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Zeit für ein Gespräch

„Romanda, was willst Du damit andeuten? Es ist schon spät, also drücke Dich gefälligst etwas deutlicher aus.“ Sie bezweifelte, dass es in der Burg viele Schwestern gab, die so mit der ranghöchsten Sitzenden zu sprechen wagten, aber die Gelbe war nur zwei Jahre älter als sie und sie waren fast vier Jahre lang gemeinsam Novizinnen gewesen und fast fünf Jahre gemeinsam Aufgenommene. Davon abgesehen, waren sie ungefähr gleich stark soweit es die Eine Macht betraf. Zwar hatten sie sich nie nahe gestanden und waren in vielen Dingen unterschiedlicher Meinung, aber gegenseitiger Respekt war durchaus vorhanden. Äußerlich gelassen nippte Saerin an ihrem Tee.

Sie waren in ihren Räumen in den Quartieren der Braunen und saßen sich in zwei bequemen Sesseln gegenüber, die gewöhnlich zum Lesen dienten. Romanda beugte sich energisch vor, als sie antwortete. „Du musst das doch verstehen, Saerin. Wir mussten jemanden finden, der nicht an den Kämpfen beteiligt war und...“

Sie hörte nur mit halbem Ohr hin. Sobald sie von der Wahl dieses Mädchens erfahren hatte, hatte sie die gleichen Gründe hinter dieser Wahl erkannt, die die Gelbe ihr jetzt vortrug. Sie wäre leicht zu beeinflussen. Sie wäre folgsam und respektvoll. Sie wüsste nicht, was zu tun wäre. Und natürlich das letzte Argument, welches Romanda nicht aussprach, das aber trotzdem mitklang: Wenn alles schief ginge, wäre sie ein praktisch wehrloser Sündenbock.

„Das Mädchen macht einfach, was sie will.“ kam Romanda schließlich zum Abschluss. „Das dürfen wir ihr nicht weiterhin durchgehen lassen, das musst Du doch auch so sehen, Saerin.“

Noch vor Tagesfrist hätte sie vermutlich zugestimmt. Zu ihrem Erstaunen stellte sie fest, dass sie die verborgene Andeutung jetzt eher wütend machte. Ruhig vergewisserte sie sich: „Du deutest also an, dass jemand anders besser als Amyrlin geeignet wäre als Egwene al'Vere?“

„Natürlich!“ Es klang, als käme etwas anderes überhaupt nicht in Frage. „Sie ist ein Kind, Saerin, ein Kind!“

Egwene al'Vere war alles mögliche, aber mit Sicherheit kein Kind mehr! Außerdem hatte die Weiße Burg nun wirklich genug an Spaltung erlebt, um noch mehr zu brauchen. „Romanda, ...“ begann sie, ohne ihre Stimme zu heben „...wenn ich jemals erfahre, dass Du so etwas gegenüber irgendeiner anderen Aes Sedai noch ein einziges Mal auch nur andeutest, werde ich auf der Stelle dem Amyrlin-Sitz davon Meldung erstatten und fordern, dass man Dich wegen Untreue gegenüber der Weißen Burg Deines Amtes enthebt.“

Der Gelben stand das Erschrecken deutlich ins Gesicht geschrieben. Egwene al'Vere hatte nicht einmal geblinzelt, als sie erkannt hatte, dass die vorgebliche Laras in Wahrheit eine der Verlorenen war! Hatte sie bisher noch Zweifel an der Entscheidung für Egwene gehabt, waren diese jetzt schlagartig verschwunden. Das Mädchen hatte behauptet, keine andere Aes Sedai sei besser als sie für den Amyrlin-Sitz geeignet. Jetzt erkannte sie, dass es tatsächlich so war. Sie war verblüfft, über das warme Gefühl in ihrem Inneren, als sie Egwene jetzt auch endlich innerlich voll als Amyrlin akzeptierte. Sie hatte es in all dem Chaos lange nicht mehr gefühlt und erkannte es kaum wieder: Sie fühlte sich geborgen!

So sollte sich eine Aes Sedai in Gegenwart der Amyrlin fühlen, erkannte sie. Eigentlich hatte sie die Gelbe zurechtstutzen wollen. Ihr drohen wollen, damit sie die Mutter in Ruhe ließ, aber jetzt sah sie ganz selbstverständlich einen anderen, besseren Weg.

