurückzukehren, aber er wollte verdammt sein, wenn er sich von den verfluchten Würfeln jetzt abhalten ließ. Es war ihm eine gute Idee erschienen, die alte Brücke wieder zu erneuern – zumal sie nicht auf der Seite der seanchanischen Gebiete, sondern der Andors lag. Dabei hatte er jedoch übersehen, wer der eigentliche Feind war. Und das waren trotz aller Unterschiede nicht die Seanchaner, sondern der Dunkle König und seine Gefolgsleute und Schattenkreaturen. Auch sie konnten jetzt auf diesem Weg in seine Heimat eindringen, also musste er entweder die Brücke wieder zerstören, oder dafür sorgen, dass sie bewacht wurde. Andererseits war die bisherige Isolation der Zwei Flüsse längst kein ausreichender Schutz mehr und ein geheimer Fluchtweg durch den Sumpf war mehr als sinnvoll. Weil niemand einen Grund hatte, dieser Stelle des hier unschiffbaren Taren inmitten der Waldwildnis nähere Aufmerksamkeit zu schenken, war es unwahrscheinlich, dass die Brücke allzu bald jemand bemerken würde. Außerdem wären Seta und Bethamin am Boden zerstört, falls er ihr Werk tatsächlich wieder abreißen würde. Angesichts des zaghaften Selbstvertrauens, dass die beiden Sul'dam gerade erst an den Tag gelegt hatten, konnte er den beiden das unmöglich zumuten.

Meistens jedoch überlegte er, was er seiner Familie und den anderen hier sagen konnte, und was nicht. Er stellte sich vor, wie er den Bürgermeister mit den Worten begrüßte „Ihr könnte wirklich stolz auf Egwene sein. Sie ist jetzt nicht nur eine Aes Sedai, sondern die Amyrlin. Soweit ich weiß, belagert sie übrigens gerade Tar Valon.“ Licht, das würde komplizierter werden, als er gedacht hatte!

In seiner Jugend hatte er nicht mehr getan, als den Wasserwald nur so weit zu durchqueren, bis man auf den Schlammpfuhl stieß, aber diesmal kam er von der anderen Seite. Gleich auf Anhieb wirkten die hohen Bäume, die kleinen Tümpel und das dichte Gestrüpp überall dazwischen beruhigend vertraut. Das war jedoch nicht der einzige Grund, warum Mat erleichtert war, den Wasserwald zu erreichen, bei weitem nicht. Abgesehen davon, dass es in dieser Gegend nicht halb so gefährlich war, die Richtung zu verlieren, blieb auch der Gestank zunehmend hinter ihnen zurück. Es tat gut, wieder richtig tief Luft holen zu können, also tat er es ausgiebig und war darin nicht der einzige. Er wollte auf schnellstem Weg nach Emondsfeld und auch wenn man den Zeigefinger durch das meist dichte Blätterdach nicht erkennen konnte, gab es eine ganz einfache Möglichkeit, dorthin zu gelangen. Solange man den kleinen Wasserläufen stromaufwärts folgte, würde man irgendwann ihren Ursprung erreichen: Den Weinquellenbach. Und der führte natürlich zu seiner Quelle, die sich praktischerweise direkt neben Meister al'Veres Schenke befand. Er glaubte fast, den verlockenden Duft der köstlichen Honigkuchen von Frau al’Vere schon riechen zu können, und das Wasser begann, ihm im Munde zusammenzulaufen.

Es war irgendwo inmitten des Wasserwalds, wo sie das nächste Lager aufschlugen. Sie waren gut in der Zeit. Wer auch immer sie entdeckt hatte, würde wohl kaum eher in Emondsfeld ankommen, als sie. Mit etwas Glück konnte er sogar schon auf dem Rückweg sein, bevor sie das Dorf erreichten.

Von der anderen Seite her wäre es nahezu unmöglich, den Beginn des Weges durch den Sumpf zu finden, auch wenn er Seta und Bethamin dort einen Unterstand aus Holz hatte errichten lassen. Zwar wäre es keine gute Idee, den Weg als Handelsstraße zu verwenden, das würde zu viel Aufmerksamkeit darauf lenken, aber auf diese Art sollte zumindest ein Fluchtweg bereitstehen, den niemand sonst kannte, falls es mal nötig sein würde.

