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Interessantes über Behüter

Egwene wandte sich wieder an die Sitzenden. „Verknüpft Euch jetzt zu Zirkeln mit je fünf Schwestern für Euren Einsatz bei der bevorstehenden Vollversammlung. Macht die Zirkel etwa gleich stark, Eure Ajahs sind mir egal.“ Das würde sie eine Weile beschäftigen, immerhin waren dies Aes Sedai. „Ich werde, bis ihr soweit seid, ein paar Worte mit meiner Behüterin der Chronik wechseln.“ Alle konnten sehen, wie ihr Lauschschutz jetzt nur noch Tarna und sie selbst umgab.

„Damit haben wir wohl endlich Zeit für eine ernsthafte Unterhaltung, Mutter.“ meinte Tarna und ihre Lippen zuckten fast unmerklich. „Und mehr als genug, würde ich meinen.“ Die sechs Gelben und die fünf Grünen hatten sich bereits verknüpft, allerdings war der Zirkel der Grünen trotz Romandas Anwesenheit bei den Gelben auch ohne eine sechste fast doppelt so stark.

„Glaubst Du sie haben schon bemerkt, dass man neunundzwanzig nicht durch fünf teilen kann?“ gab sie gelassen zurück und die Lippen der Roten zuckten erneut. Plötzlich wurde ihr bewusst, dass sich zwei ihrer Behüter rasch näherten. „Wir haben nicht so viel Zeit, wie Du glaubst, Leane und Siuan werden bald hier sein. Ich bezweifle, dass sich noch allzu viele Schwarze Ajah unter denen befinden, die an der Vollversammlung teilnehmen, aber wir müssen sichergehen, also muss der Eidstab ein weiteres Mal herhalten.“ Sie beobachtete, wie einige der Sitzenden sich laut zu streiten schienen, fragte sich, wie sie mit diesen Frauen in der Weißen Burg jemals vernünftige Diskussionen führen sollte, geschweige denn Tarmon Gaidon gewinnen, und fuhr dann grimmig fort. „Ich frage mich allmählich, wie diese Frauen jemals Aes Sedai werden konnten. Wie dem auch sei, Tarna, was kannst Du mir auf die Schnelle über die machtlenkenden Behüter der Roten sagen? Übrigens kannst Du mich Egwene nennen, wenn wir unter uns sind.“ Es war ihr sofort klar gewesen, dass die Rote äußerst nützlich für sie sein würde. Die Blicke, die einige Sitzende, darunter Lelaine und Romanda, ihr immer wieder zuwarfen, sprachen Bände. Sie erkannte darüber hinaus jedoch langsam, dass sie die Frau wirklich mochte, und sie glaubte auch, dass dies durchaus auf Gegenseitigkeit beruhte.

Ihre Behüterin der Chronik seufzte, verzog jedoch keine Miene. „Ich war kaum zurück in der Burg, als ich Pevara gegenüber den Vorschlag machte...“

Sie berichtete in kurzen und gut überlegten Sätzen, hatte sich offenbar bereits vorher Gedanken darüber gemacht, was sie auf diese Frage antworten würde. Natürlich hatte sie früher oder später kommen müssen. Während Tarna selbst nur zwei Männer aus der Schwarzen Burg mitgebracht hatte, banden die übrigen fünf je drei, so dass von Rands siebenundvierzig noch dreißig blieben. Fünf für jede Ajah, das passte ausgezeichnet, denn es waren ja auch fünf Rote – Tarna selbst war schließlich Behüterin der Chronik und zählte daher nicht mit. Egwene war kaum überrascht zu hören, dass es Pevara gewesen war, die gegenüber Mazrim Taim das Wort geführt hatte. Geradezu schockiert war sie hingegen, als Tarna dessen Lachen und das angebliche Sprichwort erwähnte. Sie erkundigte sich nach dem genauen Wortlaut und die Rote wiederholte es genauso, „Möge der Herr des Chaos regieren.“ und fragte dann „Sagt Dir das irgendwas, Egwene?“

„Nichts, woran ich jetzt etwas ändern könnte, Tarna, „Herr des Chaos“ ist ein Name, der manchmal für den Dunklen König benutzt wird. Aber auch wenn Mazrim Taim offenbar ein Schattenfreund ist, gibt es heute nichts mehr, was wir deshalb unternehmen könnten. Ich werde mich heute Nacht darum kümmern, dass die Nachricht Rand und möglichst auch Logain erreicht. Logain Ablar war doch in der Schwarzen Burg, oder?“

„Er war nicht da.“ antwortete die Rote und vertrieb mit einiger Mühe ein Stirnrunzeln. „Er scheint viel unterwegs zu sein und nur selten in der Schwarzen Burg. Angeblich war er im Auftrag des Wiedergeborenen Drachen unterwegs, als wir dort waren. Ehrlich gesagt, war ich froh, ihn nicht auch noch dort zu finden.“ gab sie zu.

Ihre Behüter wären in spätestens einer Minute hier! „Weiter im Text, Tochter, was geschah dann?“

„Ha!“ lachte Tarna trocken auf. „Die anderen haben einfach jeden Mann in schwarz gefragt, der uns über den Weg lief, damit wir schnell wieder verschwinden konnten. Als wir dann endlich mitbekamen, warum jeder sofort ja sagt, war es fast zu spät. Ich war die einzige, die noch keinen Behüter hatte. Von allen Seiten kamen neugierige Männer in schwarz heran und starrten uns an wie Kuriositäten in einem Wanderzirkus. Es waren auch viele Frauen da und die Kinder haben mit Fingern auf uns gezeigt.“

„Was ist passiert?“ fragte sie neugierig. Nach Rands Abkommen hatte natürlich keiner ablehnen dürfen, aber sie spürte, dass da noch etwas kam.

Tarna schnaubte. „Ich habe laut gerufen „Wer ist hier der Stärkste in der Macht?“ und einer rief sofort „Ich!“ und ein zweiter „Nein, ich!“, noch lauter. Und alle lachten! Da musste ich sie einfach nehmen, oder? Ich konnte sie doch nicht so herumlaufen lassen, Mutter. Egwene, meine ich.“ Die Rote schüttelte leicht den Kopf und hob etwas Schultern.

„Sind sie wirklich so stark?“ fragte Egwene sofort.

