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Nach der Schlacht ist vor der Schlacht

Die Sitzende war zunächst schweigsam, aber das war ihr ganz recht. Egwene aktivierte die grüne Ansicht und konzentrierte sich auf Elaida. Sofort erschien deren rotes Abbild in einer sitzenden Position. Sie veränderte den Blickwinkel etwas und fand bestätigt, dass sie in ihrem Arbeitszimmer saß. Der Amyrlin-Sitz Elaida a'Roihan wirkte ungehalten, aber das war wohl fast immer der Fall. Sie fand schnell heraus, dass Phirashi mit den anderen Grünen in der Nähe des Schachtes saß, bei dem sie sie zurückgelassen hatte, vermutlich auch in Gesellschaft der anderen. Auch sie wirkte mürrisch.

„Mesaana wird entkommen.“ flüsterte Saerin mit rauher Stimme und mehr zu sich selbst.

Moghedien hatte ihr die Namen der vier Verlorenen genannt, die im Schlaf auch ohne Saidar die Welt der Träume erreichen konnten, Mesaana war nicht dabei, also war sie hilflos. Dass ein anderer der Verlorenen in ihre Träume eindringen würde, war so gut wie ausgeschlossen, und es gäbe ohnehin derzeit nichts, was sie dagegen unternehmen könnte. Egwene bezweifelte stark, dass es irgendwo einen sichereren Ort als das Herz der Burg gab, an dem sie derzeit die Verlorene unterbringen konnten. Außerdem brauchten sie so keine Wachen und konnten gegen die Schwarze Ajah ihre volle Stärke einsetzen, ein wichtiger Punkt.

„Der Tod ist der einzige Ausweg aus dem Herzen, wenn ich nicht dabei bin.“ gab sie statt einer langwierigen Erklärung ruhig zurück, während sie erneut die Perspektive veränderte. Pevara und Beonin saßen mitten unter der Kuppel, wie sie rasch feststellte, beide wirkten mürrischer als Elaida und Phirashi zusammen. Beonin wandelte sie nicht nur im Licht, sondern hatte ihr außerdem noch Gehorsam geschworen, also hatte keinerlei Bedenken, ihr den Zugang zu den Schächten zu gestatten. Das Abbild der Grauen wechselte zu gelb und sie ließ es mit einem Druck auf den Vakara verschwinden. Sie gewöhnte sich langsam an die Bedienung der Rüstung, aber es gab noch viel zu lernen, das Abbild hatte sich nicht nur mit einem Gedanken auflösen lassen. Es half ihr sehr beim Umgang mit der Rüstung, dass gewisse Ähnlichkeiten mit dem Traumwandeln in Tel'aran'rhiod bestanden, wo Gefühle ebenfalls Gestalt annahmen.

Egwene hoffte, dass Saerin bald nach dem Köder schnappen würde, und so wie die Braune auf den Beutel starrte und es gleichzeitig zu verbergen versuchte, war sie kurz davor. „Wir sind gleich oben, Tochter.“ Gelassen und unbeteiligt, genau richtig.

„Was ist das für ein Buch?“ Vorsicht war das erste, was ihr bei diesem Tonfall in den Sinn kam, aber es klang auch deutliche Neugier mit.

„Die erste Amyrlin hat es geschrieben. Leider ist es in der Alten Sprache, also kann ich es nicht lesen.“ Diesem Köder konnte Saerin als Sitzende der Braunen bestimmt nicht widerstehen!

„Die erste Amyrlin?“ Die Stimme der Braunen klang jetzt ungewöhnlich hoch und schrill. „Aber man weiß nicht einmal mehr mit Sicherheit ihren Namen und das Buch sieht aus wie neu! “

„Das ist es in gewisser Weise auch. Außer Pevara und mir hat es seit etwa Dreitausend Jahren niemand berührt. Schade, dass sie mit der Alten Sprache so ihre Probleme hat.“ Fast kam sie sich gemein vor, so zu sticheln, aber wenn sie ganz ehrlich war, machte es sogar ein wenig Spaß. Sie spürte einen kalten Tropfen, dann einen weiteren, es regnete draußen. Schnell wob sie einen Schutz aus Luft über sich, damit das Buch nicht nasswerden konnte.

„Ich kann hervorragend die Alte Sprache!“ sagte Saerin enthusiastisch. Sie schien nicht einmal bemerkt zu haben, dass sie mittlerweile in eiskalt strömendem Regen auf der höchsten Spitze der Weißen Burg angekommen waren. Natürlich blieb auch sie durch den Schild Egwenes trocken, aber es wurde fast dunkel hier, sobald die Scheibe aufhörte zu leuchten.

„Tatsächlich?“ heuchelte Egwene Desinteresse. Sie bezweifelte, dass allzu viele Leute besser darin wären, dieses Buch zu übersetzen, als diese Braune Sitzende. Sie blickte nach unten - drei erwartungsvolle Gesichter blickten durch den durchsichtigen Boden zu ihnen hinauf - und rief „Kommt wieder hoch, wir haben es eilig!“

Saerin folgte ihrem Blick und erschrak sichtlich. Offenbar hatte sie tatsächlich nicht bemerkt, wo sie sich befand, und war darüber nicht sehr begeistert.