Einmal holte er sich nasse Füße, weil das Unterholz zu dicht wurde und sie direkt durch das Wasser reiten mussten, um weiterzukommen. Die paar Spritzer, die von den Pferdehufen kamen, reichten dafür eigentlich kaum aus, aber er hatte es erst bemerkt, als auch seine Hosenbeine bereits nass wurden. Danach achtete er darauf, seine Füße höher zu halten, wann immer sie durch Wasser reiten mussten. Ihren Weg zurückzuverfolgen war durch das fließende Wasser völlig unmöglich. Mat hoffte, dass der Unterstand, der den richtigen Weg anzeigte, in einem Notfall überhaupt gefunden werden konnte.

Nach und nach kamen immer mehr Lichtungen in Sicht und bald darauf auch erste Rauchfahnen, die von Besiedelung zeugten. Irgendwo dort vorne würden sie auf Meister Thanes Mühle stoßen, wenn sie sich an den Weinquellenbach hielten. Da weiterhin die Würfel in seinem Kopf rollten, hielt Mat es jedoch für besser, seinen Aufenthalt hier möglichst kurz zu gestalten, folglich machte er um die Mühle lieber einen großen Bogen, sobald sie in Sichtweite kam. Weil sie ihm aus der Ferne anders vorkam, als früher, warf er zuvor allerdings durch sein Fernrohr noch einen Blick darauf. Verblüfft erkannte er, dass es sich zwar um eine Mühle handelte, die alte Mühle von Meister Thane jedoch jetzt im Schatten dieser neuen und größeren lag. Die alte Mühle sah aus wie immer, wenn man vom offenbar erneuerten Strohdach absah, und schien ebenfalls in Betrieb zu sein, aber die neue Mühle war mindestens doppelt so groß und hatte sogar ein Ziegeldach! Er konnte auch einige Gestalten ausmachen, die sich dort bewegten, aber nur wenige Details. Zwei der Leute waren blond, sie kamen also von auswärts. Was hatten sie hier zu suchen? Er bezähmte seine Neugier. In der Weinquellenschenke würde er alle Informationen bekommen können, nach denen er suchte, und dazu noch gewürzten Wein und eine Pfeife.

Nach diesem kleinen Umweg kamen sie gut voran und kaum eine halbe Stunde später kam das Dorf in Sicht. Das einzige, was auf den ersten Blick allerdings vertraut wirkte, war das Dach der Schenke. Es war nun nicht länger das einzige Haus mit einem Ziegeldach und auch nicht mehr das höchste Gebäude. Ihr Überraschungsbesuch wurde allerdings durch ein eher unerwartetes Hindernis verzögert, denn eine mindestens 10 Fuß hohe und stabil wirkende Mauer versperrte ihnen den Weg. Beim uralten Bart des Schöpfers, seit wann hat Emondsfeld denn eine Stadtmauer?, fragte er sich verblüfft. Vermutlich war Perrin dafür verantwortlich, überlegte er weiter. Für einen Moment stand ein Bild seines Freundes vor Mats Augen, wie er an der Seite Failes über eine Wiese trabte. Auch weitere Leute waren dabei, aber er verdrängte das Bild energisch wieder, bevor er weitere Einzelheiten ausmachen konnte, die er garnicht wissen wollte.