„Romanda, sie hat es geschafft, als Gefangene sämtliche Novizinnen und Aufgenommenen allein durch ihre Entschlossenheit hinter sich zu vereinen.“ Sie brauchte sich nicht anzustrengen, ihre Stimme freundlicher klingen zu lassen, es war einfach, was sie jetzt wirklich fühlte. „Sie hat die Herrin der Novizinnen dazu gebracht, es aufzugeben, sie weiterhin zu schlagen, noch bevor sie hier wieder mehr als eine Novizin war.“ Bei der Erinnerung schüttelte sie noch immer ungläubig leicht den Kopf und lachte sogar kurz auf. „Silviana kam persönlich zu mir, stell Dir das vor, und sagte mit grimmiger Miene, ich solle sie ab sofort gefälligst selbst bestrafen, falls es nötig sei. Egwene al'Vere hat so geschickt den Saal der Burg hinter sich gebracht, das Yuriki zu ihr sagte, sie könnte eine Graue sein, wenn sie dafür nicht zu viele Behüter hätte. Mit ihren fünf Behütern – und anscheinend auch mit sämtlichen anderen Behütern der Weißen Burg – kommt sie offenbar mindestens ebenso so gut zurecht, wie Myrelle.“ Es störte sie nicht, dass jetzt auch Bewunderung in ihrer Stimme mitschwang.

Lange Jahre hatte sie daran gearbeitet, nur das durch ihre Stimme auszudrücken, was sie andere wissen lassen wollte. Jetzt jedoch stimmte das, was sie empfand eindeutig damit überein, daher legte sie alle Überzeugung und Wahrhaftigkeit in ihre Stimme, die sie in sich spürte. „Sie hat Tarna Feir davon überzeugt, ihre neue Behüterin der Chronik zu werden – und wir beide wissen, dass es so gut wie unmöglich ist, Tarna von irgendetwas zu überzeugen, das sie nicht selbst will. Sie hat Mattin Stephaneos in wenigen Minuten geschickter um den Finger gewickelt, als jede andere Aes Sedai es meiner Meinung nach hätte schaffen können, schließlich war der ehemalige König von Illian hier wochenlang praktisch ein Gefangener der Roten. Sie hat das Herz der Burg gefunden und sie hat sämtliche Schwarze Ajah und eine Verlorene am selben Tag ganz allein besiegt, Romanda!“ Ihr schwindelte fast, als all dies ihr erneut bewusst wurde. Wie hatte sie noch zweifeln können, der letzte Beweis lag doch keine zwei Schritte entfernt unter ihren Notizen verborgen!

Sie legte, immernoch lächelnd, sanft ihre Hand auf die verkrampfte Schulter der schockiert wirkenden Gelben. „Sie ist jung und wird Fehler machen. Ich für mein Teil werde alles tun, um die Mutter nach besten Kräften zu beraten, damit es möglichst wenige werden, Romanda. Ich bin Dir aufrichtig dankbar, dass Du mich besucht hast, denn erst durch Deine Zweifel ist mir klargeworden, dass dies der beste Weg für für die Weiße Burg, ja, für uns alle ist. Auch Du solltest in Betracht ziehen, der Mutter jede Hilfe bereitwillig anzubieten, zu der Du imstande bist.“

Es hätte keine Zweck, darum zu bitten, sie musste es selbst erkennen, wenn sie dazu in der Lage war. Mit gleichbleibend freundlichem und gelöstem Lächeln erhob sie sich. Die Gelbe wirkte verblüfft.

„Es ist schon spät, Romanda. Ich werde jetzt zu Bett gehen und dabei Trost in der Tatsache finden, dass die Mutter sogar noch meine Träume vor dem Schatten behüten wird, und sicherlich friedlicher schlafen als seit hundert Jahren, obwohl Tarmon Gaidon uns allen noch bevorsteht. Gute Nacht.“

Romanda erhob sich langsam und musterte sie, als hätte sie sie nie zuvor gesehen. Dann drehte sie sich wortlos um und ging. Sie selbst lag keine Minute später in ihrem Bett und schlief sofort ein. Auch im Schlaf blieb das Lächeln auf ihren Lippen. Es war ein wunderbar warmes Gefühl, dass sie von der Mutter behütet wurde und ihre Träume waren friedlich und hoffnungsvoll.