Egwene dachte kurz daran, wie schön es wäre, Moiraine das Buch zeigen zu können, aber Wünsche fegten keinen Boden, wie ihr Vater zu sagen pflegte. Sie hoffte, es ginge ihm gut. Sie hoffte, es ginge ihnen allen gut. Bei all der Aufregung hatte sie ihre Müdigkeit nicht gespürt, aber in diesem kurzen Moment der Ruhe, hoch über Tar Valon, spürte sie sie wieder deutlich.

Wenig später schob sie den Gedanken an ihre Heimat bedauernd beiseite, denn alle Anwesenden kamen inzwischen zu ihr getreten und sie hatte weder für Sorgen noch für Müdigkeit genug Zeit. Wortlos drückte sie den unteren Vakara und sie glitten wieder hinunter. Sie glaubte, die Richtung zu kennen, in der sie die anderen fände, vergewisserte sich aber kurz mit dem gelben Bild, dass sie recht hatte, bevor sie erneut Elaida fokussierte. Sie glaubte nicht, dass einer der anderen es bemerkt hatte, alle starrten nur staunend auf Elaidas rote Gestalt, die vor ihnen in einem gelben Raum in der Luft saß.

Sie bemerkte, dass Meister Benakra ihr beeindruckt zunickte, als das Bild wieder verschwand, aber sie reagierte zunächst nicht darauf, denn Pevara hob sofort den Kopf und ihr Blick huschte von dem Mann zu ihr. Egwene erwiderte den Blick gelassen und Pevara blickte schnell zu Boden. Sie sah kurz ein schmales Lächeln auf den Zügen des blonden Mannes aufblitzen und ein unmögliches Bild fügte sich endlich zusammen. „Wie lange ist es her, dass Pevara Euch gefragt hat, Meister Benakra?“ wandte sie sich freundlich an den Mann, der praktisch mit Gewissheit Pevaras Behüter sein musste. Dann konzentrierte sie sich auf die gelben Vakara, der sie zu den anderen bringen würden, und sie glitten zur Seite.

Der Asha'man blickte nur kurz zu Pevara, deren Augen erneut schier aus den Höhlen zu quellen schienen, ganz, wie im Saal der Novizinnen, und sagte dann mit fester Stimme „Fast eine Woche, Mutter.“ Beonin und Saerin wechselten verständnislose Blicke, während sie selbst verblüfft war, tatsächlich richtig gelegen zu haben. Eine Rote mit Behüter, unvorstellbar!

Egwene ließ sich jedoch nichts anmerken. „Dieser Befehl des Lord Drachen, nehme ich an?“ fragte sie verständnisvoll, während sie wieder zum Halten kamen. So nannten sie Rand anscheinend immer in der Schwarzen Burg, Lord Drache. Es war ausgezeichnet, dass Siuan sie über den genauen Beschluss des Saals auf dem Laufenden gehalten hatte, Rands Befehl war vermutlich das einzige, was diesen Mann hatte zustimmen lassen. Egwene genoss es geradezu, gut informiert zu sein, und wie sich herausstellte, übertraf Niglots Antwort noch ihre kühnsten Erwartungen.

„Ja, leider“ platzte er heraus und prompt röteten sich seine und Pevaras Wangen. „Ich meine... Es ist natürlich eine Ehre, einer der drei Behüter von Pevara Sedai zu sein, Mutter! Eine große Ehre, Mutter.“, fügte er rasch hinzu. Nein, seinen Mund zu halten ist nicht gerade seine Stärke, dachte Egwene bei sich.

„Sicher.“ stellte sie dann trocken fest, bevor sie die Tür zum Gang öffnete und heraustrat. Gleich Drei! Sie verdrängte auch diesen Gedanken auf später, sie konnte sich keine Ablenkung leisten, selbst wenn Saerin und Beonin wie Schlafwandler dreinblickten, die zu rasch geweckt worden sind, als sie ihr erst mit einer gewissen Verzögerung folgten.

Die hier wartenden Schwestern sprangen sofort auf, aber Egwene ließ sie nicht zu Wort kommen. „Meidani, wir sind spät dran, Du kommst mit mir. Saerin, Du auch. Beonin?“

Ihr „Ja, Mutter?“ kam etwas spät, aber es kam.

„Du bringst die anderen, nach Ajahs getrennt, genau drei Ebenen weiter herunter, sobald wir weg sind, das erspart Euch viele Stufen und sollte außerdem angemessenen Schutz vor Entdeckung bieten.“

„Zu Befehl, Mutter.“ Ihr ernster Tonfall widersprach dem amüsierten Funkeln in ihren Augen, aber für den Augenblick würde es die anderen zumindest nachdenklich machen. Beonin hatte durchaus Einfluss, selbst wenn sie keine Sitzende war. Von den anwesenden Schwestern, die sie hierlassen wollte, war nur Pevara stärker und die war sehr effektiv auf Eis gelegt. Yukiri, die fast so stark wie Beonin und sicherlich wesentlich älter war, wirkte leicht verblüfft, aber bisher hatte die Sitzende der Grauen sich zurückgehalten. Bevor sie ihre Verblüffung überwinden konnte, sprach Egwene weiter.

„Die weiteren Anweisungen für heute Nacht werdet ihr alle später von Saerin bekommen.“ Nachdem sie schnell den Vakara gedrückt hatte, trat sie sofort ein und Saerin folgte ihr praktisch auf dem Fuße. Meidani zögerte ebenfalls nicht und so waren sie wieder unterwegs, bevor sonst noch jemand das Wort ergreifen konnte.