Für einen kurzen Moment überlegte er, Seta und Bethamin ein neues Tor in die Mauer machen zu lassen, denn sie wirkte unbewacht, aber er verwarf den Gedanken sofort wieder. Es gab mit Sicherheit ein nördliches und ein südliches Tor, die genau dem Verlauf der Alten Straße folgten. Ein weiteres Tor im Osten würde im Zweifelsfall die Verteidigungschancen senken, das konnte er unmöglich verantworten. Nun, er hatte sowieso nicht vorgehabt, alle mit ins Dorf zu bringen. „Schlagt das Lager auf, aber macht erst Feuer, wenn es dunkel wird. Und sorgt dafür, dass man sie nicht sieht.“ befahl er den Rotwaffen. Der Wald, von dem aus er gerade Emondsfeld beobachtete, war in weitem Umkreis um die neue Mauer herum gerodet worden. Zweifellos, um im Ernstfall ein freies Schussfeld zu haben. Weil er zunächst einmal feststellen wollte, was er von hier aus noch in Erfahrung bringen konnte, zog er abermals sein Fernrohr heraus und ließ seinen Blick über das Dorf schweifen. So konnte er erkennen, dass ein paar der Ziegeldächer noch im Bau waren. Ein großes Haus, das geradezu herrschaftlich wirkte, besaß jedoch ein althergebrachtes Strohdach, das allerdings ebenfalls noch nicht vollendet war. Ob der alte Cenn Buie mit diesem Auftrag wohl im Verzug war?

Eine Bewegung erregte plötzlich seine Aufmerksamkeit. Verblüfft erkannte er, dass es eine Flagge war, die an einem hohen Mast im Wind flatterte. Es war nicht schwierig, darauf einen Wolfskopf auszumachen. Also zeigte Perrin jetzt Flagge, wie? Ein Bilderstrom wurde rasch verdrängt. Nun, sagte sich Mat, dann sollte ich dem wohl nicht nachstehen. Er steckte sein kostbares Fernrohr behutsam wieder weg und wandte sich an Vanin. „Du kommst mit und trägst den Con der Bande.“ Der fette Kundschafter wirkte zwar nicht sonderlich erfreut, nickte aber zustimmend. „Ansonsten begleiten mich vorerst nur Egeanin, Bayle, die Lady Alys und Olver. Thom, willst Du auch mitkommen?“

Der alte Gaukler schüttelte leicht den Kopf. „Ich bezweifle, dass man mich dort drüben in guter Erinnerung behielt, Mat. Es ist sicher besser, wenn ich nicht dabei bin.“

Mat nickte zustimmend und schwenkte Pips herum. Er hatte damit gerechnet, daher war er nicht überrascht, als Joline sich beschwerte. „Zumindest eine von uns sollte Euch begleitet. Ihr könnt nicht wissen, was Euch dort erwartet, und ein gewisser Schutz mag vonnöten sein.“ Die Aes Sedai endete mit einem vielsagenden Blick auf Moiraine, deren Anwesenheit den Schwestern noch immer Rätsel aufgab. Die drei hatten ihn wiederholt darauf hingewiesen, dass diese „Lady Alys“ stark genug sein musste, um eine der Verlorenen sein zu können. Als er Moiraine darauf angesprochen hatte, seufzte sie auf, berichtete ihm jedoch von dem seltsamen Handel, welchen sie mit den Eelfinn abgeschlossen hatte. Die Vorstellung, dass ein Stückchen von Lanfears Wissen und Macht jetzt in dieser kleinen Frau schlummerte, war so absurd, dass er nur selten weiter darüber nachdenken mochte.

Er hatte sowieso vorgehabt, eine der Aes Sedai mitzunehmen, damit sie notfalls bestätigen konnte, dass er keine Märchen erfand. Moiraines Tarnung dafür zu opfern, wäre keine gute Idee. Nicht nur, dass er dann wieder knietief in ihrer Schuld stünde, sofern sie sich nicht rundheraus weigerte. Viel mehr sprach die unangenehme Zusammenkunft dagegen, die Moiraine bei ihrem letzten Besuch durch ihre Geschichte über Manetheren aufgelöst hatte. Praktisch jeder Emondsfelder würde sie sofort wiedererkennen, wenn sie die Tarnung fallenließe, und er konnte sich noch gut daran erinnern, wie misstrauisch auch er selbst der Aes Sedai zuerst begegnet war.