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„Das Protokoll ist mir völlig gleichgültig, Pevara. Was ich wissen will, und zwar sofort, ist wie dieses Mädchen von den Behütern der Roten erfahren hat. Die Nachricht fegt völlig unkontrolliert durch die Korridore der Weißen Burg und morgen früh wird auch noch die letzte Hilfsköchin darüber Bescheid wissen. Drei Rote Schwestern haben bereits in meinem Beisein über die Möglichkeit diskutiert, dass unsere Ajah unter einer Führungsschwäche leidet. Ich war in Hörweite, Pevara. Und keine von ihnen hat sich auch nur im Geringsten deswegen geniert.“ Tsutamas Stimme klang kalt wie Eis, aber in ihrem Gesicht war deutlich deren Wut zu erkennen.

„Ich kann es mir selbst nicht erklären, Erste.“ Das konnte sie wirklich nicht. Es war alles andere als angenehm, wenn die Erste kurz davor war, einem Verrat vorzuwerfen, aber sie war sich keiner wirklichen Schuld bewusst. „Als sie sagte, wie nützlich es wäre, einen Mann dabei zu haben, der die Macht lenken kann, fragte ich sofort, warum. Sie sagte, ein Mann könnte ein Tor völlig unbemerkt in unmittelbarer Nähe der Schwarzen Ajah weben und es wären sogar größere Zirkel möglich. Das ist beides ohne jeden Zweifel wahr, Erste! Ihr müsst es einfach verstehen, es ging gegen die Schwarze Ajah, da war für Zögern keine Zeit!“

„Aber warum hast Du zugelassen, dass er einfach hereinplatzt und alles ausplaudert?“

„Das habe ich nicht, Erste! Er ist einfach besorgt gewesen, als ich von Egwene al'Vere und ihren Aufgenommenen so überraschend abgeschirmt wurde, also klopfte er an und das Mädchen hat ihn hereingebeten. Sie hat sofort gewusst, was er war, Erste, und dann hat sie ihn einfach in die Ecke geschickt! Ich konnte doch nicht ahnen, dass er so reagiert! Er kniete vor ihr nieder und richtete ihr Grüße von Logain aus der Schwarzen Burg aus!“ Sie schauderte bei der bloßen Erinnerung. Niglot schien sich vor ihren Augen von einem Moment auf den anderen in einen folgsamen Gaidin verwandelt zu haben! „Er war wirklich erfreut, sie zu treffen, und schien plötzlich keine Sorge in der Welt mehr zu haben. Ich kann mir das auch nicht erklären, Erste. Und ich bin mir sicher, dass zu der Zeit niemand auch nur im entferntesten daran dachte, er könne mein Behüter sein.“

„Warum hast Du ihn nicht einfach fortgeschickt, sobald Du die Gelegenheit hattest?“ Die Anführerin ihrer Ajah nahm ihren unruhigen Marsch den Raum hinauf und hinunter stirnrunzelnd wieder auf.

„Um Mesaana nur mit Saerin und Beonin gemeinsam zu bewachen, obwohl einer meiner Behüter dabei war? Das kam mir nicht einmal in den Sinn, Erste.“ gab sie wahrheitsgemäß zurück.

„Und als sie ohne Mesaana zurückkam, hat sie es plötzlich einfach gewusst?“ Pevara hatte es bereits oft genug geschildert und soweit sie sagen konnte, war es wirklich so gewesen, ganz gleich wie ungläubig oder sarkastisch die Frage ihr auch gestellt wurde.

„Sie hat ihn ganz beiläufig gefragt, wann ich ihn gefragt hätte, und er hat sofort geantwortet, bevor ich auch nur reagieren konnte. Saerin und Beonin waren da noch völlig ahnungslos, da bin ich mir absolut sicher, Erste, sie wirkten nur ein wenig neugierig. Dann hat sie ihn gefragt, ob es an dem Befehl des Wiedergeborenen Drachen gelegen hätte. Ich konnte doch nicht ahnen, dass sie überhaupt davon wusste!“ Ihre Wangen erröteten erneut, als sie an die Demütigung dachte, die sie in diesem Moment verspürt hatte. Sie hatte den genauen, schrecklichen Wortlaut bereits geschildert, allerdings erst nach heftigem Drängen. Es war einfach alles schiefgelaufen, was schief hatte laufen können. Das Schlimmste war aus ihrer Sicht der ehrlich empfundene Respekt, den er dem Mädchen die ganze Zeit über entgegenbrachte, wo ihr gegenüber nur Misstrauen oder bestenfalls Gleichgültigkeit zu spüren waren. „Ich habe zu keiner Zeit die anderen namentlich erwähnt.“ betonte sie erneut. „Vielleicht hat Tarna... „ Sie brach ab. Das konnte sie sich eigentlich kaum vorstellen, aber es stand außer Frage, dass Tarna ihr tatsächlich alles gesagt hatte. „Ich weiß es doch auch nicht genau, Erste.“ schloss sie und blickte zu Boden.