„Dieses Buch, ich kann es für Dich übersetzen.“ platzte die Braune heraus, kaum dass sie zu dritt waren.

„Ich soll einer begeisterten Anhängerin Elaidas mein Buch überlassen? Bleib bitte realistisch, Tochter.“ Nicht energisch, sondern kühl, das war die notwendige Taktik an dieser Stelle.

„Aber ich mag Elaida garnicht, das war doch nur Politik.“ Sie konnte nicht lügen, aber andererseits schien kaum jemand Elaida wirklich zu mögen. Wenn sie schon nicht selbst eine Schwarze Ajah war, dann hatte sie vermutlich zumindest ihre Unterstützung gehabt, um eine Mehrheit zu erringen. Das war sehr gut zu wissen, sollte sie je die Gelegenheit bekommen, vor dem Burgsaal zu sprechen.

„Deine Politik hat viele Menschen das Leben gekostet und tut es noch immer, Tochter. Es ist mein Heer, das da draußen täglich Männer im Kampf gegen Euer von Schwestern unterstütztes Heer verliert. Wenn Du ernsthaft mein Vertrauen gewinnen willst, genügt es nicht, im Licht zu wandeln, Tochter. Wenn ich Dich nicht heute Nacht brauchen würde, hätte ich Dich bei Mesaana gelassen!“ Als Wache natürlich, aber das erwähnte sie lieber nicht.

„Und was...“ Die Braune war sichtbar blasser geworden und musste sich hörbar zu den Worten zwingen, aber sie sagte es „was müsste ich tun, um Eurer Vertrauen zu rechtfertigen?“ Daraus konnte sie ein Seil knüpfen, um sie zu führen. Sie bewusst mit einer Anrede anzusprechen, die niemals auch nur einer Aufgenommenen gebührte!

„Du könntest mit Meidani zumindest einen Anfang machen, Tochter. Zweifellos habt ihr sie mit Hilfe des Eidstabes zum Gehorsam gezwungen, was nun wirklich nicht sehr nett ist.“ Sie holte den Stab aus ihrem Gewand und drückte ihn der Braunen in die Hand, die ihn jetzt hielt, als ob er giftig wäre. Erstaunlich, wenn man bedachte, dass sie ihn zuerst nicht hatte hergeben wollen. Meidani riss ihre Augen auf und Tränen glitzerten darin, die sie rasch fortwischte. Wieder hatte ihr Schuss ins Blaue voll getroffen, auch wenn sie sich schon vorher sicher gewesen war, dass die zehn Rebellen mit dem Eidstab zu Folgsamkeit gezwungen worden waren. Was sonst hätte die Graue dazu bringen können, dem Verdacht gegen Elaida nachzugehen?, erkannte sie jetzt auch den Grund für die Annäherung an die anmaßende Rote, die den Amyrlin-Sitz okkupiert hatte. Kein Wunder, dass ihre Fragen so vage geblieben waren!

Ihre Worte mussten die Untertreibung des Tages gewesen sein, Saerin und die anderen hatten Glück, nicht gedämpft und verbannt zu werden, falls das jemals herauskam. Ein Gehorsamseid auf den Eidstab war praktisch identisch mit dem Einsatz von Zwang! Das einfache Seil war jetzt ein wunderbar festes Zaumzeug - mit dazugehörigem Sattel und dornigen Sporen. Die anderen würden weiter nach unten gleiten, aber Elaida wohnte recht weit oben im Turm, also wählte sie einen der seitlichen Gänge, sobald sie im mittleren Schacht waren.

Das Schweigen dehnte sich aus, doch schließlich lenkte Saerin etwas Geist und hielt den Eidstab der Grauen hin, die eilig danach griff. Saerin murmelte „Nimm den Gehorsamseid zurück.“

Und die Worte sprudelten förmlich aus Meidani heraus. Dann lachte sie und gleichzeitig flossen Tränen über ihre Wangen, während sie ihr überschwänglich dankte. Egwene schob sie etwas zurück und bliebt ernst.

„Meidani, fasse Dich wieder, es ist noch nicht vorbei. Hast Du vielleicht den unmittelbar bevorstehenden Besuch bei Elaida und den danach bei der Schwarzen Ajah vergessen?“ Das ließ der Grauen Schwester das Lachen im Hals steckenbleiben. „Ich brauche Dich heute genauso sehr wie Saerin und kann mich nicht erinnern, dass Du mir in irgendeiner Weise Deine Loyalität gezeigt hättest. Das gilt für Euch alle zehn. Wenn es nicht meiner Auffassung vom Amt der Amyrlin widerspräche, wäre ich versucht gewesen, Euch zehn und Eure Eide genauso zu ignorieren wie ihr mich. Und jetzt hört mir gefälligst beide zu und seid still. Das Buch hat bis morgen Zeit und die Eide der übrigen Rebellen bis wir zwei von Elaida zurück sind.“ Licht, was für ein Durcheinander! Sie nahm der widerstandslosen Braunen den Eidstab wieder ab und verstaute ihn in dem Beutel, sie würde ihn später für Tarna brauchen. „Saerin, Du wirst folgendes tun...“