Mat seufzte lautlos. Es war mehr als unwahrscheinlich, dass die Emondsfelder ihm auch nur ein einziges Wort von dem glauben würden, was er zu erzählen hatte. „Teslyn, Du kommst auch mit. Aber Du sagst nur etwas, wenn Du gefragt wirst, verstanden?“ Sie war die zugänglichste der drei und am wenigsten aufmüpfig. Außerdem war sie eine Rote und daher nicht daran interessiert, ihn als Behüter an sich zu binden. Beim bloßen Gedanken daran musste er einen kalten Schauer unterdrücken.

Er wartete nicht auf eine Antwort, sondern machte sich auf den Weg nach Norden. Seinem Vater oder dem Bürgermeister würde er von dem Fluchtweg durch den Schlammpfuhl erzählen, aber für alle übrigen sollte es besser so aussehen, als käme er aus Richtung Wachhügel, so wie alle, die von außerhalb der Zwei Flüsse hierherkamen. Die Nordstraße zu verwenden, würde viele unnötige Fragen garnicht erst aufkommen lassen. Alle würden denken, er sei über Taren Fähre hierher gelangt.

Es war um die Mittagszeit, als er und seine Begleiter sich dem offen stehenden Tor näherten, welches die Mauer hier im Norden durchbrach. Weil in zivilisierten Gegenden wie den Zwei Flüssen die meisten Leute zu dieser Zeit ihr Mittagessen einnahmen, begegnete ihnen zunächst niemand. Sie waren jedoch fast am breiten und stabil wirkenden Tor angelangt, als ihnen eine junge Frau auf einem schlanken Grauschecken entgegen trabte. Verblüfft erkannte Mat, dass die Frau eines der hautengen Gewänder der Domani trug, welche so gut wie nichts der Phantasie überließen. Außer einem höflichen Nicken, das er mechanisch erwiderte, schenkte die Frau ihnen allerdings keine Beachtung, als sie an ihnen vorbei in Richtung Wachhügel weitertrabte.

„Nicht erwarten, zu treffen Domani hier.“ meinte Bayle nachdenklich, und blickte ihr hinterher, bis Egeanin ihm unsanft in die Seite knuffte. Mat selbst erinnerte sich daran, dass er ein verheirateter Mann war und richtete seine Aufmerksamkeit wieder auf die nähere Umgebung. Zwei Mann hielten am Tor Wache, das sie gerade passierten, und auch sie blickten noch der Domani hinterher. Dann richtete einer von ihnen seine Aufmerksamkeit auf Mat und seine Begleiter und was er sah, ließ ihn blinzeln. „Verzeiht, mein Lord, meine Ladys, aber was führt Euch nach Emondsfeld?“ Eine leichte Verbeugung, die durchaus geübt wirkte, folgte diesen Worten, zusammen mit einem aufmerksamen Blick, der große Wachsamkeit enthielt.

Mat musste lachen, als er die vertraute Stimme mit diesem gereiften Gesicht und Verhalten in Verbindung brachte. Auch wenn er den zweiten jungen Mann nicht erkannte, war doch klar, wen er hier vor sich hatte. „Ich bin kein Lord, Ewin.“ gab er grinsend zurück. Dann jedoch dachte er an Tuon und korrigierte sich. „Oder zumindest musst Du mich nicht wie einen behandeln.“

Ewin Finngar blinzelte erneut und fragte dann ungläubig „Mat? Bist Du das wirklich?“

„Allerdings.“ gab er breit grinsend und mit einem Nicken zurück.

Auch Ewin grinste jetzt breit und trat aufgeregt an seinen Steigbügel heran. „Licht, Mat! Du bist es tatsächlich! Willkommen Zuhause! Stimmt es wirklich, dass Du einen Clanhäuptling der Aiel eigenhändig getötet hast? Und der Stein von Tear, ist der wirklich so groß wie ein Berg, so wie Lord Perrin immer behauptet? Und hast Du wirklich den Grünen Mann getroffen? Du musst mir alles davon erzählen, hörst Du! Ich will alles über Deine Abenteuer hören! Wir haben hier auch Abenteuer erlebt, Mat! Wir hatten unzählige Blasse und Trollocs und auch Weißmäntel hier, aber Lord Perrin hat sie wieder vertrieben, Du hättest dabei sein müssen! Und im Süden, in Altara, glaube ich, haben wir auch gegen Aiel gekämpft, bei einer Stadt, die hieß Molden oder Malden oder so ähnlich. Es waren zehntausende, aber wir haben sie geschlagen! Heiliger Schein des Lichts, es ist schön, Dich wiederzusehen, Mat! Was ist mit Deinem Auge passiert? Hast Du es im Kampf gegen Trollocs oder verschleierte Aiel verloren? Bestimmt steckt eine spannende Geschichte dahinter! Du wirst mir doch alles darüber erzählen, ja? Ja?“