Als ihre Behüterin der Chronik hatte Tarna natürlich keine andere Wahl mehr gehabt, als Egwene alles zu berichten. Sie gehörte als Elaidas Behüterin der Chronik ja genau genommen schon vorher nicht mehr zu den Roten, wenn man das Burggesetz in Betracht zog. Dennoch gehörte eine gehörige Portion Respekt dazu, dem Mädchen ganz offen alles weiteren Umstände zu schildern. Wenn Pevara ehrlich zu sich selbst war, dann empfand auch sie Respekt für das Mädchen, das jetzt den Amyrlin-Sitz einnahm. Erneut zog der schier unfassbare Strom der vergangenen Ereignisse wie ein Feuer durch ihren Verstand: Die letzte Amyrlin, gezeichnet durch das eigene Blut! Das Herz der Burg! Mesaana! Die Schwarze Ajah! Die fünf vom Schatten befreit! ... Wie Hammerschläge auf einen Amboss schlugen die unglaublichen Ereignisse der letzten Tage unerbittlich auf ihren Verstand ein. Mühsam verdrängte sie diese Gedanken ein weiteres Mal, fasste sich und blickte wieder auf.

„Dieses Mädchen nimmt sich zu viel heraus, nicht einmal die Amyrlin darf es wagen, sich in die Belange der Ajahs einzumischen, und sie bloß ein Kind.“ Bloß ein Kind? Wie konnte Tsutama das nach allem, was geschehen war, noch immer glauben? „Da sie offenbar zumindest ein wenig Vertrauen zu Dir gefasst hat, wirst Du sie genau im Auge behalten, verstanden? Es wird nicht lange dauern, bis sie die ersten Fehler macht, und wir eine bessere für diesen Posten finden. Ich will über alles, was sie tut und lässt, ständig auf dem Laufenden gehalten werden, verstanden?“

„Ja, Erste.“ Und ob sie verstanden hatte. Wenn es nach der Anführerin der Roten ginge, würde sich Egwene al'Vere nicht lange halten. Da sie offenbar entlassen war, verließ sie das großzügig eingerichtete Quartier und ging hinüber in ihr eigenes, wobei sie die teils fordernden und teils neugierigen Fragen, die ihr von anderen Roten gestellt wurden, einfach ignorierte. Als ranghöchste Sitzende der Roten hatte keine der Anwesenden das Recht, irgendetwas von ihr zu fordern.

Sie überlegte, welchen Auftrag ihr Tsutama erteilt hatte, und ihr wurde bewusst, dass sie ihn nicht würde ausführen können, ohne das Burggesetz zu verletzen. Sie sollte auf einen Fehler der Amyrlin warten und ihn dann zum Vorteil der Roten Ajah nutzen? Das war so nahe an Hochverrat, wie eine Anweisung nur sein konnte! Sollten sich nicht alle Schwestern gleichermaßen dafür einsetzen, dass die Mutter möglichst wenige Fehler machte? Stand die Mutter nicht über den Ajahs und galt das für Egwene al'Vere nicht sogar in höherem Maße, als es je für eine Amyrlin gegolten hatte, da sie doch niemals einer Ajah angehört hatte? Hatte die Mutter nicht sogar zugegeben, dass sie Fehler machen würde, und alle Sitzenden – auch sie! - ausdrücklich um Hilfe gebeten, um Fehler zu vermeiden? Und auch die Erste hatte diese verzweifelte Bitte gehört, weil sie sich in Abwesenheit der dritten roten Sitzenden kurzerhand selbst zur Teilnahme zugelassen hatte. Für einen kurzen Moment fragte sie sich, ob Egwene al'Vere das zusammen mit Yuriki so geplant haben könnte, verwarf den Gedanken dann aber als lächerlich. Dazu war schlicht keine Zeit gewesen, außerdem hatte sie Yuriki noch nie zuvor wütend gesehen und hegte keinen Zweifel, dass das angesichts der Sachlage nicht gespielt gewesen war.