So ausführlich, wie in der Kürze der Zeit möglich, erläuterte sie ihren Plan. Sie forderte beide Aes Sedai auf, den grünen Vakara auf ihrem Handgelenk zu berühren, und hatte sich auch damit nicht getäuscht: Zwei neue grüne Punkte erschienen in der Burg. Dann ließ sie ihre Rüstung verschwinden und steckte bedauernd ihre Halskette zu allem anderen in den Beutel. Sie war einfach zu auffällig und konnte ansonsten vielleicht zu früh oder von der Falschen entdeckt werden. Sie war mit Sicherheit ein Sa'angreal, sonst hätte Mesaana sie erwischt. Egwene hoffte, die Kette bald ständig tragen zu können. Sie hatte versucht, sie zu tarnen, aber es hatte ärgerlicherweise nicht geklappt, ihr Gewebe glitt irgendwie davon ab.

Die ganze Zeit über hörten beide Schwestern ihr bereitwillig zu, ohne sie ein einziges Mal zu unterbrechen. Der heutige Tag hatte erstaunliche Veränderungen gebracht und mit etwas Glück würde es noch weitere geben. Endlich hatte sie den Eindruck, wirklich voran zu kommen. Dann warf sie einen erneuten Blick auf das grüne Bild, um den richtigen Weg zu Elaida erwischen, bevor sie den grünen Vakara drückte, der zum Korridor führte.

Die junge Emondsfelderin bedauerte, sich nicht von ihrer Müdigkeit heilen lassen zu können, aber sie musste jetzt so stark und selbstsicher erscheinen, wie nur möglich, damit die den so hart errungenen Respekt dieser Frauen nicht gleich wieder verlor. Während Saerin sich treppabwärts auf den Weg machte, bogen sie und Meidani bald in Richtung von Elaidas Räumlichkeiten ab, es war nicht besonders weit.

Tarna schluckte ihre sorgfältig ausgewählte Ausrede wie warme Milch, warum sie nicht von zwei Roten sondern Meidani begleitet wurde: „Deine Roten Schwestern scheinen eine Abneigung gegen zu viel Treppensteigen zu hegen und offenbar glauben sie, dass Meidani auch allein mit mir fertig wird, wenn ich meinen speziellen Abendtee getrunken habe. Ich habe den Geschmack immer noch auf der Zunge.“ Alles war weit davon entfernt, gelogen zu sein, aber glücklicherweise konnte die große blonde Schwester nicht sehen, wie Meidani, die bereits eingetreten war, überrascht den Kopf zu ihnen zurückwarf.

Egwene zuckte leicht zusammen, als Tarna ihr einen Hieb aus Luft versetzte. Nicht vor Schmerz natürlich, sondern vor Überraschung, das hatte die Rote noch nie getan! Und sie war schnell, Egwene hatte keine Zeit gehabt, das kurzzeitig aufflackernde Leuchten um sie herum zu bemerken, bevor der Hieb sie traf.

„Silviana sagte mir, wenn ich Dich zukünftig bestrafen wolle, solle ich keine Zeit verschwenden, sondern es gleich selber tun.“ Tarna wirkte wie stets völlig gelassen, aber das war so weit davon entfernt, bei Novizinnen normal zu sein, dass sie vermutlich innerlich vor Wut kochte. Die Oberin der Novizinnen weigerte sich, eine Novizin zu züchtigen? Das hatte es in der dreitausendjährigen Geschichte der Weißen Burg bestimmt noch nicht gegeben. Und ausgerechnet Silviana, das war wundervoll süß!

„Gut zu wissen.“ sagte sie ruhig und blickte in die strahlend blauen Augen, die sie streng musterten. Und das war es wirklich, es wäre katastrophal gewesen, wenn Silviana das heute Nachmittag Geschehene in allen Einzelheiten berichtet hätte. Sie hatte zu recht angenommen, dass die Herrin der Novizinnen Niederlagen genauso wenig zugeben mochte, wie laut Siuan Elaida. Diesmal zuckte sie bei dem Hieb nicht zusammen, obwohl er etwas stärker als der erste gewesen war, und Tarna runzelte daraufhin die Stirn, führte sie dann aber einfach wortlos hinein.

Bei Elaida dann lief alles nach Plan. Egwene achtete sorgfältig darauf, jedesmal zusammenzuzucken, wenn Elaida sie mit Strängen aus Luft schlug, die sie kaum fühlte, aber glücklicherweise sehen konnte. Diese Rüstung des Lichts war wirklich Gold wert! Wie immer hielt Elaidas Begeisterung dafür nicht lange an und die Schläge hörten bald auf.

Meidani machte ihre Sache gut. Elaida war begeistert davon, es den Rebellen heimzuzahlen, was immer es gewesen sein mochte, mit dem sie es gewagt hatten, ihr zu trotzen. Die Rebellen würden in der Nacht erzittern, sobald sämtliche Aufgenommenen und Novizinnen das Verknüpfen und den Umgang mit Angrealen gleichzeitig übten. Sie zögerte, wie erwartet, auch die Sa'angreale freizugeben, aber Meidani schlug wie abgesprochen vor, die Behüterin der Chronik mit Silviana gemeinsam mit der Durchführung der Notfallübung zu betrauen, und Elaida ließ sich umstimmen, da sie Tarna offenbar vertraute. Höchstwahrscheinlich waren also entweder beide Schwarze Ajah oder keine von ihnen, das würde sich schon bald herausstellen.