„Ich habe keine Ahnung, Egwene. Es sind Männer, die Saidin lenken können!“ Ein weiteres Kopfschütteln. „Sie behaupten sogar allesamt, Saidin sei jetzt wieder sauber; seit dem Tag, als irgendwo westlich von hier genug Saidar und Saidin gelenkt wurde, um die Welt zu spalten!“

„Merana hat das auch behauptet, als Rand sie wegen des Abkommens zu den Rebellen geschickt hat. Sie hat ebenfalls einen von ihnen als Behüter gebunden, es scheint also tatsächlich zu stimmen.“ Sie schenkte weder Siuan und Leane, noch ihren Behütern die geringste Aufmerksamkeit, als sie auf die Lichtung ritten. Unglaublich, falls Rand wirklich ein solches Wunder bewirkt habe sollte! „Wir haben einige Schwestern durch Tore zum Ort des Geschehens geschickt, als es sicher genug schien. Shadar Logoth ist völlig vom Erdboden verschwunden. Ich kann mir durchaus vorstellen, dass Rand diesen Ort wählen würde, wenn er einen Versuch macht, Saidin zu reinigen.“ Dann seufzte sie leise und sagte „Zurück zum Geschäft!“, bevor sie den Lauschschutz wieder um die gesamte Lichtung legte und sich an die Neuankömmlinge wandte.

„Na endlich, ihr habt wohl unterwegs Blumen gepflückt!“

Angesichts ihres strengen Tonfalls öffneten alle vier den Mund, aber Siuan sprach als erstes. „Mutter, ich war...“ Egwene unterbrach sie sofort.

„Ich kann mich nicht erinnern, Dich etwas gefragt zu haben, Tochter. Anscheinend hattest Du als ich weg war einen kleinen Rückfall in alte Gewohnheiten.“ Jeder auf der Lichtung hörte ihnen jetzt aufmerksam zu.

Siuan schlug die Augen nieder und wirkte ernsthaft betroffen. Egwene glaubte nicht, dass das gespielt war. Sie bemerkte ein leichtes Lächeln bei Leane, die offenbar zu erkennen glaubte, was sie versuchte.

„Was gibt es da zu grinsen?“ Leane zuckte tatsächlich leicht zusammen! Auch sie blickte rasch zu Boden und murmelte nur leise „Verzeiht, Mutter.“

„Ihr beide seid lange genug herumgerannt, ohne an die drei Eide gebunden zu sein, kommt sofort her.“ Auf beiden Gesichtern zeigte sich eine Mischung aus Staunen und Entsetzen, als sie den Eidstab beiläufig ausstreckte. Staunen zweifellos, weil sie es geschafft hatte, ihnen die drei Eide wieder zu ermöglichen, die sie zu wahren Aes Sedai machten. Entsetzen, weil ihr Geheimnis jetzt keines mehr war; Romanda und Lelaine sahen aus wie vom Blitz getroffen und sicherlich würden sie alles dafür tun, die beiden dafür büßen zu lassen, gelogen zu haben. Im Moment jedoch war es wichtiger, zu zeigen, dass sie keine Favoriten hatte.

Siuan eilte herüber und streckte die Hand aus, aber Egwene zog den Stab noch einmal zurück. „Leiste nur einen Schwur: Dich an die Drei Eide der Aes Sedai zu halten, verstanden? Ich habe nicht den ganzen Tag Zeit, Tochter“ Dann hielt sie die Eidesrute wieder nach vorn und Siuan zögerte nicht.

„Ich schwöre, mich an die Drei Eide der Aes Sedai zu halten.“ Auch Siuan Sanche selbst wirkte misstrauisch, aber Egwene war sich sicher, dass es so funktionieren würde.

„Jetzt sage, dass die Asche dort weiß ist!“ forderte sie.

Die ehemalige Amyrlin blinzelte überrascht, öffnete aber dann den Mund und versuchte, dem Befehl zu gehorchen. „Die Asche ist w...“ weiter kam sie nicht, sondern krümmte sich zusammen und schnappte nach Luft. „Es hat funktioniert, Mutter.“ Sie klang verblüfft, dabei war dies ihre eigene Idee gewesen. Offenbar hatte sie sich wieder gefangen..

„Wandelst Du wahrhaftig im Licht, Tochter?“

„Ja, das tue ich, Mutter!“ gab sie sofort energisch zurück und Egwene hielt den Eidstab in Richtung Leane, ohne ihr weitere Beachtung zu schenken. Auch Leane leistete nur den einen Eid, der alle Drei umfasste, und bestätigte natürlich, im Licht zu wandeln, Pevara hatte sie ja bereits geprüft.

„Mutter, diese beiden...“ Egwene unterbrach Romanda, indem sie eine Hand hob und sie streng anblickte. Zufrieden stellte sie fest, dass die Gelbe nicht mehr vom Leuchten Saidars umgeben war, genau wie zahlreiche andere Schwestern. Sie schirmte diese ab, während sie das Wort ergriff und sich an alle Sitzenden zugleich wandte..

„Ich sehe nur einen einzigen Zirkel mit fünf Schwestern und die Hälfte von Euch hält nicht einmal mehr Saidar, befolgt ihr so die Befehle der Amyrlin?“ Sie spürte, wie die abgeschirmten Schwestern gegen die Schilde pressten, hielt aber stand, ohne mehr Saidar zu lenken, als sie es auch ohne den Sa'angreal konnte. „Alle, die jetzt noch Saidar halten, bilden zwei Zirkel. Die rechte Seite...“ Sie deutete mit beiden Armen zuerst nach vorn und teilte so die Schwestern vor ihr in zwei Hälften, wies dann auf die Schwestern zu ihrer Rechten, wobei ihr linker Arm vorne blieb „...schließt sich Siuan an und...“ sie deutete mit dem linken Arm auf die übrigen „...die linke Leane. Jetzt sofort.“ Ihrem B efehl wurde umgehend Folge geleistet. Sie wünschte, es könnte zukünftig immer so sein, bezweifelte es aber stark.

„Siuan, Leane, es wird Zeit, Eure Fehler der Vergangenheit wieder gut zu machen, auch wenn ich nicht an Euren guten Absichten dabei zweifle. Ihr stellt Euch mit den Schwestern Eurer Zirkel an gegenüberliegenden Seiten außerhalb des Lauschschutzes auf, den ich gleich bei der Vollversammlung weben werde.“ Auf diese Weise wären sie nicht abgelenkt durch das, was auf dieser Versammlung vielleicht besprochen wurde. „Schirmt jede Aes Sedai außer den hier Anwesenden ab, wenn sie nach Saidar greift. Alle, die jetzt abgeschirmt sind, verteilen sich unter den übrigen Schwestern und greifen nicht nach der Einen Macht, außer natürlich, eine der Schwestern in ihrer unmittelbaren Nähe tut es zuerst. Ich brauche Euch sicher nicht zu sagen, dass jede Schwarze Ajah, die dann noch zu entkommen versucht, es zumindest nicht leicht haben wird.“ Sie blickte sich um. Da niemand mehr versuchte, den Schild zu durchbrechen, ließ sie alle fallen. „Irgendwelche Einwände? Nein? Gut, dann los.“

Sie wob ein Tor zum Reisezelt und trat sofort hindurch. Das Tor, welches zum Saal der Burg führte, stand jetzt offen neben ihrem und Saerin trat hindurch, hinter der sich viele weitere Aes Sedai versammelt hatten.