Noch als sie wenig später in ihre Decken gehüllt in ihrem Bett lag, wälzte sie die Möglichkeiten in ihrem Kopf hin und her, unfähig, Ruhe zu finden. Wie sie es sah, lief es letztendlich auf eine schlichte Entscheidung hinaus: War sie für den Kurs, den die Erste für die Roten festlegte, oder für den Weg, den Egwene al'Vere für die gesamte Burg einschlug. So betrachtet, fiel ihr die Entscheidung verblüffend leicht, stellte sie fest.

Dass sie noch immer keinen Schlaf fand, obwohl sie durchaus müde war, lag nicht an den Gefühlen ihrer Behüter, die offenbar alle drei seit über einer Stunde fest schliefen. Es lag eher daran, dass ihr Geist plötzlich mit einer Vielzahl von Möglichkeiten beschäftigt war, die aus der getroffenen Entscheidung resultierten. Schließlich stand sie wieder auf, zog sich an und machte sich entschlossen auf den Weg. Es gab viel zu tun.

Das Gefühl von Dringlichkeit weckte ihre Behüter, aber das kam ihr jetzt durchaus entgegen. Es war an der Zeit, Position zu beziehen, und diese drei wären dabei durchaus hilfreich. Sie bemühte sich, die Dringlichkeit stärker zu empfinden, während sie sich dem Erdgeschoss näherte und spürte dann, wie sie ihr entgegen eilten. Dann spürte sie Sorge und wusste instinktiv, dass sie ihr selbst galt. Es war ein seltsam angenehmes Gefühl, wenn jemand sich um einen sorgte. Sie legte einen Schritt zu, ohne auf die respektvollen Verbeugungen der wenigen Diener zu achten, an denen sie vorbei kam. Dann lief sie zwei wachsam wirkenden Behütern über den Weg und trat energisch auf sie zu. „Wo kriege ich so schnell wie möglich drei von diesen Umhängen her?“ Sie zerrte den einen am Ärmel und er wirkte verwirrt und wich vor ihr zurück.

Dafür hatte sie keine Zeit. Ihr kam ein Gedanke und sie zögerte nicht: „Im Namen der Stärksten Mutter, treibt auf der Stelle drei Behüterumhänge auf und bringt sie in mein Quartier, das ist ein Befehl!“

Ihre Augen weiteten sich verblüfft, aber sie rannten sofort los, schon besser. Es war offenbar doch ganz nützlich, dass sie sich in der Vergangenheit näher mit den Gaidin beschäftigt hatte. Die Prophezeiung war erfüllt und auf Befehle im Namen der Stärksten Mutter hin würde vermutlich jeder einzelne von ihnen springen, wenn sie „Hüpf“ sagte. Sie spürte ihre Behüter näherkommen und eilte ihnen entgegen, Ärger mit der Burgwache war das letzte, was sie jetzt gebrauchen konnte.

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Es war irgendwie unheimlich, wie gelassen Egwene ihn anblickte. Er fragte sich, ob das an dieser seltsamen bunten Kleidung lag, die ihren gesamten Körper außer dem Gesicht bedeckte. Ihm wurde bewusst, dass er die Kurven betrachtete, die sich unter dem hautengen Stoff deutlich abzeichneten und er richtete seinen Blick schnell wieder auf Egwenes Gesicht. Nur ein paar Strähnen ihres Haars lugten vorne unter der eng anliegenden Kapuze hervor. Auf seinem Weg zur Burg hatte er manchmal Gefühle von ihr wahrgenommen, doch immer nur sehr kurz und völlig ohne Zusammenhang, war das normal? Er hatte nach den Erzählungen der übrigen Behüter geglaubt, ständig wechselnde Gefühle Egwenes wahrnehmen zu können, statt immer nur derselben Gelassenheit und Konzentration.

Auf der anderen Seite hatten ihn ihre Gefühle, als sie zusammen allein gewesen waren, fast umgeworfen. Es konnte keinen Zweifel geben, dass sie ihn genauso liebte, wie er sie.