Egwene sorgte nach einiger Zeit dafür, dass Elaidas Becher bis zum Rand gefüllt war und riskierte in der Ecke stehend und an die Wand gelehnt einen kurzen Besuch in Tel'aran'rhiod.

Sie fand Siuan sofort in Gareth Brynes Zelt, wo sie offenbar auf sie gewartet hatte. Doch sie bekam keine Gelegenheit, ihre Freundin auf den neusten Stand zu bringen, denn Siuan hatte schlechte Neuigkeiten, mit denen sie sofort herausplatzte: Sheriam war tot! Sie unterbrach Siuans Bericht nicht, obwohl ihr schon wieder die Zeit davonlief, vielleicht war es sogar besser, die Schwarze Ajah nicht zu erwähnen, damit Siuan nicht in ihrer Aufregung beschloss, an der Jagd selbst mit teilzunehmen. Plötzlich registrierte sie etwas in der realen Welt und kehrte sofort zurück.

„Ich muss kurz eingenickt sein.“ murmelte sie zögernd und hatte offenbar den richtigen Ton getroffen.

„Du schläfst ja schon im Stehen, Kind.“ sagte Elaida begütigend zu ihr, während Meidani sie mit einem nachdenklichen Blick musterte. Zufrieden bemerkte sie einen großen Weinfleck auf Elaidas verschwenderisch üppigem, roten Kleid, den diese aber in ihrem vom Wein hervorgerufenen Zustand nicht zu bemerken schien. „Du kannst jetzt gehen, aber schicke Tarna herein.“

Egwene wandte sich um, verließ wortlos den Raum und tat wie geheißen. Statt jedoch auf Tarnas Rückkehr zu warten, wie diese es ihr aufgetragen hatte, weil keine Roten Schwestern vor der Tür standen – nicht dass Tarna glaubte, dass sie das wüsste – ging sie schnell hinaus und holte den Beutel zurück, den sie unter einem Gewebe versteckt hatte, das ihn praktisch unsichtbar mit dem Fußboden und der Wand verschmelzen ließ. Sie verstaute die Halskette und den Eidstab griffbereit in ihr Gewand und ließ den Beutel danach wieder verschwinden. Dann kehrte sie in Tarnas Arbeitszimmer zurück und stellte sich genau dorthin, wo Tarna es ihr aufgetragen hatte. Sie döste ein bisschen, aber es half nicht viel gegen ihre Müdigkeit, denn Tarna kam nur wenig später zurück. Die Weisen Frauen der Aiel hatten behauptet, man könne praktisch völlig ohne Nachtschlaf auskommen, wenn man zwischendurch immer wieder Gelegenheit hatte, sich kurz auszuruhen. Allerdings hatten sie auch gesagt, so etwas könne leicht gefährlich werden, wenn man es nicht richtig machte, weshalb sie es nur in ganz seltenen Notfällen einsetzten. Immerhin war ihre Müdigkeit ein wenig besser geworden, das war doch schon was. Sie wippte leicht auf den Zehenspitzen, schwenkte die Arme herum und bewegte ihren Kopf abwechselnd zu den Seiten und vor und zurück, um ihren Kreislauf wieder anzuregen.

„Was soll das werden, Kind? Komm endlich.“ sagte Tarna schließlich ungeduldig. Egwene folgte ihr bereitwillig hinaus, hob dabei den Beutel auf und trug ihn vor sich her. Tarna schien sich nichts weiter dabei zu denken, hatte das verhüllende Gewebe offenbar nicht bemerkt.

„Die Aiel tun das, wenn sie müde werden, aber wach bleiben müssen.“ erklärte sie und rollte ihre Schultern, während sie betont feste Schritte machte. Es knackte leicht, als sie beide Schultern weit zurückzog und eine leichte Verspannung, die noch vom Erklettern der Säule stammte, löste sich endlich. Der erwartete Hieb von Tarna blieb aus, aber sie waren ja auch auf dem Weg zu Silviana, sicher hatte die Rote vor, ihr die Bestrafung notfalls zu befehlen, weil es angemessener war. Manche Bräuche waren tief verankert.

„Du musst jetzt nicht mehr lange wach bleiben, Kind. Wir gehen vorher noch zu Silviana, aber dann kannst Du eine Weile schlafen.“ Ihre kühle Gelassenheit würde schon bald ernsthafte Risse bekommen.

„Das ist sehr unwahrscheinlich, Tarna.“

„Je mehr Du sprichst, desto länger dauert es, bis Du ins Bett kommst.“ stellte die Rote geduldig fest.

„Unsinn, Tochter. Ich habe Glück, wenn ich überhaupt heute Nacht Schlaf finde. Es gibt übrigens schlechte Neuigkeiten, ich habe es gerade erst erfahren.“ Der Gedanke war ihr sofort in den Sinn gekommen, und je länger sie darüber nachdachte, desto mehr Sinn ergab er. Eine andere kam einfach nicht in Frage, aber sie musste geduldiger vorgehen, als ursprünglich geplant.

„Was hast Du erfahren, Kind?“ Tarna kniff fast unmerklich ihre Augen zusammen, vermutlich war sie misstrauisch.