Die Braune nickte Egwene leicht zu, bevor sie das Wort ergriff: „Mutter, ich hielt es für besser, auf Eure Rückkehr zu warten, bevor wir einfach in das Lager der Rebellen stürmen.“

„Gut überlegt, Tochter.“ Saerin lächelte kurz und runzelte dann ebenso kurz die Stirn, bevor sie wieder ihre übliche Gelassenheit zeigte.

Egwene glaubte zu wissen, was sie empfand: Das Lob hatte sie erfreut, ganz wie es jeder Schwester bei einem Lob der Amyrlin ginge, aber verstandesmäßig hatte sie Egwene noch immer nicht völlig akzeptiert, daher wunderte sie sich zwangsläufig über sich selbst. Es war kaum wahrscheinlich, dass außer ihr jemand diese kurzen Gefühlsregungen mitbekommen hatte, dafür hielten die meisten einen zu großen Abstand.

Mit ruhiger Stimme fuhr die Braune fort. „Auch hielt ich es für angebracht, dass zumindest einige Schwestern in der Weißen Burg bleiben, Mutter. Die zehn Rebellinnen werden in der Weißen Burg die Stellung halten, wenn es Euch recht ist.“

Egwene gab dazu nickend ihr Einverständnis und sagte nur „Folgt mir, Töchter.“ bevor sie aus dem Zelt trat. Der Platz vor dem Zelt konnte all die Leute, die sich hier versammelt hatten, kaum fassen. Aes Sedai, Novizinnen, Behüter, ein paar Soldaten und sogar Diener und Köchinnen standen dicht gedrängt und versuchten, einen Blick auf sie zu erhaschen – oder zumindest auf das, was sich hier Interessantes abspielen mochte. Es bildete sich rasch eine Gasse, als sie gelassen etwa in die Mitte des Platzes trat.

„Na schön, dann mal los.“ meinte Egwene leise an Tarna gewandt, bevor sie sich an Sharina wandte, die ihr befehlsgemäß dichtauf gefolgt war.

„Zehn Schritt sollten reichen.“ Sofort glitt sie nach oben und die Menge verstummte nach und nach.

Sie wob etwas Saidar und ihre Stimme hallte weit über den Platz „Dies ist eine Vollversammlung der Weißen Burg. Nur Vollschwestern haben Zutritt, Behüter sind ausnahmsweise zugelassen, alle übrigen verlassen umgehend den Platz.“ Es dauerte eine Weile, bevor alle dem nachkamen. „Was ist mit der hier, Mutter?“ wollte Saerin von unten her wissen und deutete auf Sharina.

„Diese Aufgenommene ist ab sofort meine persönliche Adjutantin, sie bleibt. Hast du Nicola gesehen?“ Sie sprach nicht in das Gewebe vor ihr, ihre Stimme erreichte nur die Umstehenden in dieser Lautstärke.

„Ich bin hier, Mutter.“ rief Nicola. Anscheinend hatte sie sich von der Weißen Burg abgesetzt und sich dann hier unauffällig unter die Leute gemischt, um auf sie zu warten. Sie zeigte Initiative, das musste man ihr lassen, aber wer gab jetzt auf die Novizinnen acht? Bevor sie danach fragen konnte, stand Nicola schon unter ihr und begann nach einem angemessen Knicks zu sprechen.

„Alle Novizinnen und Aufgenommenen in der Weißen Burg üben Zirkel im Speisesaal, bis ihr etwas anderes befehlt, Mutter. Ich dachte, das solltet ihr wissen, Mutter.“

„Danke, Tochter. Ich ernenne Dich hiermit zur Aufgenommenen und neben Sharina zu meiner zweiten Adjutantin, bleibe in meiner Nähe, wenn ich keine anderen Anweisungen gebe.“

„Ja, Mutter. Vielen Dank, Mutter.“ Keinerlei Gefühl zeigte sich in der kraftvollen Stimme, sie hatte richtig entschieden, sie zur Aufgenommenen zu ernennen, befand sie. Nicola gesellte sich zu Sharina, welche sie mit Verwunderung betrachtete. So reif hatte sie Nicola mit Sicherheit nicht in Erinnerung. Dann ließ Egwene ihren Blick über die versammelten Schwestern und Behüter schweifen. Alle anderen hatten den Platz geräumt und beobachteten alles von außerhalb eines leeren Ringes, der die versammelten Schwestern und Behüter jetzt umgab. Sie wob einen undurchsichtigen Schild um den ganzen Platz. Viele Schwestern rissen ungläubig die Augen auf, dafür brauchte sie enorme Mengen an Saidar, auch wenn sie natürlich noch deutlich mehr zur Verfügung hatte. Sie band diesen Schild sofort ab und wob einen Lauschschutz, der etwas kleiner war und den sie festhielt. Sofort drängelten sich Siuan und Leane durch die Menge und stellten sich zu ihrer rechten und linken außerhalb des Lauschschutzes aber innerhalb des Sichtschutzes auf. Die für alle deutlich sichtbar mit ihnen verknüpften Schwestern folgten ihnen nur wenig langsamer und alle wurden recht misstrauisch beobachtet.

„Tarna?“ rief sie gelassen nach unten und die Rote reagierte sofort.

Mit einem eigenen Gewebe, dass ihre Stimme verstärkte, verkündete die Rote ruhig: „Hiermit eröffne ich die Vollversammlung. Das Protokoll ist bereit, Mutter.“ Kurz und bündig, genau richtig für diese Gelegenheit. Sie hielt tatsächlich Papier mit Strängen aus Luft vor sich fest und begann zu schreiben. Allerdings schenkte sie ihrer Tätigkeit keine weitere Aufmerksamkeit, sondern blickte sich stattdessen gelassen um.

Egwene begann betont ruhig. „Ihr werdet jetzt alle, sofern ihr nicht bereits anders lautende Befehle von mir bekommen habt, Saidar loslassen und nicht wieder ergreifen, bis ich es Euch erlaube. Wer nicht sofort Saidar loslässt, wird auf der Stelle von mir persönlich wegen Verrat an der Weißen Burg gedämpft.“ Hastig ließen alle Aes Sedai, die sie gerade lenkten, die Macht fallen – sogar Saerin! Sie blickte kurz nach unten, hob eine Braue und schnell war die Braune wieder vom Leuchten Saidars umgeben, während ihre Wangen sich etwas röteten.