Als Moiraine bei diesen hastig und aufgeregt hervorgestoßenen Worten hell auflachte, schoss Ewin sofort die Röte ins Gesicht und er blickte zu Boden. Mat selbst war hauptsächlich darum bemüht, die Bilder von „Lord“ Perrin aus seinem Kopf zu vertreiben. Eine Schlacht gegen Aiel, die in Altara ihr Unwesen trieben? Konnte es sich um die Shaido handeln? Es sah so aus, als könnte er hier doch noch etwas Interessantes erfahren. Aber jetzt und hier war nicht der richtige Zeitpunkt.

Betont ruhig wandte er sich den jungen Emondsfelder. „Danke für das freundlich Willkommen, Ewin, aber ich fürchte, die Geschichten werden noch eine Weile warten müssen. Ich war gerade in der Nähe, also dachte ich, ein kleiner Besuch hier kann wohl nicht schaden. Ich kann allerdings nicht lange bleiben.“

„Aber Mat...“ Die Enttäuschung war Ewin deutlich anzumerken, doch Mat ließ ihn nicht zuende sprechen, sondern fuhr leise aber eindringlich fort.

„Es ist besser, wenn ich nicht lange hier bleibe, Ewin. Besser für die Zwei Flüsse und auch für Dich. Jedes Wort, das ich zu Dir sage, könnte schon eins zu viel sein und Dich in Gefahr bringen. Ich werde nur kurz ein paar Verwandte und Bekannte besuchen, dann bin ich wieder verschwunden. Vielleicht war es schon ein Fehler, auch nur hierher gekommen zu sein. Es dürfte das beste für alle sein, wenn meine Anwesenheit hier nicht an die große Glocke gehängt wird. Wenn Du mich schon nicht erkannt hast, stehen die Chancen gut, dass auch andere mich nicht erkennen. Falls Dich jemand fragt, wer wir sind oder was wir hier zu suchen haben, sagst Du, dass Lord Grinwell und sein Gefolge...“

Es brauchte eine Weile, bis er Ewin erklärt hatte, was er sagen sollte, und noch einmal doppelt so lange, bis dieser darin einwilligte. Bei der anderen Wache, einem schmalbrüstigen Ghealdaner der von allen nur Jup genannt wurde, obwohl er eigentlich Jadhurep hieß, ging es wesentlich schneller. Für die Goldkrone, die Mat ihm in die Hand drückte, hätte er vermutlich auch behauptet, seine tote Urgroßmutter sei gerade über die Mauer galoppiert, überlegte er belustigt.

Keine halbe Stunde später saß er gemütlich in der Weinquellenschenke und zog genüsslich an seiner Pfeife. Es ging doch nichts über echten Tabak von den Zwei Flüssen! Zwar waren sie auf der Straße einigen Bekannten über den Weg gelaufen – und einer verblüffenden Menge Fremden aus aller Herren Länder – aber auch wenn einige neugierige Fragen gestellt hatten, war er von niemandem erkannt worden. Selbst Meister al'Vere hatte ihn zunächst nicht erkannt, während seine Frau nach einem prüfenden Blick lächelnd ausrief... „Mat? Gepriesen sei das Licht, dass es Dir gut geht! Abell wird so erleichtert sein, Dich gesund wiederzusehen! Willkommen Zuhause, Junge!“ ...bevor sie ihm eine wahrhaft herzerwärmende Umarmung verpasste.