„Sheriam ist letzte Nacht ermordet worden.“

„Unsinn!“ Tarna klang ernsthaft erschüttert und blieb stehen. Ihr selbst war es kaum anders gegangen, als sie es erfahren hatte, die Blaue hatte Besseres verdient gehabt.

„Ich wünschte, es wäre Unsinn. Ich muss mich wohl nach einer neuen Behüterin der Chronik umsehen.“ Es war absolut wichtig, ihre Stimme gleichmäßig klingen zu lassen, sie musste Tarna überraschen. „Du machst Deine Sache ganz gut. Besser jedenfalls als Deine Vorgängerin.“

„Was soll das heißen, Kind?“ Gab es da eine Spur Neugier unter all dem Misstrauen?

„Ich hasse es, so mit der Tür ins Haus zu fallen, aber beantworte mir bitte eine Frage: Was muss ich tun, damit Du meine neue Behüterin der Chronik wirst?“ Sie war die Ruhe in Person, zumindest nach außen hin.

„Das ist völlig ausgeschlossen, Kind.“ Der Tonfall verkündete eindeutig, dass Tarnas Geduld langsam überstrapaziert war.

„Nicht einmal die Erste Amyrlin persönlich könnte Dich umstimmen?“

„Die Erste Amyrlin ist schon lange tot.“ Jetzt klang sie eher genervt und leicht verwirrt, als ungehalten, und sie legte wieder leicht die Stirn in Falten. Die Rote musste sich fragen, worauf sie eigentlich hinaus wollte.

Egwene zog das Buch aus der Tasche und hielt es Tarna hin. „Die Erste Amyrlin ist tot, Tochter, aber ihr Werk ist es nicht. Wirf mal einen Blick hier hinein.“

Die Rote schnappte sich nach kurzem Zögern und einem weiteren misstrauischen Blick das Buch und schlug es auf. Ihre Augen weiteten sich und ihr Gesicht verzog sich allmählich zu einer Maske des Staunens, während sie las. Egwene machte ein paar weitere Lockerungsübungen, bis Tarna nach ein paar Minuten in scharfem Ton fragte „Wo hast Du das her!“ ohne den Blick von dem Buch in ihren Händen lösen zu können.

„Aus dem Herzen der Weißen Burg, Tochter. Leider habe ich heute keine Zeit, es Dir zu zeigen, aber vielleicht morgen.“

„Lüg mich nicht an, Kind!“ sie klang jetzt drohend, blickte nun doch zu ihr herüber und hatte Saidar umarmt. „Wo hast Du das her?“

Das war perfekt! Egwene zog den Eidstab aus der Tasche, hielt ihn der Roten Schwester vor die Nase und lenkte etwas Geist hinein, wobei sie ihre Umkehrung kurz verrutschen ließ, damit das Leuchten sich einen Augenblick lang zeigte. „Ich schwöre, die Wahrheit zu sagen. Ich habe dieses Buch aus dem Herzen der Weißen Burg.“

Mit geweiteten Augen riss die Aes Sedai ihr den Eidstab aus der Hand und untersuchte ihn mit Hilfe der Macht. Das Ergebnis, zu dem sie kam, schien sie nicht gerade zu erfreuen, denn sie war womöglich noch wütender als vorher und wesentlich lauter. „Wo hast Du den her?!“ Diesmal war es Tarna, die den Eidstab direkt vor ihre Nase hielt.

Egwene blieb betont ruhig. „Du stellst die falschen Fragen, Tochter. Viel interessanter ist die Frage, warum ich ihn dabei habe.“

„Und warum hast Du ihn dabei?“ kam es sofort fast im gleichen fordernden Tonfall wie zuvor zurück.

„Damit ich mich davon überzeugen kann, ob Du wahrhaftig im Licht wandelst, so wie ich es tue.“ sagte sie ruhig und fuhr mit gelassener Stimme fort, bevor sie unterbrochen werden konnte. „Pevara geht davon aus, dass wir es bei der Vollversammlung heute Nacht mit dreißig bis vierzig Schwarzen Ajah zu tun bekommen. Bevor Du jetzt an dem zweifelst, was ich gesagt habe, solltest Du bedenken, was Du da in der Hand hältst, Tochter.“

Tarna Feir starrte mit offenem Mund und geweiteten Augen erst Egwene an, dann den Eidstab und dann wieder sie. Mich verblüfft anzustarren, scheint heute eine der Lieblingsbeschäftigungen der Schwestern zu sein, dachte Egwene sarkastisch. „Wie Du vielleicht bemerkt hast, gab es heute bereits nach dem Abendessen einen Kampf. Mesaana hatte einen Angreal dabei und ohne das Herz der Burg hätte sie mich und die anderen vielleicht getötet und wäre entkommen, aber mit der Rüstung des Lichts habe ich sie erwischt, damit konnte sie unmöglich rechnen.“

„Rüstung des Lichts?“ murmelte die Rote und erinnerte sich offenbar endlich daran, dass sie einen der kostbarsten Schätze der Burg achtlos gegen ihre Brust gepresst hatte, als sie nach dem Eidstab griff. „Mesaana?“ Das Leuchten um Tarna begann, zu schwanken, als sie ihren Griff um das Buch lockerte. Dann erlosch es. Egwene nahm ihr das Buch vorsichtig ab, glättete behutsam einige Seiten, bevor sie es schloss, wobei sie leise „Das wird Saerin nicht gefallen“ murmelte, und verstaute das Buch wieder im Beutel. Es war sicher nützlich, eine so renommierte Sitzende zu erwähnen, die über Tarnas Verhalten ungehalten sein würde. Tarna blinzelte und ihr Blick richtete sich erneut auf den Eidstab in ihrer eigenen Hand. Die Eine Macht hatte sie jetzt losgelassen, sie vielleicht auch vor Überraschung verloren, jedenfalls nutzte Egwene die gute Gelegenheit, schirmte sie ab und fesselte sie kurzerhand.