„Aes Sedai der Weißen Burg, in den letzten Tagen ist viel passiert. Beim ersten starken Ausbruch Saidars in der Weißen Burg, den ihr zweifellos gespürt habt, ist es mir gelungen, die Verlorene Mesaana gefangen zu nehmen. Sie befindet sich gegenwärtig in der Weißen Burg in Gewahrsam.“ Fast alle Schwestern schnappten erschreckt nach Luft. „Während des zweiten Ausbruch Saidars, den ihr gespürt habt, ist es mir gelungen, vierunddreißig Schwarze Ajah gefangen zu nehmen, die in der Weißen Burg eine Vollversammlung durchführten.“ Furcht stand auf den meisten Gesichtern und es gab einige erschrockene Ausrufe, aber sie fuhr unbeeindruckt fort. „Bereits zuvor war es einigen der hier anwesenden Sitzenden gelungen, vier weitere Schwarze Ajah unter ihre Kontrolle zu bringen. Nur dadurch habe ich überhaupt von dieser Versammlung erfahren, welche in den Kellern der Weißen Burg stattfand. Da die Existenz der Schwarzen Ajah jetzt so drastisch bewiesen werden konnte, muss ich absolut sichergehen, dass jede einzelne von Euch im Licht wandelt.“ Da jetzt sämtlich Gesichter gleich überrascht und angstvoll dreinblickten, war es unmöglich zu sagen, ob einige vielleicht Schattenfreundinnen wären. „Zu diesem Zweck wird jede einzelne von Euch jetzt den ersten Eid erneut ablegen und dann den Satz sagen „Ich wandle wahrhaftig im Licht“, so“ sie tat es selbst. „Alle, die jetzt noch hier die Macht lenken, haben dies bereits getan und stehen Wache. Sobald Eure Überprüfung beendet ist, ergreift ihr Saidar, bildet nach und nach weitere Zirkel und wartet außerhalb des Lauschschutzes. Fangen wir sofort an, sonst dauert es ewig. Sharina?“

Sie glitt nach unten. Einige Aes Sedai drängten sich förmlich darum, den Eidstab zu ergreifen. Sie hielt sie mit der Macht zurück und ließ sie nur einzeln heran, sie musste auf der Hut bleiben. Es dauerte fast zwei Stunden und keine weigerte sich oder stellte sich als Schwarze Ajah heraus. Sorgfältig ließ sie zusätzlich jede Aes Sedai außer den Grünen Ajah ihre Hand auf den grünen Vakara legen und obwohl ihre Rüstung nicht sichtbar war, sah sie feine Stränge diese Hände umfangen und war sich sicher, jede einzelne von ihnen sei jetzt registriert und verfüge damit über ein grünes Abbild. Keine einzige wagte es, zu fragen, warum sie ihre Hand auf die ihre legen sollte oder was es mit diesem Gewebe auf sich hatte, aber nach ihrer Reaktion zu urteilen spürten alle dieses Kribbeln, das auch sie selbst zu Beginn verspürt hatte.

Sobald sie fertig war, ließ sie sich von Sharina wieder hochheben und löste den Sichtschutz auf. Ihre Konzentration ließ bereits wieder spürbar nach, als sie den immer kleiner gewordenen Lauschschutz wieder um alle legte, die hier versammelt waren. Leichte Kopfschmerzen deuteten entweder an, dass sie es gestern mit dem Lenken Saidars übertrieben hatte oder noch immer Schlaf nachholen musste. „Ausgezeichnet, die Weiße Burg ist jetzt offenbar von allen Schwarzen Ajah befreit. Das ist natürlich erst der Anfang. Ich werde schnellstmöglich sämtliche weiteren Bewohner der Weißen Burg überprüfen müssen. Beginnen wir mit den anwesenden Behütern. Erster Behüter, Du hast das Wort.“

„Danke, Stärkste Mutter. Also Leute, sprecht mir nach: „Ich wandle wahrhaftig im Licht, Stärkste Mutter,“ alle zusammen: „Ich wandle wahrhaftig im Licht, Stärkste Mutter!““

Sie riss Saidar an sich und wob so schnell sie konnte, so war das nicht gedacht!

„Ich wandle wahrhaftig im Licht, Stärkste Mutter!“ donnerte es über den Platz. Sie hatte es gerade so geschafft, aber sie brauchte alles Saidar, das sie mit Hilfe ihres Sa'angreals zur Verfügung hatte. Viele Aes Sedai keuchten, als sie die Menge an Saidar sahen, die sie offenbar kontrollierte – vielleicht auch, weil sie die Zwangsgewebe erkannten, allerdings hielt Egwene das für unwahrscheinlich. Sie musste sich beeilen, das konnte sie nicht lange halten, auch wenn sie abermals die schwächere Variante benutzt hatte, genau wie bei Gareth Bryne.

Rasch überprüfte sie die Gewebe. Alle hatten gesprochen und keiner gelogen, sehr gut! Sie ließ vorsichtig wieder los.

„Das ist sehr gut, Gaidin der Weißen Burg.“ Die blickte zu Salak hinunter und fragte mit normaler Stimme „Erster Behüter, warum hast Du ihnen nicht gesagt, dass ich Zwang bei ihnen anwenden würde?“

„Wozu, davon merken sie doch nichts, Stärkste Mutter?“ Da hatte er wohl recht.

„Aber die Anwendung von Zwang ist verboten, Erster Behüter, was sagst Du dazu?“

„Warum habt Ihr ihn dann eingesetzt, Stärkste Mutter?“ Er wirkte gelassen, fühlte sich aber heiter an.

„Weil es der schnellste und einfachste Weg war und wir brauchen nichts dringender als Zeit.“

„Außerdem tut es nicht weh, also warum ein Aufhebens davon machen, Stärkste Mutter? Warum macht ihr nicht weiter, wenn die Zeit so drängt, Stärkste Mutter?“ Er hatte sie wieder erwischt, verdammt, der Mann war gut!

„Myrelle, Du bleibst in meiner Nähe, wir müssen uns dringend über Behüter unterhalten.“ befahl sie der Grünen, ohne dabei den Verstärker zu verwenden, aber in strengem Tonfall. Salak Turvalis erschrak, das konnte sie ganz kurz fühlen aber nicht sehen, äußerlich blieb er völlig gelassen. Dennoch: Ein klarer Punkt für sie.

Doch es wurde wirklich Zeit, weiter zu machen. „Ich stelle den Antrag, dass jede Aes Sedai, die nach Tar Valon kommt, verpflichtet wird, die Prüfung mit der Eidesrute ebenfalls zu bestehen, bevor sie Einlass erhält. Sitzende, stimmt darüber ab, wer ist dafür?“

Alle Sitzenden hoben sofort die Hand. „Der Antrag wurde offenbar einstimmig angenommen. Tarna, wie viele Sitzende waren das?“

„Genau Dreißig, Mutter.“ Die Antwort kam ohne Zögern und klang ungerührt.