Plötzlich war die Gelassenheit verschwunden und er spürte, abgesehen von einer Liebe, die der seinen in nichts nachstand, vor allem Verlegenheit. Egwene senkte den Kopf und ihre Wangen röteten sich. „Tut mir leid.“ murmelte sie. „Aber im Umgang mit den anderen ist es irgendwie angenehmer, wenn sie nicht wissen, was ich fühle.“

„Du kontrollierst, was Du fühlst?“ fragte er überrascht. Er hatte nicht gedacht, dass das überhaupt so möglich war wie sie es offenbar konnte, sondern vermutet, dass sie ihre Gefühle abschirmte, so wie es andere Schwestern taten.

Sie versuchte, es ihm zu erklären, sprach von einer Welt der Träume und den Weisen Frauen der Aiel, aber wirklich verstehen konnte er das alles nicht. Was beim Licht war eine Traumgängerin? Sie musste das fühlen, denn nach kurzer Zeit unterbrach sie die Erklärung und sagte stattdessen: „Ich wünschte, ich hätte die Zeit, Dir das alles in Ruhe zu erklären, Gawyn, aber das habe ich nicht.“ Das Bedauern, das er von ihr spürte, war sehr stark. „Außerdem ist es zu gefährlich, wenn Du zu viel in meiner Nähe bist, man wird versuchen, mir zu schaden. Jetzt, wo Mesaana meine Gefangene ist, noch mehr als zuvor schon. Ich kann mich selbst beschützen, Gawyn.“ Sie musste seine Sorge natürlich gespürt haben. Er erkannte jetzt, dass sie nicht Angst vor der Verlorenen gehabt hatte, sondern um ihn. Dabei war er es doch, der sie beschützen musste! Es war nicht leicht, die Gefühle zu deuten, die er von Egwene spürte. „Aber ich weiß nicht, ob ich auch Dich beschützen kann, wenn bekannt wird, was ich für Dich empfinde. Außerdem liegt Deine Pflicht in Andor. Ich werde Dich so schnell es geht zu Elayne schicken, Gawyn.“ Er fühlte ihren Schmerz bei diesen Worten, aber das Gefühl von Notwendigkeit war eindeutig stärker.

„Jetzt gleich?“ wollte er wissen und bemühte sich, zumindest äußerlich ruhig zu bleiben. Er sah ja ein, dass sie recht hatte, aber…

„Das Licht weiß, dass ich es sofort tun sollte, aber ich kann es nicht.“ Sie erhob sich anmutig und trat um den Tisch herum auf ihn zu. Licht, war sie schön!

Er war sicher gewesen, dass sie ihn hatte küssen wollen, aber dann wich sie etwas zurück und er spürte ganz kurz starke Eile und dann wieder diese Konzentration. „Was will der denn jetzt.“ murmelte Egwene und blickte zur Tür.

Nur einen Moment später trat Salak Turvalis ein und schritt energisch auf sie zu. „Es ist Zeit für ein Gespräch, Stärkste Mutter. Selbst wenn Ihr keinen Schlaf braucht, trifft das auf mich und die anderen nicht zu.“

„Salak, hat das nicht Zeit...“ begann Egwene, aber er nahm sie einfach am Arm und zog sie etwas zur Seite, wobei er laut und deutlich „Lauschschutz“ sagte und ihn selbst keines Blickes würdigte.

Etwas ratlos, was er jetzt tun solle, beobachtete Gawyn, wie der Mann zu gestikulieren begann und offenbar so schnell etwas erklärte, dass Egwene nicht einmal zu Wort kam. Schließlich runzelte sie die Stirn und schien eine Frage zu stellen. Salak nickte eifrig und redete weiter auf sie ein. Schließlich grinste er und deutete auf ihn. Egwene folgte seinem Blick und dann war sie plötzlich verschwunden!

Das heißt, sie stand natürlich nach wie vor da und er wusste auch mit geschlossenen Augen, dass er sie überall finden würde, aber die Konzentration und das Gefühl für ihren Körper waren völlig verschwunden! Dann war es wieder da und er fühlte vor allem starke Verlegenheit bei ihr. „Danke, Erster Behüter.“ sagte sie ernst, offenbar war der Lauschschutz wieder verschwunden.