„Wir haben nicht die ganze Nacht Zeit, Tochter.“ sagte sie energisch, erhob zum ersten Mal der Roten gegenüber ihre Stimme. Dann schnappte sie sich den Eidstab. „Leiste jetzt auf der Stelle den Ersten Eid, Tarna Feir, und bestätige mir, dass Du im Licht wandelst, damit wir endlich zu Silviana kommen. Ich werde die Aufgenommenen und Novizinnen nicht unter Eurer Obhut zurücklassen, wenn ihr Schattenfreunde seid!“

Tarna hatte versucht, Saidar wieder zu ergreifen, aber auch ohne die Halskette hätte sie keine Chance gehabt. Zu Egwenes Erleichterung versuchte sie es jetzt nicht noch einmal, das war ein weiteres gutes Zeichen.

Dann stöhnte die Rote plötzlich und murmelte nur durch Saidar für sie hörbar „Nicht die auch noch.“ Was sollte das bedeuten? Tarna schien ganz kurz abwesend auf eine Stelle am Fußboden zu starren und ein weiteres Puzzleteil fiel an seinen Platz. Auch Tarna war eine Rote, genau wie Pevara. Sie fragte sich besorgt, wie viele Männer die Roten wohl aus der Schwarzen Burg mitgebracht hatten, Rand würde in die Luft gehen, falls es zu viele wären. Allerdings war es unwahrscheinlich, dass viele Rote dazu bereit gewesen waren, männliche Machtlenker an sich zu binden. Es schien nur folgerichtig, dass auch Tarna eine von ihnen war, denn ihr Mut stand außer Zweifel.

„Ach, die können schon alleine auf sich aufpassen.“ sagte sie bewusst locker.

Tarna lachte zu ihrer Überraschung tatsächlich kurz auf! „Wie kannst Du...! Es muss Pevara gewesen sein, aber dennoch...!“ Mit einem leichten Kopfschütteln fing sie sich wieder und griff nach dem Eidstab. Egwene beeilte sich, einen Strang Geist hineinzulenken. „Ich schwöre, die Wahrheit zu sagen. Und ich wandele wahrhaftig im Licht, Kind. Willst Du Silviana auch so in die Mangel nehmen, wie mich?“ Sie klang beeindruckt.

Eine Behüterin der Chronik reicht mir völlig, Tochter. Außerdem habe ich dafür nicht genug Zeit. Vermutlich wird Silviana noch jahrelang ständig damit rechnen, dass ich ihr unerwartet einen Klapps auf den Hintern gebe, wenn ich sie einfach weitestgehend ignoriere.“ gab Egwene ausdruckslos zurück und Tarna lachte erneut hart auf, bevor sie wieder ernst wurde.

„Ich bin Elaidas Behüterin der Chronik. Selbst, wenn ich wollte, wie könnte ich da auch Deine sein?“ fragte Tarna dann, erneut den Kopf schüttelnd. Sie freundete sich mit dem Gedanken viel schneller an, als Egwene zu hoffen gewagt hatte. Natürlich war es sicherlich verlockend, Elaida nicht mehr beichten zu müssen, männliche Machtlenker als Behüter zu haben, das mochte einer der Gründe sein.

„Es gibt Präzedenzfälle. Du bist die Behüterin der Chronik und nicht des Amyrlin-Sitzes.“ Bedeutungsvoll hob sie kurz den Beutel mit den Aufzeichnungen der ersten Amyrlin. „Und jetzt komm endlich. Sobald wir im Saal der Novizinnen ankommen, kannst Du Yukiri nach Einzelheiten befragen, wenn Du Dich für das Thema interessierst.“ Sie ging weiter und die Rote folgte ihr, wobei sie unhörbar vor sich hin murmelte. Sie konnte gelegentlich einen Fluch heraushören, meistens in Verbindung mit ihr und Elaida. Sie hörte auch manchmal die Namen von Pevara, Saerin und Yukiri heraus, es war richtig gewesen, sie – in Pevaras Fall indirekt – zu erwähnen, alle waren sehr respektierte Aes Sedai und zudem Sitzende.

In der Nähe von Elaidas Quartier waren die Treppen wie ausgestorben gewesen, aber jetzt begegneten ihnen manchmal Diener, die nachts ihre Arbeit erledigten. Jedesmal glätteten sich Tarnas Züge, aber sobald niemand mehr zu sehen war, schnaubte, stöhnte oder lachte sie kurz auf, während ihre Stirn sich erneut in Falten legte. Egwene ließ sie in Ruhe, bis sie vor Silvianas Tür ankamen, die Frau brauchte offenbar die Zeit und sie selbst konnte sich so hervorragend auf das nächste Gefecht vorbereiten.