„Ich erwarte, dass sich die Ajahs schnellstmöglich auf die nach dem Burggesetz zugelassenen drei Sitzenden einigen. Ihr habt eine Stunde, bevor die vertagte geschlossene Sitzung nach dem Kriegsrecht in der Burg fortgeführt wird. Stellt außerdem fest, ob Schwestern fehlen, die eigentlich bei Euch waren. Bildet bis auf weiteres Zirkel aus mindestens je drei Aes Sedai derselben Ajah, dann erkennt ihr Außenseiter sofort. Die Vollversammlung ist beendet. Die Luft hier draußen ist recht angenehm, doch kehren wir jetzt lieber in die Burg zurück. Sorge dafür, dass das Lager abgebaut wird, Lelaine, die drei Sitzenden der Blauen sind ja bereits bekannt.“ Vorerst war es sicher am besten, die Roten und Blauen Schwestern möglichst weit voneinander entfernt beschäftigt zu halten. „Da auch die Sitzenden der Roten unverändert bleiben können, Pevara, habt ihr eine Stunde Zeit, um die Burgwache über die bevorstehende Ankunft zweier verbündeter Heere zu unterrichten, die Brücken wieder zu öffnen und Patrouillen aus je sechs Roten Schwestern zu organisieren, die an den Brücken und Häfen verhindern, dass uns Schwarze Ajah entkommen, die sich möglicherweise auf der Flucht befinden. Außerdem nehmt ihr selbstverständlich jede Aes Sedai in Gewahrsam, die die Stadt betreten möchte, der beschlossene Antrag muss so schnell wie möglich umgesetzt werden. Siuan, Leane, ihr zwei sprecht euch gründlich aus und vertragt euch gefälligst wieder. Ich werde diesen lächerlichen Unsinn nicht länger durchgehen lassen, es gibt auch so schon genug Streit, ohne dass ihr noch euren Teil dazu beitragen müsstet. Sharina: Nach unten.“ Sie ließ den Schild gegen Lauscher fallen, während sie sanft zu Boden sank.

Rasch befahl sie den Behütern, die Leane zuvor schon begleitet hatten, sie und Siuan nicht aus den Augen zu lassen und sie machten sich auf den Weg, es war besser, wenn sie wusste, wo die beiden gerade steckten. Die ersten Aes Sedai strömten bereits durch das Tor zurück in die Burg, sie würden sich wohl sofort auf den Weg zu den Räumlichkeiten ihrer Ajahs machen. Alle hatten erstmal genug Arbeit vor sich, um sich damit zu beschäftigen, stellte sie zufrieden fest. Und Siuan und Leane würden diese Gelegenheit, sich in aller Ruhe ungestört unterhalten zu können, zu schätzen wissen. Sie hatte kurz daran gedacht, die beiden ebenfalls zu Adjutantinnen zu ernennen, aber das wäre unmöglich zu begründen gewesen, wie sie schnell eingesehen hatte.

Es war Silviana Sedai, die jetzt, dicht gefolgt von Tiana, energisch auf sie zuschritt, statt mit den übrigen in die Burg zurückzukehren.

„Wer wird die neue Herrin der Novizinnen?“ fragte sie schroff. Offenbar rechnete sie mit Vergeltung für die erteilten Schläge. Egwene blieb gelassen.

„Es gibt jetzt genügend Arbeit für zwei Herrinnen der Novizinnen, Töchter. Beide bleiben vorerst im Amt.“ gab sie sofort zurück „Allerdings solltest Du an Deinen Erziehungsmethoden noch etwas arbeiten, Silviana.“ Sie sprach jetzt leise, nur wenige hörten ihre Worte. „Es war erschreckend einfach, die Novizinnen und Aufgenommenen der Weißen Burg von meinem Anspruch zu überzeugen. Du solltest Dich zukünftig mehr für die Probleme der Novizinnen interessieren und darauf gezielt eingehen.“

„Ja... Mutter.“ Silvianas Tonfall wirkte kühl, aber sie glaubte, etwas Überraschung und auch Erleichterung herauszuhören. Was hatte sie erwartet, eine Dämpfung? „Ich glaube, es ist an der Zeit, dass ihr den hier zurückbekommt.“ Silviana hielt ihr den Schlangenring hin, den sie seit Egwenes Gefangennahme aufbewahrt hatte. Sie wirkte nach außen hin ruhig und klang durch und durch gelassen, aber Egwene fragte sich, wie es wohl in ihr aussähe. Es war ein gutes Gefühl, den Ring endlich wieder an ihrem Finger zu tragen, aber noch besser war es, dass diese Frau sie „Mutter“ genannt hatte. Es war ein langer Kampf gewesen, aber sie hatte gewonnen.

„Danke, Tochter. Gehe jetzt in den Saal der Novizinnen und beende die dort stattfindende Übung, Tochter. Ein Lob für die gute Arbeit kann auch nicht schaden. Dann lass alles für tausend neue Novizinnen herrichten, die bald eintreffen.“

„Wie ihr meint, Mutter.“ kam es knapp zurück und sie machte sich auf den Weg zum Zelt, vor dem eine lange Schlange anstand, um durch das Tor in die Burg zu kommen. Sie ließ sich ihre Überraschung ob dieser unglaublichen Zahl in keiner Weise anmerken, eine ausgezeichnete Aes Sedai.

„Tiana, Du sorgst dafür, dass die Novizinnen hier vor Einbruch der Dunkelheit abreisen können. Es wird Zeit, dass sie endlich ihre Zimmer in der Weißen Burg bekommen.“ Nach einem halbwegs angemessenen Knicks machte auch sie sich auf den Weg.

„Das war gute Arbeit, Mutter.“ meinte Lelaine begütigend hinter ihr.

„Hast Du nichts zu tun, Lelaine? Ich bin sicher, wir werden eine Aufgabe für Dich finden.“

„Es gibt genug zu tun, Mutter.“ gab Lelaine sofort zurück und ging schnell los, um den Abbau des Lagers zu beaufsichtigen. Sie warf vor allem Tarna verwunderte Blicke zu, die nach wie vor das Protokoll vervollständigte.

Egwene versuchte, sich zu sammeln, Erschöpfung machte sich breit. Was war jetzt das Wichtigste? Es gab so unheimlich viel zu tun!

„Das war gute Arbeit, Mutter.“ sagte Tarna Feir. Sie traf Lelaines Tonfall gut.