Die Gaststube war kurzerhand zur geschlossenen Gesellschaft erklärt worden, aber trotzdem recht gut gefüllt. Außer seinen Begleitern, den al'Veres und seiner eigenen Familie waren auch Tam al'Thor und die Luhans anwesend, dazu praktisch alle Mitglieder des Gemeinderats sowie Daise Congar. Es hatte ihn mehr als nur ein wenig überrascht, dass sie jetzt hier die Seherin war. Immerhin konnte niemand daran zweifeln, dass sie das dafür nötige Durchsetzungsvermögen besaß. Er fragte sich, was Nynaeve wohl davon halten mochte, und hoffte, dass er es sein würde, der ihr diese Nachricht als erster überbrachte. Ihr Gesicht würde wirklich sehenswert sein! Das war allerdings nicht die einzige Überraschung für Mat gewesen, denn offenbar war Bode auf dem Weg nach Tar Valon, um Aes Sedai zu werden. Angesichts dieser Neuigkeit waren die Berichte über Egwene, die er selbst brachte, für die al'Veres natürlich umso brisanter und er hatte nur eingestanden, dass sie bereits eine Aes Sedai sei. Schon das war für Bran und Marin offensichtlich nur schwer zu verdauen gewesen, auch wenn sie es überspielt hatten. Darüber, wie sie auf die volle Wahrheit reagiert hätten, dachte er lieber nicht weiter nach. Allerdings fragte er sich im Stillen, wie es Bode und den anderen Mädchen aus Emondsfeld wohl gefallen mochte, Befehle von Egwene entgegen zu nehmen. Bei dieser Vorstellung musste er beinahe schmunzeln, aber die Gefahr, seine Schwester und die übrigen könnte im Konflikt um Tar Valon Schaden nehmen, vertrieb derartige Regungen schnell wieder.

Ganz wie erwartet, musste er alle paar Minuten Bilder von Perrin verdrängen, da die Taten von „Lord Perrin Goldauge“ in aller Munde waren. Mat war kaum überrascht, dass sein alter Freund Faile geheiratet hatte. Schon in Tear hatte sich das ja abgezeichnet. Verblüfft war er dagegen, dass diese Schlacht in Altara, bei der die Shaido offenbar endlich ihr verdientes Ende bekommen hatten, nur geführt worden war, um Faile wieder zu befreien. Verblüffend war auch, dass Perrin dazu mit den Seanchanern gemeinsame Sache gemacht hatte. Er vertiefte das Thema jedoch nicht weiter, denn bisher war es ihm gelungen, seine eigene Hochzeit mit Tuon außen vor zu lassen, und so sollte es auch bleiben. Rand allerdings wurde mit keiner Silbe erwähnt. Die traurigen Blicke, die er von Zeit zu Zeit von Tam auffing, enthielten alles, was es darüber zu sagen gab.

Mat überlegte gerade, wie er das Gespräch am besten auf den Weg durch den Schlammpfuhl und die neue Brücke über den Taren bringen konnte, als plötzlich krachend die Tür aufschlug. Zwei dunkelhaarige Männer in mittlerem Alter, die außer Atem wirkten, traten herein und der vordere begann sofort, an Meister al'Vere gewandt, hektisch zu sprechen.

„Verzeiht unser unangekündigtes Eindringen, Bürgermeister, aber es sind Fremde in das Gebiet der Zwei Flüsse eingedrungen und wir müssen sofort...“

Sobald der aufmerksam über die Anwesenden schweifende Blick des Mannes auf Mat fiel, weiteten sich dessen Augen und er verstummte. Seine Hand schoss reflexhaft zu dem langen Jagdmesser, das er an der Seite trug. Sein Begleiter, der ihm fast wie ein Zwilling ähnelte, reagierte auf dieselbe Art, fast als wäre er sein Schatten. Auch er wirkte sichtlich verblüfft, Mat hier vorzufinden. Beide Männer waren gekleidet wie einfache Jäger, aber ihre Haltung zeigte deutlich, dass es sich um erfahrene Soldaten handeln musste. Vielleicht sogar um Offiziere. Das war in Mats Augen so offensichtlich, als trügen sie das Wort „Soldat“ mitten auf der Stirn. Und sie waren schnell. Er hätte nicht erwartet, dass ihre Entdecker so rasch hier sein würden. Sicherlich hatten sie ihre Pferde bis zum Äußersten beansprucht, um das zu schaffen. Vanin musste zu demselben Schluss gekommen sein, denn seine Blicke waren nicht sehr freundlich, als er die Neuankömmlinge musterte.