Diesmal betrat sie den Raum, ohne vorher anzuklopfen, und die Herrin der Novizinnen blickte überrascht auf. Sie saß wie üblich an ihrem Schreibtisch, und war offenbar nicht erfreut, dass sie ihr keinerlei Beachtung schenkte, sondern einfach hereinspazierte. Doch sie schloss den bereits geöffneten Mund wieder, als Tarna hinter ihr hereinkam und die Tür hinter sich wieder energisch ins Schloss drückte. Sie sah hocherfreut, dass die Rote Schwester tatsächlich den Respekt bekam, den sie erhofft hatte, Tarna Feir als Behüterin der Chronik würde erheblichen Eindruck machen!

„Tarna, hast Du Dich schon entschieden?“ fragte Egwene streng und richtete überflüssigerweise ihr Haar, während sie in den Spiegel blickte. Mit dem Helm geriet ihr Haar vermutlich nie mehr wirklich durcheinander, schoss ihr in den Sinn. Sie fragte sich am Rande, wie sie jetzt ihr Haar waschen sollte oder auch den Rest ihres Körpers, aber bestimmt war daran gedacht worden, schließlich war dies die Rüstung des Lichts.

Die Angesprochene blinzelte überrascht. Sie hatte sicherlich geglaubt, dass Silviana die nächste Attacke abbekommen würde und nicht sie. Natürlich war eine kräftige Breitseite für Tarna Feir hervorragend dafür geeignet, auch Silviana zu verunsichern, die jetzt die Stirn runzelte.

„Ich... bin mir noch nicht sicher.“ sagte Tarna Feir und ihre Stimme klang, abgesehen von dem kurzen Zögern, erfreulich ruhig. „Vielleicht sollte ich wirklich mit Yukiri darüber sprechen.“

„Tu das.“

Silviana blickte ratlos zwischen ihnen hin und her. Wenn Tarna sich nicht sicher war, war garnichts sicher, sie war dafür bekannt, nie die Fassung zu verlieren, hatte aber hörbar gezögert, die Frage zu beantworten. Egwene hatte Silviana inzwischen abgeschirmt und trat jetzt auf sie zu. Sie stützte sich mit beiden Händen auf den Schreibtisch, so dass sich ihre Nasen fast berührten und fragte ruhig „Wandelst Du im Licht, Tochter?“

Silvianas Augen weiteten sich, als sie erkannte, dass sie abgeschirmt war, und wich erschrocken zurück. Ihr Blick flog zu Tarna. „Was hat das zu bedeuten?“ fragte sie und ihre Stimme war weit von der üblichen Selbstsicherheit entfernt. Sie schien einzusehen, dass es nutzlos war und hörte auf, den Schild durchbrechen zu wollen. Sie schien also ebenfalls im Licht zu wandeln, erkannte Egwene erleichtert, eine Schwarze Ajah wäre bei ihrer Frage sicher in Panik geraten, wenn sie abgeschirmt war. Sie hatte sich auch diesmal wieder darauf eingestellt, einen körperlichen Angriff abwehren zu müssen, aber erneut war es wohl nicht erforderlich. Dennoch blieb sie weiterhin auf der Hut.

Wenn sowohl Tarna, als auch Silviana im Licht wandelten, so galt das mit großer Wahrscheinlichkeit auch für Elaida, überlegte Egwene, vermutlich war die Frau einfach nur machtsüchtig und dumm.

Die Behüterin der Chronik seufzte hörbar. „Gib mir den Eidstab, Kind.“

Egwene richtete sich abrupt auf, wandte sich vom Tisch ab und drückte ihn ihr mit einem strengen „Aber beeil Dich!“ in die Hand, während sie den Schild weiterhin festhielt. Es stand außer Frage, der Roten jetzt die Führung zu überlassen, also ließ sie die Rüstung des Lichts erscheinen und rief das grüne Bild des Turmes hervor. Nacheinander fokussierte sie eine lächelnde rote Elaida, eine ernste gelbe Beonin und eine gelassene grüne Saerin, während die beiden Aes Sedai sie gleichermaßen verdutzt anstarrten. Wie praktisch, dass Elaida sich irgendwann einmal die Mühe gemacht hatte, auf den Turm zu steigen! „Ich sagte, Du sollst Dich beeilen, Tochter.“ sagte sie ruhig. „Die Versammlung der Schwarzen Ajah hat vielleicht schon begonnen.“

Tarna bemerkte, dass Egwene sie im Spiegel beobachtete und wandte sich an die Rote hinter dem Schreibtisch, die anscheinend versuchte, mit dem Mund Fliegen zu fangen. „Ich schwöre, die Wahrheit zu sagen. Ich wandle wahrhaftig im Licht. Jetzt Du, Silviana.“ Ihre Hand zitterte nicht, als sie ihr den Eidstab vor die Nase hielt und ihr Tonfall war streng, aber beherrscht. Sie machte sich gut.

Da die Herrin der Novizinnen im Licht wandelte und den Ernst der Situation schnell erkannte, brauchte sie nicht lange, um die Notwendigkeit sofortigen Handelns einzusehen. Weder sie noch Tarna erhoben Einspruch gegen ihre Anweisungen und beide machten sich auf den Weg.

Sie selbst hatte beschlossen, dass es eine Aufgabe für sie gab, die sie nicht aufschieben durfte, und machte sich alleine auf den Weg, so schnell sie konnte.



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