Für mehr als ein angedeutetes Lächeln war keine Zeit. Sie war auch selbst der Ansicht, gute Arbeit geleistet zu haben, aber es tat wirklich gut, es von ihrer Behüterin der Chronik zu hören. „Danke, Tarna. Was ist jetzt das Wichtigste?“

„Die Schwarze Burg und Mazrim Taim, Mutter.“

Sie nickte der blonden Frau anerkennend zu, da sie derselben Ansicht war. „Glaubst Du, er kann so wie Alviarin diese andere Macht lenken?“ Sicherlich hatten die Schwarzen Ajah davon berichtet, was passiert war.

„Davon müssen wir ausgehen, Mutter. Wir müssen uns Unterstützung vor Ort suchen, das ist unumgänglich.“ Sicher meinte sie die dort gefangenen Aes Sedai, aber Egwene war bereits ein besserer Gedanke gekommen.

„Da hast Du völlig recht.“ Sie überlegte einen Moment, ob sie zu weit ginge, aber es mussten jetzt Risiken eingegangen werden. „Tarna, kannst Du für eine Weile Deine Behüter entbehren?“

„Meine Behüter? Sicher, Mutter.“ Sie klang überrascht, aber auch neugierig.

Sie wandte sich an ihre erste Adjutantin. „Sharina, lass Dir von Tarna Sedai erklären, wie Du ihre beiden Behüter findest, die sie aus der Schwarzen Burg mitgebracht hat. Nimm sie mit und bringt so schnell wie möglich Logain Ablar hierher. Wahrscheinlich wissen sie, wo er zu finden ist. Sage ihm, die Amyrlin Egwene al'Vere muss ihn sofort sprechen. Bringt ihn zu mir, egal, wo ich gerade bin. Er bekommt freies Geleit. Und lass auf keinen Fall die Macht los, verstanden? Hier.“ Sie legte ihr erneut die Halskette um und verbarg rasch zweimal hintereinander, dass sie Saidar hielt, und machte es wieder rückgängig, um Sharina zu zeigen wie es funktionierte..

„Zu Befehl, Mutter.“ Sie wandte sich nach einem weiteren Knicks respektvoll an ihre Behüterin der Chronik, welche ihr sofort Anweisungen gab. Sie würde zurechtkommen.

„Nicola, Du gehst nach Caemlyn.“ wandte sie sich an ihre zweite Adjutantin. Dort sollte es ausreichend sicher sein, aber dennoch zog sie den Angreal aus dem Gewand, den erst Mesaana benutzt und den sie dann Saerin abgenommen hatte, und drückte ihn ihr in die Hand. „Nimm den Angreal hier mit und lasse die Macht niemals los, Du weißt, wie man sich tarnt. Ersuche um eine sofortige Audienz bei der Königin. Sage jedem, der Dich fragt, dass Du meine persönliche Adjutantin bist. Du sprichst nur allein mit der Königin, verstanden?“ Ein rasches Nicken bei Nicola. „Webe einen Lauschschutz und halte ihn fest, sage, die Amyrlin hat das so angeordnet, wenn es Einwände gibt. Sag Elayne, dass Mazrim Taim ein Schattenfreund ist, und jeder weitere Versuch ab sofort unterbleiben muss, die Schwarze Burg zu betreten. Ich werde mich selbst um diese Angelegenheit kümmern. Sie soll sofort einen Gesandten schicken, der für sie sprechen kann oder noch besser selbst vorbeikommen, es gibt viel zu besprechen. Sage Elayne, sie soll außerdem alle Angreale und Ter’angreale, die sie hat, sofort der Burg aushändigen. Sage ihr, sie selbst darf einen Angreal behalten, es aber nicht an die große Glocke hängen, er ist nur geliehen. Elayne soll versuchen, sich selber Angreale zu machen. Sage Elayne, dass Logain zur Amyrlin gerufen wurde und Pläne gemacht werden, Tochter. Du machst mir sofort Meldung, wenn Du zurück bist, egal, was ich gerade tue, verstanden?“

„Ja, Mutter. Wird es Krieg geben, Mutter? Krieg ist schrecklich, Mutter!“ Nicola verstand schnell.

„Irgendwo gibt es immer Krieg, mal im Großen und mal im Kleinen, Tochter. Lass uns hoffen, das wir Tarmon Gaidon überstehen, alles weitere findet sich. Mach Dich jetzt auf den Weg, Tochter.“ Egwene wob ein auffällig kleines Tor in den, soweit sie wusste, dafür vorgesehenen Raum in Elaynes Schloss in Caemlyn. Nicola knickste rasch und verschwand nach einem „Ja, Mutter.“ durch das Tor, hinter dem ein völlig leerer Raum sichtbar war. Sie kam bestimmt ebenfalls zurecht.

Schnell ließ sie Saidar wieder zu einem dünnen Rinnsal werden und es dann lediglich in sich ruhen. Es hatte für das Tor gerade so gereicht. Körperlich fühlte sie sich trotz ihres Waldlaufs wie Siuans sprichwörtlicher Fisch im Wasser. Doch geistig war es hauptsächlich ihre Entschlossenheit, die sie aufrecht hielt, da sie jetzt für ihre enormen Anstrengungen der letzten Tage und Stunden bezahlen musste.

„Tarna, was glaubst Du, wie lange die Ajahs brauchen?“

„Mit den Sitzenden? Keine Ahnung, Mutter.“

„Nach welcher Regelung kann die Amyrlin die Anführerinnen der Ajahs zu sich rufen?“ Siuan war sich nicht völlig sicher und hatte ihr dies erst vor wenigen Tagen berichtet, weil es viele Jahre her war, dass sie diesen kleinen Absatz in einer halb vergessenen Chronik gelesen hatte.

„Ich bin doch keine Graue, Mutter! Das kommt so gut wie nie vor.“ gab Tarna schnippisch zurück. Sie hatte auch nicht wirklich damit gerechnet, dass es schon soweit war, aber schade war es trotzdem, sie brauchte alle Ajahs hinter sich. Immerhin schien Tarna von der Idee einer solchen Versammlung keineswegs überrascht zu sein, sondern hielt das offenbar für möglich.

„Ich habe einen dringenden Auftrag für Dich.“

„Was soll ich tun, Mutter, den Wiedergeborenen Drachen persönlich hierherholen?“ Sie klang nur halb scherzhaft, aber Egwene lachte trotzdem leise.

„Nichts ganz so gefährliches, Tarna, nein. Ich brauche lediglich sieben Kopien des Protokolls der vertagten Sitzung, allerdings so schnell wie nur möglich.“

Die Rote stöhnte übertrieben. „Eine für jede Ajah? Vermutlich soll ich sie Romanda und Lelaine mit ein paar passenden Worten selbst in die Hand drücken, sobald sie auftauchen?“

„Das wäre wunderbar, Behüterin der Chronik.“ gab sie lächelnd zurück.