Bevor jemand anders das Wort ergreifen konnte, erhob sich Mat und wandte sich freundlich aber bestimmt an den Mann, der gesprochen hatte. „Fremde gibt es an den Zwei Flüssen heutzutage reichlich, doch ich bin hier keiner. Im Gegensatz zu Euch und Eurem Freund.“ Jetzt setzte der andere Mann zum Sprechen an, aber Mat brachte ihn mit einem strengen Blick zum Schweigen und fuhr rasch fort. Es war entscheidend, dass keiner der beiden anfing, von Brücken über den Taren zu erzählen. Dieses Wissen musste so lange wie möglich der Allgemeinheit vorenthalten werden, wenn der Fluchtweg nicht jeglichen Nutzen verlieren sollte. „Bevor Ihr falsche Schlüsse zieht, oder etwas sagt, das Schäden verursacht, die sich auf alle Bewohner der Zwei Flüsse auswirken können, schlage ich vor, dass ihr euch zu mir gesellt, damit wir diese Angelegenheit bei einem Krug Bier und einer ordentliche Mahlzeit klären können. Sobald ich euch ins Bild gesetzt habe, werdet ihr sicherlich zustimmen, dass dies für alle das Beste ist.“

Die meisten Anwesenden musterten ihn verblüfft, aber er kümmerte sich nicht darum, sondern wandte sich umgehend an Meister al'Vere. „Bran, es wird Zeit für ein Gespräch über eine Angelegenheit, die auf jeden Fall unter Verschluss bleiben muss. Tam, Vater, bitte folgt mir in die Küche. Alle anderen warten hier. Ihr zwei“ er wandte sich im Befehlston wieder an die Männer neben der Tür „kommt auch mit. Und wenn ihr wisst, was gut für euch ist, dann haltet ihr den Mund, bis wir unter uns sind.“

Mat wandte sich in Richtung Küche und beachtete die irritierten Gesichter nicht, mit denen einige der Anwesenden, alles ausschließlich Emondsfelder, ihn jetzt musterten. Seinen Begleitern hatte er alles Nötige bereits auf dem Weg hierher verdeutlicht. Erleichtert stellte er fest, dass alle Benannten ihm umgehend folgten. Das Aroma von frisch gebackenem Brot empfing ihn, sobald er hereintrat. Außer Kratzi, die ihn beim Hereinkommen nur kurz mit ihren Katzenaugen musterte, bevor sie an ihrem derzeitigen Platz vor dem warmen Ofen weiterschlief, war niemand hier. Die Einrichtung war beruhigend vertraut. Nur ein fassähnliches Etwas, das direkt neben der Hintertür stand und entfernt an einen Waschzuber erinnerte, kam ihm nicht bekannt vor. Vermutlich handelte es sich um eine der „erstaunlichen Errungenschaften“, die die Ankunft der vielen Fremden gebracht hatten und von denen Frau al'Vere so begeistert war.

Sobald er die Sachlage geschildert hatte, zeigte sich rasch, dass man seiner Einschätzung zustimmte. Ein zweiter Zugang zu den Zwei Flüssen war nicht auf die leichte Schulter zu nehmen, konnte sich aber als äußerst nützlich erweisen, solange er nicht allgemein bekannt wurde. Ob Beobachter zum Unterstand oder der Brücke geschickt werden sollten, blieb vorerst allerdings unentschieden. Während Tam sich dafür aussprach, war Mat eher dagegen. In Erfahrung zu bringen, ob Außenstehende von der Brücke Wind bekommen hatten, war zwar wichtig, aber eine effektive Wache bedeutete eine Menge zusätzlicher Mitwisser. Bran schlug vor, Perrin die letztliche Entscheidung zu überlassen, und dabei blieb es dann auch.