Salak verbeugte sich galant - Gawyn bezweifelte, dass er es so anmutig gekonnt hätte - und verabschiedete sich mit einem „Stets zu Diensten, Stärkste Mutter.“ bevor er wieder ging.

„Was...?“ bevor er die Frage zuende stellen konnte, trat sie auf ihn zu und küsste ihn, was vorerst alle übrigen Fragen aus seinem Verstand verdrängte.

Als sie sich zu seinem Bedauern wieder von ihm löste, sagte sie „Es klappt, sie haben nichts mitbekommen! Gawyn, es hat geklappt!“ Ihre freudige Aufregung war ihm ein völliges Rätsel.

„Ja, was denn, Egwene?“

Ihr Grinsen war so echt, wie ihre Freude sich anfühlte. „Meine Behüter, sie fühlen nicht mehr alles, was ich fühle! Tatsächlich fühlen sie jetzt so gut wie garnichts mehr, Gawyn! Ich kann jetzt meine Gefühle vor ihnen abschirmen.“

„Im Ernst?“ Wie hatte ein Mann ihr das beibringen können? Allerdings war er ja auch nicht irgendjemand, sondern Salak Turvalis, wer wusste schon, was der Mann von seinen vielen Aes Sedai alles gelernt hatte.

„Es ist noch nicht perfekt, also sollte ich es noch ein wenig üben.“ Sie küsste ihn erneut. Diesmal gab es für ihn keinen Anlass mehr, sich zurückzuhalten und seine Unsicherheit wegen ihrer anderen Behüter nahm schnell ab. Sie atmete deutlich schneller, als sie sich dieses Mal trennten, und ihre Wangen waren so gerötet, wie die seinen vermutlich auch. Nach dem, was er von ihr spürte, gingen ihr gerade einige sehr unanständige Gedanken durch den Kopf. „Ich frage mich, ob die Gaidin mein Schlafzimmer auch so umdekoriert haben, wie den Thronsaal. Sollen wir mal nachsehen?“ Sie blickte zu der Tür, die der Eingangstür gegenüberlag und lief darauf zu.

Sie meinte es tatsächlich ernst! Schnell folgte er ihr, holte sie aber nicht ein, weil sie hier wie im Wald einfach zu flink für ihn war, sondern trat erst nach ihr in den Raum. Er war behaglich eingerichtet, ein Feuer brannte im Kamin an der Seite und angenehme Bilder und Teppiche mit glücklichen Szenen aus Vergangenheit oder Zukunft hingen an den Wänden ringsum. Das alles nahm Gawyn jedoch nicht bewusst war, alles, was er sah, war Egwene, die in ihrem schimmernden Anzug bereits seitlich auf dem Bett lag.

Er lachte unwillkürlich. „Willst Du darin schlafengehen?“

Auch sie lachte. „Es geht nicht anders, ich kann die Rüstung des Lichts nicht ablegen.“

Das musste ein Scherz sein! Allerdings fühlte es sich nicht wie einer an. „Und wie sollen wir dann...“ er hatte beim besten Willen keine Ahnung, wie er diesen Satz beenden sollte, sondern verstummte errötend.

Sie grinste breit. „So!“ sagte sie und fühlte sich an, als würde sie gleich erneut loslachen. Sie tippte kurz mit dem Finger auf eine Stelle an ihrem Schenkel. „Jetzt ist die Rüstung durchlässig.“ erklärte sie und fuhr mit dem Finger weiter über ihren Schenkel.

„Im Ernst?“ Sie wirkte völlig unverändert.

Egwene schüttelte leicht den Kopf und ihr Haar schien durch den Stoff dieser seltsamen Rüstung hindurch zu wallen und fiel offen auf ihre Schultern. Das war unglaublich! Dann wurde ihr Grinsen zu einem unwiderstehlichen Blick und in Verbindung mit ihren Gefühlen hatte er keinerlei Zweifel, was sie mit ihm vorhatte.

„Das hier wird Dir ganz besonders gefallen, Gawyn.“ schnurrte sie und ihr Finger wanderte vom Schenkel über ihren Bauch. Von einem Augenblick zum anderen war sie vollkommen nackt! Sein Unterkiefer klappte bei dem Anblick unwillkürlich herunter und sie lachte. „Komm schon her zu mir, Du süßer Wollkopf!“


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