Die andere stöhnte übertrieben. „Das klingt für mich nicht besonders ungefährlich, aber ich mache mich sofort an die Arbeit, Mutter. Übrigens, wollt Ihr wirklich in diesem Aufzug eine geschlossene Sitzung leiten, Mutter?“ Ein leichtes Lächeln lag auf den Lippen ihrer Behüterin der Chronik, als sie sich nach einem kurzen Nicken zum Gehen wandte.

Egwene blickte verblüfft an sich herab, sie trug natürlich nach wie vor ihr Novizinnengewand von heute Morgen. Kiefernadeln, Staub, Asche und kleinere Risse von ihrem Waldlauf ließen es in der Tat sehr unangemessen aussehen, außerdem war sie alles Mögliche, aber mit Sicherheit keine Novizin mehr. Zu ihrer Überraschung bemerkte sie sogar mehrere braune Flecken, die wohl Blut sein mussten, ob von der Schattenfreundin heute oder den Behütern von gestern, vermochte sie nicht zu sagen.

„Sicher wollt ihr Euch jetzt erst einmal umziehen, Mutter. Ich bin überzeugt...“ Myrelle wirkte erleichtert, sicher war dies doch wichtiger, so glaubte sie vermutlich, als jetzt sofort über Behüter zu sprechen. Sie schien dem bevorstehenden Gespräch über Salak Turvalis nicht sehr freudig entgegenzusehen – wenn man es vorsichtig ausdrückte.

Egwene unterbrach sie mit erhobener Hand. „Das ist kein Problem, Tochter.“ Sie legte kurz ihren Finger auf den Vakara auf ihrem Bauch und die Rüstung erschien. Der Grünen fielen fast die Augen aus dem Kopf, während sie selbst sich gelassen an den Ersten Behüter wandte und in die ungefähre Richtung zeigte, die er einschlagen musste. „Geh sofort zu meinem Zelt und hole meine Stola. Jeder hier kann Dir sagen, wo Du es findest.“ Er nickte und machte sich ohne Verzögerung auf den Weg. Seine Erleichterung überlagerte er zwar fast sofort durch pure Konzentration, aber sie hatte es trotzdem gespürt. Natürlich war ihr aufgefallen, wie Myrelle und er sich die ganze Zeit über betont ignoriert hatten, sie platzte inzwischen fast vor Neugier, warum.

Sie schlüpfte aus ihren Gewändern und murmelte „Ein Spiegel wäre jetzt wirklich nicht schlecht.“ während sie sogar ihre schmutzigen Stiefel auszog. Im prallen Sonnenlicht dieses kalten aber klaren Frühlingstages glänzte sie jetzt regelrecht und zog von allen Seiten staunende Blicke auf sich, obwohl sich niemand in ihre unmittelbare Nähe wagte. Von Kopf bis Fuß war sie von den wirbelnden Farben der Ajahs umgeben, das schien ihr durchaus passend. Ihr fiel erst jetzt auf, dass sie nicht einmal bewusst die Kälte ignorierte, weil es mit der Rüstung auch so warm genug war.

„Was zum... Mutter, was ist das?“ Myrelle strecke staunend eine Hand aus, wie um sie zu berühren, hielt dann aber schon vorher inne und zog die Hand wieder zurück. Es wäre einfach unangemessen, der Amyrlin gegenüber derart vertraulich zu handeln. Sie selbst dachte an Sharina, wie sie wegen der Kette auf dem Fleck erstarrt war. Vermutlich war es eine gute Entscheidung von Myrelle gewesen, derartige Vertraulichkeit zu unterlassen, überlegte sie. Andererseits hatten ihre Behüter sie auf ihr Zimmer getragen, also wäre vermutlich garnichts passiert. Nur ihre Halskette brauchte den zusätzlichen Schutz, weil sie sie ablegen konnte, erkannte sie dann. Es gab noch Unmengen über den Umgang mit der Rüstung zu lernen. Sie hoffte, dass Saerin mit dem Buch rasch voran kam.

Egwene bemühte sich für Myrelle um den Tonfall, den Amys immer Aviendha gegenüber angeschlagen hatte, wenn diese etwas Dummes gesagt oder getan hatte: „Du bist nicht hier, damit ich Dir wegen der Rüstung des Lichts Rede und Antwort stehe, Tochter, sondern weil Du Rede und Antwort stehen sollst, und zwar über Behüter.“

„Natürlich, Mutter, natürlich. Ihr könnt mir jede Frage stellen, die Ihr wollt.“ Dann fügte sie vorsichtig hinzu „Ihr habt ihn öffentlich den Ersten Behüter genannt und er Euch Stärkste Mutter, ist Euch klar, welch ein Risiko ihr damit eingeht, so etwas zu behaupten?“ Die Grüne warf dabei einen unsicheren Blick auf ihre Rüstung.

„Myrelle, ich habe nicht die geringste Ahnung, was es mit dieser Prophezeiung der Behüter auf sich hat und es ist mir im Moment auch völlig gleichgültig. Was ich will, und zwar auf der Stelle, ist, mehr über Salak Turvalis erfahren, Tochter!“

„Ihr kennt die Prophezeiung nicht?“ Myrelles Brauen hoben sich. „Warum nennt Ihr ihn dann Erster Behüter, Mutter?“ Sie klang immer noch unsicher, aber es lag auch plötzlich eine gewisse Schärfe in ihrer Stimme. Gawyn hatte behauptet, es sei verboten, Behüter so zu nennen, vielleicht deshalb?

„Weil er ganz einfach der erste der fünf Männer war, die ich gestern als Behüter an mich band, Tochter, und weil ich seinen Namen vergessen hatte.“ erklärte sie so geduldig, wie sie es gerade noch zustande brachte.

„Aber Du vergisst nie etwas, dafür bist Du bekannt!“ Myrelle musste wahrhaft überrascht sein, wenn sie sie duzte. Sie war dafür bekannt, dass sie nichts vergaß? Interessant.

„Ich war so erschöpft, nachdem ich all diese Schwarzen Ajah dem Zwang unterworfen hatte – ganz zu schweigen von den Kämpfen gegen Mesaana und Alviarin – dass ich kaum noch stehen konnte, Myrelle, geschweige denn mir ihre Namen merken. Zu den anderen vier sage ich immer nur „Ihr da“ oder „Macht mal“, einfach weil ich noch keine Zeit hatte, sie nochmal nach ihren Namen zu fragen.“ gab sie mit einem schiefen Lächeln zu. Myrelle runzelte erneut die Stirn. „Salak hat zwei Silberlinge gegen meinen zweiten Behüter gewonnen, weil ich es geschafft habe, die letzten drei auch noch zu binden und acht gegen alle vier, weil ich es bis zur Tür geschafft habe.“ Sie hatte geglaubt, damit die Situation etwas lockern zu können, aber angesichts des schockierten Blicks der Grünen hielt sie das leichte Lachen zurück, das sie unwillkürlich hatte anklingen lassen wollen, und blieb lieber ernst.