Erst mitten im Gespräch fiel ihm auf, dass er die Älteren bei ihren Vornamen nannte, aber da diese anscheinend nichts dagegen hatten und er sich vor den beiden Fremden nicht zum Narren machen wollte, machte er so weiter, wie er begonnen hatte, ohne ein Wort darüber zu verlieren. Als er später seinen Vater unter vier Augen darauf ansprach, lachte dieser und erklärte ihm, das sei schon in Ordnung. Für ihn sei sein Sohn jetzt erwachsen genug, um als Mann durchzugehen. Es tat gut, das zu hören, sehr gut sogar. Trotzdem konnte Mat sich auch dann nicht überwinden, ihm von Tuon zu erzählen.

Die zwei Fremden waren tatsächlich Offiziere und hatten ihre eigene Geschichte zu erzählen. Kirunin Bekkar und Naellim Tarander waren beides Hauptleute und auch sonst gab es zahlreiche Gemeinsamkeiten. Gleiches Alter, verwitwet, zwei erwachsene Söhne, die Liste schien endlos zu sein und verblüffte nicht nur Mat, sondern auch immer wieder die beiden Männer selbst, wie diese mehrmals betonten. So stellte sich beispielsweise im Verlauf der Unterhaltung heraus, dass beide schon einmal von einer Aes Sedai gefragt worden waren, ob sie deren Behüter werden wollten, und abgelehnt hatten. Die Anwesenheit Teslyn Sedais hatte Kirunin darauf gebracht, als Bran einmal beiläufig darauf zu sprechen kam.

Der einzige wichtige Unterschied zwischen ihnen war pikanterweise ihre Herkunft. Kam Kirunin aus Tarabon, so war Naellim ein Domani. Unter normalen Umständen hätte dies zweifellos zu erbitterter Feindschaft geführt, aber die Banden aus Drachenverschworenen und auch die Ankunft der Seanchaner hatten alles verändert. Als sie sich in der Wildnis der Ebene von Almoth begegnet waren, führte jeder von ihnen eine Schar Flüchtlinge an, die verzweifelt einen Weg suchten, der sie in Sicherheit bringen konnte. Fasziniert hörte Mat, wie die Besonnenheit der Hauptleute einen möglichen Konflikt im Keim erstickt hatte. Dann hatten sie begonnen, ihre Gemeinsamkeiten zu entdecken und hatten dies als Zeichen genommen, dass sie nur gemeinsam ihre Gefolgsleute in die erhoffte Sicherheit bringen konnten. Kurz darauf hatte ein großer Verband Drachenverschworenen sie in die Verschleierten Berge getrieben und sie hatten in ihrer Not den Übergang gewagt.

Plötzlich war Mat hellwach. Im gleichen Moment, als er erkannte, was dies bedeutete, waren die Würfel in seinem Kopf verstummt. Den Rest des Berichts hörte er nicht einmal mehr, es war klar, dass sie den Übergang auch geschafft hatten, sonst wären sie kaum hier.

Seine Gedanken überschlugen sich. Das war völlig unmöglich! Die Verschleierten Berge waren absolut unpassierbar, das wusste jeder! Er durchkämmte angestrengt seine Erinnerungen nach einer Gelegenheit, bei der jemandem eine Überquerung gelungen war, aber fand nichts. Blut und Asche, jetzt gab es drei Wege, um in das Gebiet der Zwei Flüsse einzudringen! Keiner der anderen schien zu erkennen, was das bedeutete, aber für ihn war es klar zu erkennen: Seine Heimat war Angriffen aus dieser Richtung schutzlos ausgeliefert! Es gab nur einen Weg, der Pass musste geschlossen werden, bevor die Seanchaner ihn entdeckten. So viele Flüchtlinge hinterließen immer Spuren, denen man folgen konnte, immer!



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