„Er hat gewonnen?“ rief Myrelle ungläubig. „Aber Salak gewinnt nie, Mutter! Dafür ist er bekannt!“ Sie räusperte sich hinter vorgehaltener Hand und fügte hinzu „Unter anderem dafür, natürlich.“

„Was soll das heißen, er gewinnt nie?“ wollte Egwene sofort wissen. Von so etwas hatte sie noch nie gehört, aber wenn Mat fast immer gewann, erschien es nur logisch, dass es auch Leute gab, die immer verloren.

„Nie ist vielleicht etwas zu hart ausgedrückt, Mutter. Er verliert in harmlosen Glücksspielen zwar etwas häufiger, als er gewinnt, aber es fällt kaum auf. Nur wenn es für ihn wirklich wichtig ist, zu gewinnen, verliert er jedes Mal, oder zumindest war das so, seit er die Weiße Burg zum ersten Mal betrat. In seiner Zeit bei mir...“ Zeit bei mir, was sollte das denn heißen?, fragte Egwene sich verblüfft, ließ sich aber nichts anmerken „...war ihm logischerweise so ziemlich alles egal und er hatte schon fast eine Glückssträhne, jedenfalls für seine Verhältnisse. Dann hat er sich Helgia von den Gelben ausgesucht und sein Pech kehrte in voller Stärke zurück.“ Ihre Stimme klang, als wäre ihm das ganz recht geschehen. „Er versucht seit Jahren, den Titel „Schwertmeister“ zu erringen, den er mit Sicherheit längst verdient hat, aber die Prüfung hat zu viel von einem Wettbewerb an sich und er stolpert jedes Mal oder sein Schwert bricht ihm ab.“ Myrelle berichtete das alles recht locker und gelassen, offenbar hatten sie die unangenehmen Bereiche dieses Themas inzwischen verlassen. „Als diese launenhafte Helgia dann genug von ihm hatte, suchte er sich eine neue aus und dann wieder eine. Bei Kaynara hat er es fast drei Jahre ausgehalten, das ist neuer Rekord.“

„Myrelle“ wandte sie sich grimmig an die Grüne Schwester „soll das alles heißen, er hatte schon mehrere Aes Sedai, als Behüter meine ich?“ Die Frau wirkte verblüfft. Es war nicht mehr viel Zeit, ihr Erster Behüter kam bereits zurück, auch wenn er sich nicht gerade zu beeilen schien. Zum ersten Mal, seit sie ihn kannte, wirkte er unsicher, vermutlich kein Wunder, wenn er früher einmal Myrelles Behüter gewesen war, und wer weiß wessen sonst noch.

Myrelle fragte ganz behutsam „Ihr habt wirklich noch nie von ihm gehört, Mutter?“ als könne sie sich das nicht vorstellen und als sie mit grimmiger Miene nickte, fuhr sie vorsichtig fort „Er hat einen Vertrag mit der Weißen Burg, Mutter.“ Eine kurze Pause, gefolgt von einem Hüsteln hinter vorgehaltener Hand. „Salak Turvalis darf jede Aes Sedai fragen, ob sie ihn als Behüter haben will, Mutter. Er ... Er wechselt seine Aes Sedai, Mutter.“ Myrelle schluckte unsicher. „Er hat zwar Pech im Spiel, Mutter, aber als Gaidin ist er einer der besten, den die Weiße Burg jemals hatte. Einer der Besten.“ Sie blickte zu Boden.

Sie glaubte zu verstehen: Wie Myrelle versucht hatte, Lan zu retten, hatte sie wohl auch Salak gerettet und jetzt war sie gefühlsmäßig wohl noch immer genug an ihn gebunden, dass es ihr nicht gefiel, wenn er sich eine neue Schwester aussuchte. Es war unfassbar, dass so etwas überhaupt möglich sein sollte. Ein Vertrag mit der Weißen Burg? Wer hatte ihn abgeschlossen und warum?

„Ich werde gut auf ihn aufpassen, Myrelle.“ versprach sie sanft.

Die Grüne wirkte verdutzt. „Er ist mit allem Wassern gewaschen, Mutter! Ihr dürft ihm nicht zu viel durchgehen lassen, sonst tanzt er Euch auf der Nase herum. Das gilt natürlich für alle Männer und besonders für die Gaidin, aber er ist eben ... ein Sonderfall.“ dann glätteten sich ihre Züge, als der Gegenstand ihrer Unterhaltung sich näherte. Äußerlich wirkte er unbeteiligt, aber sie konnte seine Unsicherheit spüren. Meistens schien sie hinter starker Konzentration zu verschwinden, aber ab und zu blitzte sie eben doch durch. Sie glaubte nicht, dass sie so genaue Unterscheidungen in den Gefühlen ihrer anderen Behüter überhaupt bemerkt hätte – außer bei Gawyn natürlich, der sich ihr entschlossen aber langsam näherte. Vermutlich hatte Salak irgendwie gelernt, seine Gefühle zu verschleiern, schließlich hatte er sich ja bei genügend Schwestern vor ihr darin üben können. Ihr Erster Behüter legte einen Gang zu, als sie ihn anblickte und sich auf Ungeduld konzentrierte.

Er reichte ihr mit einer wortlosen Verbeugung ihre in den sieben Farben der Ajahs gestreifte Stola und sie legte sie beiläufig an. „Na, endlich. Hat ja lange genug gedauert.“ sagte sie streng, ohne ihm weitere Beachtung zu schenken. Die Stola passte hervorragend zu der Rüstung des Lichts, zumindest hatte sie selbst diesen Eindruck. „Wie sehe ich aus?“ fragte sie die Grüne und nahm eine hochmütige Pose ein.

„Wie die einzig wahre Amyrlin, Mutter.“ war die respektvolle Antwort.

„Mache Dich jetzt auf den Weg zu Deiner Ajah, Tochter, die geschlossene Sitzung wird bald beginnen und Dein Rat ist sicher auch dort gefragt. Und nimm das mit, es muss gereinigt werden.“ Sie drückte ihr mit Strängen aus Luft den Stapel mit ihren Kleidern in die Hand und Myrelle blinzelte, nahm sie aber entgegen.

„Sofort, Mutter.“ Nach einem leichten Nicken eilte sie schnell zu dem Zelt, das mittlerweile verlassen dastand. Sie war vermutlich überglücklich, endlich von hier verschwinden zu können.



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